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Ursula Nonnemacher spricht zu unserem Antrag „Ministerialvorbehalt für Abschiebungen nach Afghanistan“

>> Antrag „Ministerialvorbehalt für Abschiebungen nach Afghanistan“ (pdf-Datei)

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Afghanistan ist nicht sicher! Das sagt der UNHCR, die Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen und zahlreiche Menschenrechtsorganisationen seit langem. Und darüber haben wir hier in diesem Landtag auch im März gesprochen, als unsere Fraktion einen Antrag auf Abschiebestopp gestellt hat. Der Antrag wurde abgelehnt, was den Menschen nicht half, die hier im Land von einer Abschiebung bedroht waren. Es war aber auch ziemlich kurzsichtig. Weil keine vier Wochen danach ein junger Mann aus Brandenburg/Havel direkt von seinem Arbeitsplatz zur Abschiebung nach Afghanistan abgeholt wurde. Der rot-rote Entschließungsantrag zu dem von uns geforderten Abschiebestopp hat ihm nicht geholfen. Das liegt daran, dass der im Prinzip nur das forderte, was ohnehin schon geltendes Recht war, beziehungsweise in Richtung Bund zeigte. Der dazu natürlich trotzdem den Titel unseres Ursprungsantrags trägt: „Aussetzung von Abschiebungen nach Afghanistan“. Das ist ein hübsch progressives Deckmäntelchen für eine Bündelung von Maßnahmen an der absoluten Rückzugslinie.

Problematisch ist, dass mit dem Beschluss noch nicht einmal diese minimalen Rückzugslinien erfüllt werden. Die Reaktion von Innenminister Schröter auf den Fall aus Brandenburg/Havel zeigt nämlich: Die Landesregierung kann sich momentan hinsichtlich der Einhaltung der Forderungen des Landtagsbeschlusses durch die kommunalen Ausländerbehörden nur auf die Informationen stützen, die ihr durch diese zur Kenntnis gelangen. Die kommunalen Ausländerbehörden sind diejenigen, die die betroffenen Menschen zu den Sammelabschiebungen anmelden. Direkt bei der zuständigen Bundesbehörde.

Um den Beschluss des Landtages umzusetzen, müssten sie eine Anweisung dazu von ihrem obersten Dienstherrn bekommen. Bis dahin läuft der Auftrag der Legislative ins Leere. Dass auf die im März vom Landtag angenommene Entschließung noch nichts geschehen war, das haben auch die Vertreter der Koalitionsfraktionen auf einer Veranstaltung des Flüchtlingsrates am 30.5. eingeräumt. Unserem Wissen nach ist eine entsprechende „Hinwirkung“ der Landesregierung auf die Ausländerbehörden, wie es der Beschluss forderte, bisher nicht erfolgt. Der Hinweis auf vermeintlich zu erfüllende Quoten durch den Innenminister zeugt auch nicht von übertriebenem Engagement, Abschiebungen nach Afghanistan einer extrem strengen Überprüfung zu unterziehen. Abschiebungen in ein Land, in dem im letzten Jahr bei Angriffen und Kämpfen 3 500 Menschen gestorben sind und 7 900 Menschen verletzt wurden. Zivile Opfer, wohlgemerkt. Ein in weiten Teilen zerstörtes Land ohne Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit, kontrolliert von Aufständischen und den Taliban. Aus Brandenburg abgeschobene Menschen finden dort eine Situation vor, in der sie kaum Möglichkeiten haben, selbstständig zu überleben.

Ganz ehrlich, wir finden, das geht so nicht! Erstens müssen Beschlüsse des Landtags von der Landesregierung ernst genommen und umgesetzt werden. Zweitens hat die Landesregierung eine humanitäre Pflicht, Menschen nicht in Länder abzuschieben, in denen ihnen ernsthafte Gefahr für das eigene Leben droht. Deswegen soll das Innenministerium zukünftig über jede Entscheidung zu einer Abschiebung nach Afghanistan durch die kommunalen Ausländerbehörden vorab informiert werden. Das Innenministerium soll zudem jeden dieser Anträge im Sinne des gefassten Landtagsbeschlusses auf Rechtmäßigkeit prüfen. Damit würde der Entschließungsantrag vom März nachgebessert und erfüllte seine ursprüngliche Intention.

Warum ist es jetzt noch notwendiger als jemals zuvor, dass das Land seine humanitären Verpflichtungen wahrnimmt? Für uns zeigt sich, dass an der Reaktion der Bundesregierung auf den schrecklichen Anschlag vom 31. Mai in Kabul mit 150 Toten und mehreren hundert Verletzten. Die Bundesregierung hatte nichts schneller zu tun, als zu verkünden, Abschiebungen nach Afghanistan nur bis zur Vorlage eines überarbeiteten Sicherheitsberichts und nur für bestimmte Gruppen afghanischer Flüchtlinge aussetzen zu wollen. Zynisch war es, als Grund für den Stopp der für denselben Tag geplanten Sammelabschiebung anzugeben, dass die Mitarbeiter*innen der deutschen Botschaft nach dem Anschlag dafür keine Bearbeitungskapazitäten hätten – also nicht etwa, weil die Sicherheitslage sich immer weiter verschlechtert. Trotzdem wurde diese Entscheidung der Bundesregierung als Umlenken gedeutet, als Abschiebestopp überinterpretiert. Geschickt kommuniziert die Bundeskanzlerin, Menschen sollten nur nach Afghanistan abgeschoben werden, wenn sie sich, in ihren Worten „hartnäckig ihrer Identitätsfeststellung verweigern“. Sie lässt die Wählerinnen und Wähler denken, na klar können wir Menschen abschieben, die nicht ehrlich sind und nicht kooperieren, hätten sie ja machen können. Ich bin mir aber sicher, dass die Bundeskanzlerin und ihr Innenminister im Gegensatz zu den meisten Wählerinnen und Wählern sehr wohl wissen, was ihre eigene Bundesbehörde, das BAMF zu diesem Thema veröffentlicht (Zitat): „Problematisch ist die Identitätsfeststellung (…) bei Ländern ohne funktionierendes Meldewesen; dies betrifft aktuell vor allem Afghanistan…“. Die Entscheidung der Kanzlerin und des Innenministers ändert also faktisch für die Betroffenen nichts. Denn die wenigsten afghanischen Geflüchteten können bei der Identitätsfeststellung mitwirken, die afghanischen Behörden ermöglichen es ihnen einfach nicht. In der Folge schiebt die Bundesregierung unverdrossen weiter ab, gerade wieder vorgestern.

Dass es auch anders geht, moralisch wie auch faktisch, zeigt CDU-Mitglied Ruprecht Polenz. Der postet bei Facebook: „Wir können abgelehnte Asylbewerber sogar einbürgern, wenn sie wegen langjähriger Duldung inzwischen unsere Sprache sprechen, gut integriert sind und für sich selbst sorgen können.“

Solange die Bundesregierung diese Haltung nicht zeigt, müssen wir selber handeln. Die Zeit drängt. Sorgen Sie dafür, dass zumindest ihre eigene Entschließung konsequent umgesetzt wird.

>> Antrag „Ministerialvorbehalt für Abschiebungen nach Afghanistan“ (pdf-Datei)

Der Antrag wurde abgelehnt.