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Ursula Nonnemacher zu unserem Antrag „Faire Unterkunftsgebühren für geflüchtete Menschen in Gemeinschaftsunterkünften“ - Der Antrag wurde in den Ausschuss überwiesen, die Rede zu Protokoll gegeben

>> Unser Antrag „Faire Unterkunftsgebühren für geflüchtete Menschen in Gemeinschaftsunterkünften“ als pdf-Datei.

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Stellen Sie sich folgende Anzeige vor: Wohnen im schönen Oberhavel, Schlafplatz im 4-Bett-Zimmer, inklusive Toilette und Dusche auf dem Gang für 10-15 Personen, eine ganze Kochplatte für drei Personen. Jetzt einziehen für nur 600 Euro im Monat! Ein Scherz, denken Sie? Nein. Die Anzeige ist einer. Die beschriebene Wohnsituation leider nicht. Vier Landkreise und kreisfreie Städte rufen Preise bis zu dieser Höhe auf, wenn Sie Betten in Gemeinschaftsunterkünften an geflüchtete Menschen vermieten. Sie sind nicht die Einzigen. Der rbb hat in seiner Sendung „Kontraste“ gerade erst im Juli auf ein ähnlich gelagertes Problem in Bayern aufmerksam gemacht. Der Titel der Sendung lautete: „Wuchermieten - Flüchtlinge werden vom Staat gnadenlos abkassiert“. Eigentlich hätte der rbb einfach hier vor Ort schauen können.

Im Land Brandenburg ermöglicht das Landesaufnahmegesetz, gerade im Frühjahr 2016 neu gefasst, den Kreisen diese Einnahmequelle. Das Gesetz soll eigentlich im Kern die Bedingungen für die anfängliche Wohnsituation von zu uns geflüchteten Menschen regeln. Anfänglich bedeutet, solange die geflüchteten Menschen im Regelkreis des Landesaufnahmegesetzes sind, also maximal 15 Monate. Die öffentliche Hand übernimmt in dieser Zeit des Ankommens die Wohn- und andere Kosten. Denn, wenn Menschen ihr Heimatland verlassen, sich an einem fremden Ort eine neue Existenz aufbauen müssen, stehen sie vor großen Herausforderungen. Viele von ihnen kommen allein, sie sprechen die Sprache nicht, sind in Sorge um ihre Zukunft und in Gedanken bei Familie und Freunden, die in den Herkunftsländern zurückgeblieben sind. Dazu kommt, dass sie in den ersten Monaten in Deutschland kein eigenes Einkommen haben. Der Staat muss ihnen deshalb Unterstützung bieten. Seit Anfang des Jahres häufen sich jedoch die Berichte, dass immer mehr Menschen immer länger in den Gemeinschaftsunterkünften wohnen bleiben, über die Zeit des Ankommens hinaus. Dafür waren die Gemeinschafts-unterkünfte jedoch nicht gedacht, denn die geflüchteten Menschen bringen nicht nur ihren Unterstützungsbedarf mit, sondern auch ihre Fähigkeiten. Sie lernen Deutsch, sie besuchen die Integrationskurse, sie finden Jobs. Und irgendwann entlang dieser Ereignisse verändert sich die Form und der Bedarf staatlicher finanzieller Unterstützung oder wird gänzlich überflüssig, weil die geflüchteten Menschen eine sozialversicherungspflichtige Arbeit haben. Ein guter Zeitpunkt eigentlich, um aus Unterkünften auszuziehen, die vom Land bewusst als Unterkunft auf Zeit angelegt wurden.

Wenn das jetzt nicht passiert, möchten wir gerne wissen: wie und wo kommt es dazu, dass Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften dauerhaft wohnen bleiben? Und vor allem: was bedeutet das für diese Menschen, für ihre Integration und für Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand?

Eine Frage ist vielerorts vermutlich, wenn raus aus der Gemeinschaftsunterkunft, wohin ziehen? Erstens ist bezahlbares Wohnen in diesem Land sehr unterschiedlich verteilt. Geflüchtete Menschen, die in Potsdam, Oberhavel oder Cottbus angekommen sind, werden natürlich erst einmal unmittelbar im Umfeld dieses ersten Stückchens neuer Heimat suchen. Hier ist die Wohnungssuche aber, das wissen wir aus anderen Debatten, schon länger eine Herausforderung. Hinzu kommt: In einem für alle Menschen angespannten Wohnungsmarkt ist Diskriminierung verbreiteter, das ist empirisch belegt, und auch die brandenburgischen Beratungsstellen verweisen auf dieses Problem. Menschen mit Migrationsgeschichte haben es hier also doppelt schwer. Sozialer Wohnungsbau wird im ganzen Land seit Jahren nicht ausreichend vorangetrieben. Ein Ausweichen auf Regionen, in denen mehr Wohnungen verfügbar sind, scheint jedoch nur in der Theorie eine plausible Antwort. Kinder gehen in die örtliche Schule und die Kita um die Ecke. Dann einfach umziehen, in eine andere Gemeinde, an einen anderen Ort? Zweitens leben in der Gemeinschaftsunterkunft Menschen mit ähnlichen Erfahrungen, vielleicht sogar aus dem eigenen Land. Da formen sich soziale Bindungen - ein wichtiger emotionaler Aspekt im menschlichen Leben und gleichzeitig Voraussetzung für psychische und physische Gesundheit. Die Gemeinschaftsunterkunft zu verlassen, fällt aus diesem Grund womöglich auch besonders schwer. Drittens ist eine neugefundene Arbeit wahrscheinlich in der Nähe der Gemeinschaftsunterkunft, beziehungsweise mit dem öffentlichen Nahverkehr von dort aus gut zu erreichen. Irgendwo hinziehen, wo es zwar freie Wohnungen gibt, aber keinen Zug? Das ist im Land Brandenburg für alle oft ein eher riskantes Unternehmen!

In diese Gemengelage gehört auch die Situation der Kommunen. Sie haben mit großer Anstrengung in kurzer Zeit viele Plätze bereitgestellt. Plätze in großen Unterkünften, die nun leer stehen und sich aufgrund ihrer Bauweise als Heime für keine andere Nutzung eignen, nicht für studentisches Wohnen, nicht für generationenübergreifendes Wohnen. Der Leerstand ist ärgerlich, und kostet. Da liegt es nahe, die Geflüchteten weiter dort wohnen zu lassen. Sie müssen ihre vertraute Umgebung nicht verlassen, die Unterkunft steht nicht gänzlich leer, Einnahmen werden generiert. Das Problem ist, dass hier eine Wohnsituation entsteht, allerdings zu Bedingungen einer Heimunterbringung. Das ist nicht ohne weiteres zulässig, findet auch der Bundesgerichtshof. Er urteilte im Sommer, dass es einen grundsätzlichen Unterschied zwischen „Wohnen“ und „Heimunterbringung“ gibt. Heimtypisch ist, wenn viele Menschen in einem Raum leben, eine Hausordnung vorliegt, Fluktuation herrscht. Wie ist das rechtlich, wenn jetzt in Brandenburg Heimunterkünfte heimlich, still und leise, zu Wohnzwecken umfunktioniert werden? Wie wirkt sich das auf die Quartiersbildung aus? Aktuell leben ohnehin schon 78% aller neu angekommenen Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften. Wird dieser Befund dauerhaft verfestigt, wenn jetzt viele Geflüchtete dort nicht mehr ausziehen? Das wäre integrationsfeindlich. Integration lebt von Kontakten zwischen Zugezogenen und Alteingesessenen. Integrationsfeindlich sind aber auch die hohen Gebühren, die von den Flüchtlingen gezahlt werden müssen. Gemäß Beschlussfassung des Kreistags Oberhavel sollen von Flüchtlingen, die Geld verdienen, 620,78 Euro pro Person pro Monat für einen Platz im Heim bezahlt werden. Welche Arbeit muss ich denn annehmen, um so viel Geld für Wohnen ausgeben zu können? Wie hoch ist mein Anreiz, eine bezahlte Tätigkeit aufzunehmen, wenn der größte Anteil meines Einkommens draufgeht für die Übernachtung in einem Heim? Anzumerken ist auch, dass für Flüchtlinge, die noch kein eigenes Geld verdienen, das Job Center zahlt, und zwar den gleichen Betrag, den es sonst bezahlt für eine Wohnung, die abschließbar ist, eine eigene Küche und Bad hat und Privatsphäre ermöglicht. Finanziert übrigens zu gut einem Drittel durch den Bund. Last but not least: Mit Sorgen nehmen wir zur Kenntnis, dass das Sozialministerium die Nutzungsentgeltsatzungen der Kreise gemäß § 11 des Landesaufnahmegesetzes vorab hätte genehmigen müssen. Die Genehmigungsverfahren waren nach unserer Kenntnis zumindest bis September nicht abgeschlossen. Trotzdem haben die Kommunen wohl bereits Nutzungsentgelte von den Flüchtlingen gefordert, wenn auch nicht in voller Höhe. Hierauf hätten wir gerne Antworten. Werden die vor Abschluss des Genehmigungsverfahrens geforderten Gelder rückerstattet? Welche Kriterien legt das MASGF einer Genehmigung von Nutzungsentgelten zu Grunde? Wie fair sind 600 Euro monatliche Gebühren für Mehrbettzimmer? Wie transparent kann das Ministerium machen, ob es durch fehlende Anreize zum Auszug der geflüchteten Menschen in eigene Wohnungen zur Querfinanzierung kommunaler Unterkünfte kommt?

Das möchten wir gerne fachlich breit diskutieren und haben deshalb die Überweisung unseres Antrags in den Sozialausschuss beantragt. Dort wird in absehbarer Zeit ohnehin die Evaluierung des Landesaufnahmegesetzes ein wichtiges Thema sein. Lösungen zu unseren Fragen würden sich dort sicher gut einreihen.