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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag der CDU-Fraktion „Sicherheit und Ordnung im ganzen Land gewährleisten – Kommunen nicht allein lassen!“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

In den letzten drei Wochen haben gewalttätige Übergriffe in Cottbus –sowohl auf Geflüchtete als auch von jugendlichen Geflüchteten – die regionale als auch überregionale Presseberichterstattung dominiert. Die Stadt Cottbus steht – nicht zum ersten Mal – im Focus bundes-, ja europaweiter Aufmerksamkeit. Man könnte meinen, in Cottbus herrsche Bürgerkrieg, Barrikaden würden brennen und marodierende, plündernde Banden zögen durch die Innenstadt. Wir sollten uns klarmachen, wem dies nützt: Der Verein „Zukunft Heimat“ mit seinen Unterstützern AfD, Pegida, Ein Prozent und Identitären hat damit für sein dahindümpelndes Demoformat „Grenzen ziehen“ ein Mobilisierungsthema gefunden.

Dass dieses Zerrbild der zweitgrößten Stadt Brandenburgs, einer Stadt mit einer überwiegend friedlichen Bürgerschaft, einer reichen Zivilgesellschaft und einer um internationalen Reputation bemühten Universität, von deren 7500 Studierenden ein Viertel aus dem Ausland kommt, nicht gerecht wird, liegt auf der Hand. Es wird Zeit, dass Cottbus aus den Schlagzeilen kommt – und zwar sowohl als braune Nazihochburg als auch als Sammelort krimineller messerstechender Flüchtlinge.

Rückbesinnung auf Fakten, Abkühlung von überhitzten Phantasien und Durchbrechen von Eskalationsspiralen tut Not, ohne dabei reale Problemlagen kleinzureden und unter den Teppich zu kehren. In den letzten Jahren warnen unsere Sicherheitsbehörden vor dem Erstarken der rechtsextremistischen Szene im Raum Cottbus, die hochgradig gewaltorientiert ist und eine unheilvolle Bündelung von Neonazis, Rockern, Angehörigen des Bewachungsgewerbes und der Kampfsportszene, von Hass-Musikern und Fußball-Hooligans aufweist. Die Zahl fremdenfeindlicher Straftaten ist sehr hoch, ein Fünftel aller Gewaltstraftaten der politisch-motivierten Kriminalität rechts in Brandenburg entfällt auf die Region. Die von rechtsextremistischen Hooligans im Umfeld des FC Energie Cottbus ausgehende Gefahr und systematische Einschüchterungsversuche gegenüber normalen Fans und der Zivilgesellschaft in Cottbus haben uns schon letztes Jahr beschäftigt.

Seit 2013 ist der Anteil an zugezogenen Asylbewerbern und Geflüchteten deutlich gestiegen. Cottbus hat dabei sehr gute Arbeit geleistet sowohl was die Integrationsangebote als auch die Erfüllung der landesspezifischen Quoten anging. Durch die immer raschere Bearbeitung der Asylanträge durch das BAMF kommen bei an sich stark rückläufigen Asylbewerberzahlen jetzt im Zuge der Freizügigkeit immer mehr Menschen, die gerne dort leben möchten. Dieses Phänomen ist weltweit aus allen Großstädten bekannt, stellt aber die Stadt vor Herausforderungen bei der Bereitstellung von Wohnraum, Bildungsangeboten, sozialer Infrastruktur und der Integration. Dass sich unter den meist jugendlichen Geflüchteten eine kleine Gruppe von gewalttätigen Problemfällen herausgebildet hat mit einer Zunahme von Straftaten, stellt ein zusätzliches Problem dar und muss konsequent angegangen werden.

Über diese Problemlagen hat im AIK letzte Woche eine ausführliche und konstruktive Aussprache stattgefunden; die Landesregierung hat auf die Bitte der Stadt Cottbus um Unterstützung reagiert und ein Bündel an Maßnahmen in die Wege geleitet. Wir Bündnisgrünen begrüßen insbesondere die Übernahme der Migrationssozialarbeit aus Landesmitteln für diejenigen, die den Rechtskreis des Asylbewerberleistungsgesetzes verlassen haben und dem Rechtskreis des SGB II unterliegen. Dafür sind eigentlich die Kommunen zuständig, aber hier gibt es wirklich eine große Lücke, die auch auf Bundesebene anzugehen ist. Das SGB II und die Jobcenter sind nicht auf die dringend notwendige Betreuung von anerkannten Flüchtlingen hinausgelegt.

Vor diesem komplexen Hintergrund legt uns jetzt die CDU diesen Antrag vor, der im Kern auf zwei zentrale Forderungen abzielt: die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes sollen dazu dienen, alle ausreisepflichtigen Personen –unabhängig von jahrelangen Rechtsstreitigkeiten oder unüberwindbaren Abschiebehemmnissen – zu kasernieren und die Wohnsitzauflage, also eine Zuzugssperre für anerkannte Flüchtlinge soll eingeführt werden. Beiden Forderungen erteilen wir eine scharfe Absage. Wer Menschen ohne Perspektive jahrelang in eine sogenannten „Rückführeinrichtung“ pferchen will, befördert damit förmlich Desintegration und Gewaltprobleme. Wohnsitzauflagen, wie sie bereits in den neunziger Jahren für Spätaussiedler angewandt wurden, sind alles andere als ein Allheilmittel: sie sind von hohem Verwaltungsaufwand begleitet und erschweren die Integration in den Arbeitsmarkt erheblich.

Wer – wie die CDU – einen „Flächenbrand“ verhüten will, der sollte vielleicht nicht das Agendasetting von AfD und Co betreiben. Er befördert damit – ob gewollt oder ungewollt – das, was uns die neurechten Hetzer weißmachen wollen: alle Probleme rühren nur von kriminellen Ausländern her, die es gilt um jeden Preis fernzuhalten.