- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
Die Enquetekommission hat die Frage, ob es einen umfassenden Reformbedarf der Kommunal- und Landesverwaltung angesichts der vor uns liegenden demografischen und finanziellen Herausforderungen gibt, eindeutig und einhellig mit Ja beantwortet und konkrete Empfehlungen formuliert. Dies war bei der Einsetzung der Kommission so nicht zu erwarten – und scheint mittlerweile auch in Teilen wieder vergessen worden zu sein. Wahlkampf-Amnesie ist dafür wohl die zutreffende Diagnose.
Die CDU wurde als erste davon befallen. Parallel zur Klausur der Enquetekommission im Juni 2013 kassierte die CDU, die maßgeblich die Einsetzung forciert hatte, alle diskutierten Reformprojekte. Dr. Schierack verordnete seiner Partei lieber eine ordentliche Dosis Valium und einen Relaunch als Heimatpartei, die alles so lassen will, wie es ist.
Die SPD folgt dem Vorbild der CDU jetzt mit einigem zeitlichen Abstand und handelt sich prompt Plagiatsvorwürfe ein. Alles, was die armen Wähler „verunsichern“ könnte, wird konsequent abgeräumt. Die SPD schafft es, sich in ihrem Wahlprogramm der Reaktivierung des Schulfaches Gartenarbeit zu widmen, aber die Verwaltungs- und Gebietsreform völlig unter den Tisch fallen zu lassen. Dabei war gerade sie es, die zwischenzeitlich richtig zuschlagen wollte mit Mindesteinwohnerzahlen von 25.000-35.000 und damit Gemeinden von der Größe der DDR-Altkreise.
Wenn alle vermeintlich das Ohr ganz nah am Volke haben, will auch die Linke nicht fehlen. Ihr Vorsitzender und Spitzenkandidat Christian Görke schießt dabei den Vogel ab und bringt schon mal die Verschiebung der Kreisgebietsreform auf 2024 ins Gespräch. Dabei demontiert er gleich auch noch seinen Vorgänger als Parteivorsitzenden und Vorsitzenden der Enquetekommission. Denn Stefan Ludwig war es, der dafür sorgte, dass die Linke in der Kommission nicht nur auf der Bremse stand, sondern gerade am Ende konstruktiv beim Ringen um die besten Lösungsvorschläge für unser Land mitgewirkt hat.
Verschweigen, verdrängen, verschieben – diese Symptomtrias ist bei der Wahlkampfamnesie allen drei großen Parteien gemein. Garniert wird dies bisweilen mit der Aussage, erst müsse sowieso die Funktionalreform durchgeführt werden und dann könne man ja mal schauen, ob überhaupt noch Bedarf an Gebietanpassungen bestehe. Dies ist – mit Verlaub –einfach Blödsinn! Spätestens seit der Diskussion des Bogumil-Gutachten ist klar, dass Funktionalreform und Gebietsreform zusammen gehören. Alles andere funktioniert nicht. Man kann auch keiner 3000-Seelen-Gemeinde die Trägerschaft für ein Opernhaus überstülpen. Größe und Aufgabe müssen in einem sinnvollen Verhältnis zueinander stehen. Wer viele Landesaufgaben kommunalisieren will, braucht auch große und leistungsfähige Einheiten, die diese Aufgaben auch aufnehmen können. Aus genau diesem Grund sind wir Bündnisgrüne für eine Kommunalisierung mit Augenmaß und eine moderate Reform der Kreisebene.
Statt über Gebietsreformen 2024 nach abgeschlossener Funktionalreform zu philosophieren, sehen wir für den Finanzminister andere Betätigungsfelder. Herr Görke, der Endbericht der Enquetekommission hat Ihnen und Ihrem Ministerium einige gewichtige Hausaufgaben mit auf den Weg gegeben. Um deren Erfüllung sollten Sie sich jetzt kümmern und dem Landtag möglichst bald ihre Vorschläge vorlegen, wie in Zukunft die Finanzbeziehungen zwischen dem Land, den Landkreisen und den Städten und Gemeinen ausgestaltet werden sollen. Wie soll bei einer Reform mit den Altschulden von Kommunen umgegangen werden? Welche Anforderungen stellt eine Reform der Verwaltungs- und Kommunalstrukturen an den horizontalen Finanzausgleich? Welche Art von Reformanschubfinanzierung ist richtig und sachgerecht? Über konkrete Aussagen der Landesregierung zu diesen Themen würde ich mich wirklich freuen. Da herrscht aber absolute Funkstille.
Brandenburg braucht eine Reform der Verwaltungs- und Kommunalstrukturen, damit unsere Städte, Gemeinden und Landkreise auch in Zukunft leistungsfähig sind oder ihre Handlungsfähigkeit zurück erhalten. Anstatt viele kleine parallele Verwaltungen zu erhalten, muss die Daseinsvorsorge sichergestellt werden.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der angestrebten Stärkung der kommunalen Ebene mit der Übertragung weiterer Aufgaben sind gemeindliche Verwaltungen, die bald nur noch 3.000 EinwohnerInnen haben nicht zukunftsfähig.
Der Vorschlag zur Schaffung der Brandenburgischen Amtsgemeinde ist richtungsweisend. Die Gemeinden sollten in Zukunft das Eingangstor zur gesamten öffentlichen Verwaltung, also auch für Angebote der Kreis- und Landesverwaltung sein. Notwendig ist dafür ein Ausbau der E-Government-Angebote, die helfen Behördengänge zu vermeiden, sowie mobiler Angebote.
Es liegt viel Arbeit vor uns! Meine Empfehlung an die Landesregierung lautet deshalb:
· Setzen Sie die konkreten Handlungsaufträge der Enquetekommission um. Dies betrifft die Finanzaspekte, aber auch Prüfungen von Aufgaben wie den gesamten Bereich Wasser und Abwasser, die Gesundheitsberichtserstattung oder die von großer medialer Aufmerksamkeit begleitete Frage der Organisation der Rechtsmedizin.
· Erarbeiten Sie in Ihren Ministerien schon jetzt die notwendigen Grundlagen für die Schaffung von Amtsgemeinden und für eine Funktionalreform;
· Wagen Sie sich auch endlich an die Novellierung der Kommunalverfassung, damit wir mehr lokale Demokratie und mehr Möglichkeiten für BürgerInnenbeteiligung schaffen.
Meine Fraktion wird die Umsetzung dieser Arbeitsaufträge immer wieder anmahnen. Ein Wegtauchen werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Dafür ist uns die Aufgabe zu bedeutend. Dafür ist uns die Leistungsfähigkeit unserer Kommunen zu wichtig.