>>> der Antrag unserer Fraktion als pdf
- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie alle kennen sicherlich das schöne Sprichwort "Was du nicht willst, das man dir tu', das füg' auch keinem andern zu."
Wenn wir uns diese goldene Regel für unser Sozialverhalten, die sich übrigens aus der Bibel ableitet (Stichwort: Nächstenliebe), einmal auf der Zunge zergehen lassen, so frage ich mich:
- Warum müssen Flüchtlinge und AsylbewerberInnen, die hier bei uns Zuflucht suchen, in alten Kasernen im Wald, weitab von der nächsten Ortschaft - also auch weitab von Ämtern, Ärzten und Bildung - wohnen?
- Warum müssen sie sich Zimmer, Bäder, Küchen und Toiletten mit mehreren - ihnen unbekannten - Personen teilen? Warum stehen ihnen dabei pro Person nur 6 qm Wohnfläche zu?
- Warum müssen sie in maroden Gebäuden wohnen, in denen der Putz von der Decke fällt?
Deshalb frage ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Möchten Sie selbst so leben? Diese Menschen verdienen unseren Schutz und eine Umgebung, in der sie sich von dem, was sie erlebt haben, erholen können!
Sicherlich sind nicht alle Flüchtlingsunterkünfte in Brandenburg in diesem Zustand, sicherlich müssen nicht alle in Gemeinschaftsunterkünften leben. Aber einige „schwarze Schafe" geistern öfter durch die Presse (z.B. wurde Ende März auf das Heim in Hohenleipisch, Landkreis Elbe-Elster, wegen seiner isolierten Lage aufmerksam gemacht). Leider ändert sich nichts! Dies wollen wir angehen und einen menschenwürdigen Standard im gesamten Land erreichen!
In unserer Kleinen Anfrage vom September 2010 haben wir die Situation von Flüchtlingen im Land Brandenburg erfragt. Nun haben die Flüchtlingsräte in ihrem Sonderheft „AusgeLAGERt – zur Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland" die Situation in den Gemeinschaftsunterkünften ausführlich beschrieben – ich kann Ihnen allen die Lektüre dieses Heftes nur empfehlen!
In Brandenburg lebten Ende 2009 1.163 AsylbewerberInnen und 1.757 geduldete Flüchtlinge. Landesweit gibt es 17 Lager, in jedem Landkreis eins, nur das Lager in der Prignitz wurde mangels Belegung geschlossen.
Dabei ist die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften gar nicht zwingend vorgeschrieben! Deshalb sollten die Landkreise und kreisfreien Städte ihre Ermessensspielräume, die sie haben, nutzen! In diesem Zusammenhang möchte ich die Stadt Cottbus positiv hervorheben: dort wurde 2001 durchgesetzt, dass die BewohnerInnen nach einem Jahr Lagerunterbringung in Wohnungen umziehen können. Eine menschenwürdige Unterbringung in Wohnungen ist also möglich!
Deshalb fordern wir, dass
- die Unterbringung in Wohnungen oder abgetrennten Wohneinheiten der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften grundsätzlich vorzuziehen ist,
- die Unterbringung zentrumsnah und mit Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr erfolgt und
- der Zugang zu Ämtern, Ärzten, Arbeit, Bildung, Kindertagesstätten und Schulen ohne großen Aufwand möglich sein muss.
- Die Mindestbedingungen für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften und die soziale Betreuung müssen in diesem Sinne überarbeitet werden!
A propos soziale Betreuung: Es bedarf auch einer umfassenden sozialen Betreuung, einer Betreuung für besonders Schutzbedürftige und einer Integrationsförderung mit Personal, das qualifiziert und interkulturell geschult ist. Der Flüchtlingsrat Brandenburg stellt in dem Sonderheft fest, dass der Schlüssel für Sozialbetreuung, der aktuell vom Land als Mindeststandard finanziert wird, bei 1:120 liegt! Eine Person betreut also 120 Menschen!
Last but not least müssen die Vorschriften auf Bundesebene (im Asylverfahrensgesetz und im Asylbewerberleistungsgesetz), die eine Lagerunterbringung weiterhin fördern, geändert werden!
Dies sind meines Erachtens die absoluten Mindestforderungen – wir Grünen würden uns noch viel mehr wünschen, nämlich eine umfassende Integration statt die zurzeit vorherrschende Isolation! Allerdings ist die derzeitige Politik eher integrationsfeindlich als integrationsfördernd, ich nenne nur die Stichworte
- Residenzpflicht,
- Sachleistungsprinzip und
- Arbeitsverbote, die verhindern, dass sich diese Menschen selbst ernähren.
Diese Punkte müssen allerdings ebenfalls auf der Bundesebene geändert werden. Doch dort arbeitet seit kurzer Zeit ein neuer Bundesinnenminister verbissen an seinem hardliner-Image: Abschottung ist angesagt, die Flüchtlinge auf Lampedusa seien Italiens Problem, Berlusconi solle sie doch einfach zurückschicken! Und ein anderer CSU-Innenminister schließt gar die Einführung von Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze nicht aus! Meine Damen und Herren, ich sehe schwarz (!) für eine menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen in Deutschland!
Also lassen Sie uns wenigstens die Wohnsituation und die Betreuung der Flüchtlinge hier in Brandenburg verbessern!
Zum Schluß noch ein Wort zum vorliegenden Entschließungsantrag: ich finde ihn bemerkenswert kleinkariert. Wir fordern in unserem Antrag die Überarbeitung der Mindestbedingungen für Unterkunft und soziale Betreuung, die Ausschöpfung der Ermessensspielräume und das Einwirken auf die Bundesebene. Sie fordern das Einwirken auf die Bundesebene, die Überprüfung der Mindestbedingungen für Unterkunft und soziale Betreuung, das Ausschöpfen der Ermessensspielräume und die Einhaltung der geltenden Mindestbedingungen. Bei uns stehen die Forderungen an die Bundesebene am Ende, bei Ihnen am Anfang.
Sicher wird mir im Laufe der Debatte die Erleuchtung zuteil werden, wo der geistige Quantensprung zwischen unserem Antrag und Ihrem Entschließungsantrag verläuft. Wenn es für Ihr Ego notwendig erscheint, dass in diesem Landtag einem rot-roten Antrag statt einem inhaltlich gleichlautenden grünen zugestimmt wird, so können wir auch mit der Rolle des Katalysators leben. Hauptsache in der Sache wird für die Betroffenen ein wenig Verbesserung erreicht.