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Ursula Nonnemacher spricht zur Aktuellen Stunde "100 Jahre Internationaler Frauentag - Wo stehen wir bei der Gleichberechtigung von Frauen im Land Brandenburg?"

>>> Redemanuskript als pdf

>>> zur Tagung "Frauensache Wirtschaft" am 05. März 2011 in Oranienburg

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede!

Am 17.02. veröffentlichte die „Märkische Allgemeine" auf der Titelseite ein Foto von der Grundsteinlegung für das Landtagsschloss. Vor der Fahne des Landes Brandenburg steht im Zentrum Finanzminister Dr. Markov mit dem obligatorischen Hammer in der Hand, hinter ihm der Landtagspräsident, der Oberbürgermeister der Stadt Potsdam, der Ministerpräsident, der Mäzen Dr. Plattner und zwei Bauarbeiter in traditioneller Handwerkerkluft. Dem Festakt haftete schon durch die Tatsache, dass bei dem für die demokratische Verfasstheit dieses Landes so wichtigen Ereignis das Wahlvolk von der Grundsteinlegung seines Parlamentsgebäudes ausgeschlossen war, ein bitterer Beigeschmack an. Aber nicht nur das Volk stand in einiger Entfernung vor den Bauzäunen. Trotz Ehrengaststatus für eine alte Dame – Frauen standen am Alten Markt wie üblich nicht in der ersten oder zweiten Reihe.

Am 8. März 2011 wird das hundertjährige Jubiläum des Internationalen Frauentages begangen. Die Brandenburgische Frauenwoche wird dadurch einen besonderen Höhepunkt erhalten. Das im Koalitionsvertrag angekündigte Frauenpolitische Rahmenprogramm wird pünktlich am 8. März vom Ministerpräsidenten präsentiert werden. Das Datum wirkt in der ganzen Bundesrepublik ungeahnt stimulierend auf die Debatte. Nach über 100 Jahren Kampf für Frauenrechte – Zugang zu Bildung und Universitäten, Frauenwahlrecht, Recht auf Erwerbstätigkeit, Acht-Stundentag, „gleicher Lohn für gleiche Arbeit", Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, der formalen Verankerung der Gleichberechtigung, Pille und neuer Frauenbewegung, schien es ruhig um das Thema geworden zu sein. Vielfach herrschte der Tenor vor: „ihr habt doch alles erreicht". Wir hörten im Gegenteil von der Notwendigkeit der Jungenförderung und den überlegenen Bildungsabschlüssen junger Frauen. Seit einigen Wochen aber diskutiert die Republik wieder über den Feminismus, das Armutsrisiko alleinerziehender Mütter, über Frauen in Vorständen, über eine gerechte Repräsentanz in Aufsichtsräten, über den Aufstieg von Frauen in der Politik, über die Kanzlerin, eine schwangere Ministerin und vor allem über die Quote.

Im Zuge der wieder intensiveren Debatte breitet sich zunehmend Ernüchterung aus. Trotz des Bildes der selbstbewussten, gut ausgebildeten und tüchtigen Frau in den Medien, sind wir in vielem nicht richtig vorangekommen. Trotz juristischer Gleichberechtigung ist die strukturelle Benachteiligung von Frauen weiterhin groß. Wir haben nicht den gleichen Zugang zu Ressourcen und partizipieren nicht annähernd gleich an Entscheidungsprozessen. Unsere Bedürfnisse, Interessen und Verhaltensweisen erfahren bei weitem nicht die gleiche Wertschätzung, und die Bremswirkung tradierter Geschlechterrollen erweist sich als überraschend zäh. Überraschend wenig Veränderung hat es in den letzten Jahrzehnten bei der Hausarbeit gegeben. Selbst bei voller Berufstätigkeit der Partnerin arbeiten Männer unter der Woche nur eine halbe Stunde und am Wochenende nur 6 Minuten im Haushalt mit. Traditionelle Tätigkeiten wie Putzen, Kochen, Waschen und Bügeln werden zu 75-90 Prozent von Frauen verrichtet. Der Anteil der Männer an der Erziehungsarbeit sieht etwas besser aus, erreicht aber noch nicht die Hälfte desjenigen der Frauen. Private Pflegearbeit für kranke, alte und behinderte Familienangehörige wird zu 80 Prozent von Frauen geleistet. Bekannt ist der anhaltend große Unterschied im Bruttoeinkommen von Männern und Frauen in Deutschland von 23 Prozent – selbst bereinigt um die Teilzeitquote ist der „gender pay gap" immer noch erheblich.

Nach dem Gender Ranking deutscher Großstädten von 2010 sinkt der Frauenanteil in kommunalen Spitzenpositionen sogar wieder ab. Bei den Ratsmitgliedern liegt er um 33 Prozent, bei den Bürgermeistern bei 12,7 Prozent. Je wichtiger das Amt, desto stärker die Unterrepräsentanz von Frauen. Im Ranking belegen Frankfurt/Main und Stuttgart die Spitzenplätze, Potsdam Platz 9 und Cottbus Platz 48 von 79 Großstädten. Je kleiner die Kommune, desto geringer der Frauenanteil. Im bundesdeutschen Durchschnitt werden 25 Prozent erreicht. Für Brandenburg wurde nach den Kommunalwahlen 2003 ein Frauenanteil von deprimierenden 22,3 Prozent angegeben, der Deutsche Städtetag weist Brandenburg 2011 mit knapp 28 Prozent aus – allerdings nur bei Kommunen mit mehr als 10.000 EinwohnerInnen.

Damit kommen wir zu einem entscheidenden Problem in der Frage: wo stehen wir in Brandenburg bei der Gleichberechtigung? Es ist nämlich gar nicht so einfach, statistisches Material konzentriert zu finden. Einen sehr guten und umfassenden Überblick vermittelte die „Studie zur Lebenssituation von Frauen in Brandenburg" im Auftrag des MASGF, auf dem der Bericht der Landesregierung zur „Weiterentwicklung der Gleichstellungspolitik des Landes" vom Juni 2008 basiert. Darin sind alle Daten von der ökonomischen Situation bis zur politischen Partizipation erfasst. Die Bewertung ist differenziert, kommt aber zu dem Ergebnis, dass in Bezug auf ihre wirtschaftliche Situation Frauen auch in Brandenburg erheblich schlechter gestellt sind als Männer. Bei der politischen Partizipation werden „erhebliche Reserven", die Parteipolitik auf kommunaler Ebene wird als reine Männerdomäne gesehen. Die Fülle an Daten zur Situation der Frauen müsste zentral jährlich fortgeschrieben werden, um Vergleichbarkeit, Verlauf und damit die Effektivität ergriffener Maßnahmen zu überprüfen. Die Senatsverwaltung in Berlin hat 2009 einen komprimierten „Gender Datenreport" herausgegeben. Wir hoffen, dass mit dem Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm auch die Fortschreibung der Daten geliefert wird.

Was kann getan werden? Schon die Studie von 2008 enthielt viele Handlungsempfehlungen. „Gesetzliche Regelungen zur Repräsentanz von Frauen in Gremien und politischen Funktionen sollten konsequent umgesetzt und erweitert werden. Es wird empfohlen, gesetzlich eine Quote zur Repräsentanz von Frauen in Kommunalparlamenten einzuführen." Zu ähnlichen Ergebnissen kommen die Studien zur „Unterrepräsentanz von Frauen in der Kommunalpolitik" und das Gender Ranking der Großstädte:

  • Einführung eines Paritätsgesetzes nach französischem Vorbild
  • Ansetzen bei den Parteien, die ihre internen Rekrutierungs- und Nominierungsverfahren anpassen müssen (Quote)
  • verordnete Parteiquoten konsequent umsetzen. Ein starker Anteil von Quotenparteien in Parlamenten erhöht über den Parteienwettbewerb auch den Frauenanteil der anderen Parteien
  • Mentoring -Programme und stärken frauenpolitischer Netzwerke
  • Stärkung hauptamtlicher Gleichstellungsbeauftragter

Und natürlich müssen wir uns auch in Brandenburg für eine Quote in den Führungspositionen der Wirtschaft einsetzen. „10 Jahre Selbstverpflichtung sind gescheitert." Und wir müssen endlich mit dem Märchen aufräumen, Quote sei das Gegenteil von Qualifikation. Erst durch den Druck der Quote werden die sogar besser qualifizierten Frauen nicht mehr künstlich ferngehalten. Quote und „diversity" verbessern die Qualität!