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Ursula Nonnemacher spricht zu unserem Gesetzentwurf zur Vereinfachung der kommunalen Abgabenerhebung und zu unserem Antrag gemeinsam mit der SPD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE „Grundlagen für eine Weiterentwicklung der Straßenausbaubeiträge schaffen“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Regelmäßig beschäftigen wir uns hier im Landtag mit dem Kommunalabgabengesetz. Die Debatte darüber wird von Teilen dieses Hauses meistens mit dem Unterton geführt, dass mit kommunalen Beiträgen und Gebühren die Bürger*innen unzumutbar abgezockt würden. Mit den Folgen dessen, was wir dazu hier diskutieren und beschließen, müssen dann aber andere umgehen, nämlich vor Ort die Bürgermeister*innen, Gemeindevertreter*innen und Stadtverordneten. Insbesondere gilt das, wenn wir in die Finanzierung der Kommunen eingreifen.

Die kommunale Ebene hat aber nur sehr geringe Möglichkeiten, ihre eigenen Einnahmen eigenständig zu bestimmen. Im Gegensatz zu Steuern sind Kommunalabgaben als wichtige eigenständige Einnahmequelle zweckgebunden und dürfen nicht zur Gewinnerzielung erhoben werden.

Heute stehen zu diesem Themenfeld Kommunalabgabengesetz 5 Gesetzentwürfe und Anträge zur Debatte, von denen sich 4 mit den Straßenausbaubeiträgen befassen. Der Gesetzentwurf meiner Fraktion zur Vereinfachung der kommunalen Abgabenerhebung, den wir schon im Jahr 2015 eingebracht haben, hat einen umfassenderen Ansatz, um die kommunale Abgabenerhebung nach dem KAG einfacher und bürgerfreundlicher auszugestalten.

Bei diesem Gesetzentwurf handelt es sich um ein Dokument, das im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Herbst 2015 zu den sog. Altanschließerbeiträgen in den Tiefen des Ausschusses für Inneres und Kommunales verschwand und nun nach zweieinhalb Jahren wieder zur Schlussabstimmung auftaucht.

Unser Gesetzentwurf will Schwachstellen im Kommunalabgabengesetz beseitigen, die Abgabenerhebung planbarer und bürgerfreundlicher gestalten und damit Bürger*innen, Gerichte und Verwaltung entlasten. Diese Vorschläge wurden in einer Anhörung im AIK positiv aufgenommen. Dies gilt auch für den Aspekt unseres Gesetzentwurfes, der Stundungsregelungen für Abgabenschuldner verbessern will.

Mit dieser Gesetzesänderung könnten Brandenburger*innen, die hohe Beitragsschulden nicht zahlen können, länger vor Zwangsvollstreckungen bewahrt werden. Hierbei handelt es sich um eine Regelungsmöglichkeit, die der Bund den Ländern zugestanden hat und die auch von einigen Ländern in Anspruch genommen wurde. Die rot-rote Koalition in Brandenburg ist dazu aber offensichtlich nicht gewillt.

Diese Regelung ist auch vor dem Hintergrund der Debatte zu den Straßenausbaubeiträgen von Interesse, da hier z.T. hohe Beträge anfallen, deren Zahlung für die Beitragspflichtigen zu einem Problem werden kann und an deren Ende bei Nichtzahlung die Zwangsvollstreckung stehen kann. Ich hoffe und rege an, diesen Aspekt im Rahmen der Debatte um die Straßenausbaubeiträge nicht aus dem Blick zu verlieren und nochmals zu prüfen.

Alle, die kommunalpolitisch aktiv sind und Mitglieder in Gemeindevertretungen oder Stadtverordnetenversammlungen sind, wissen um das Konfliktpotenzial, das Debatten um Straßenausbaubeiträge enthalten. Da erscheint der Reflex naheliegend zu sagen: Weg damit! Abschaffen!

Diesem Reflex folgt wahlkampfgerecht auch Herr Vida mit seinem Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenbaubeiträge, der insb. auch von Grundstückseigentümerverbänden unterstützt wird. Zur Begründung für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge wird angeführt, dass die anfallenden Beiträge je nach Grundstücksgröße unzumutbar hoch sein können, insbesondere dann wenn sie arme und ältere Menschen trifft. Geschichten von hohen 5-stelligen Beitragsforderungen für ein älteres Ehepaar, das von einer kargen Rente leben muss, werden dafür eigentlich immer und überall als Beleg angeführt. Außerdem wird regelmäßig infrage gestellt, dass mit dem Straßenausbau wirklich ein Vorteil für das betroffene Grundstück entsteht. Zudem wird behauptet, dass die Beitragserhebung einen so hohen Verwaltungsaufwand inklusive möglicher Prozessrisiken verursacht, dass alleine dies den Wegfall dieser Abgabe begründen würde. Ein weiteres Argument lautet, dass die öffentliche Hand sparsamer planen und bauen würde, wenn sie alleine Ausbaumaßnahmen finanzieren müsste und nicht großzügig mit den Beiträgen der Anlieger rechnen könnte.

Mir erscheint diese Argumentation sehr fraglich und nicht bis zum Ende gedacht. Sie hat alleine die Grundstückseigentümer im Blick und nicht die Allgemeinheit. Beiträge und Gebühren sind ein wichtiger Bestandteil der Finanzierung unserer Städte und Gemeinden. Bei einem Wegfall dieser Einnahme muss klar sein, wie dies ausgeglichen werden soll. Rückwirkend ist dies berechenbar, aber für zukünftige Ausgleichszahlungen durch das Land, wie von Herrn Vida gefordert, eigentlich unmöglich. Selbst wenn man weiß, wie viel die Kommunen in einem Jahr an Straßenbaubeiträgen nach KAG eingenommen haben, kann man dies nicht für die Folgejahre einfach hochrechnen. Wenn man eine fiktive Summe aber pauschal ermitteln und verteilen wollte, würde es immer Gewinner- und Verliererkommunen geben. Bezahlen müsste es in diesem Fall der Steuerzahler im Land Brandenburg.

Müssten die Kommunen diese Beiträge selbst ausgleichen, blieben nicht viele Möglichkeiten. Relevante eigene Einnahmequellen sind nur die Grund- und die Gewerbesteuer. Eine Erhöhung der Grundsteuer würde auch die Grundstückseigentümer betreffen, würde aber im Fall von Miethäusern auf die Miete umgelegt werden. Das würde zu einer zusätzlichen Belastung der Mieter*innen führen. Eine Erhöhung der Gewerbesteuer zu einer zusätzlichen Belastung der Gewerbetreibenden.

Ich bezweifle auch, dass bei einer Abschaffung der Beitragspflicht die Konflikte in den Gemeinden weniger würden. Zum einen, weil die Beitragspflicht bei Erschließungsstraßen nach Baugesetzbuch ja erhalten bliebe und die Abgrenzung zu Straßenbaubeiträgen nach KAG zum Teil fließend ist. Bei uns in Falkensee erfolgt der Anliegerstraßenbau fast ausschließlich nach Erschließungsrecht und dies geht auf ein Gerichtsurteil zurück. Wie erkläre ich der Bürgerschaft, dass einige ganz wenige auf eine Beitragsbefreiung hoffen dürfen, während fast alle mit 90% der Kosten dabei sind? Diese Unterschiede zu erklären wird nicht einfach sein. Ich erwarte, dass in Brandenburg auch weiterhin viele Anliegerstraßenbaumaßnahmen mindestens teilweise auch zukünftig nach BauGB beitragspflichtig sein müssten. Sehr erfreulich werden auch die Diskussionen mit all denen verlaufen, die in den letzten Jahren erhebliche Beitragsleistungen stemmen mussten und jetzt die Anlieger einer Nachbarstraße völlig freigestellt sehen. Wer finanziert Kitas, Spielplätze und freiwillige Leistungen, wenn der Gemeindehaushalt für Straßenausbau draufgeht?

Zum anderen erwarte ich, dass die Ansprüche der Anlieger*innen steigen werden, wenn nur noch die Kommune die finanzielle Verantwortung trägt. Momentan wird um jeden Meter Bürgersteig und jede Straßenlaterne intensiv diskutiert, bei Beitragsfreiheit dürfte der Blickwinkel ein anderer sein.

Ein Blick in andere Bundesländer zeigt, dass wir in Brandenburg mit dieser Frage nicht allein konfrontiert sind. Fast überall stehen die Straßenausbaubeiträge nach dem KAG unter Druck. Die politischen Fronten gehen dabei auch in den Parteien bunt durcheinander. In einigen Bundesländern sind die Beiträge aufgehoben worden, in anderen Bundesländern wurden die Kommunen von der Pflicht entbunden, diese Beiträge erheben zu müssen, andere haben zusätzliche Regelungen zur besseren Beteiligung der Anlieger bei Straßenausbaumaßnahmen in ihre Kommunalabgabengesetze aufgenommen.

Für meine Fraktion erscheint es zu allererst mal notwendig, sich einen möglichst umfassenden, unabhängigen Blick auf die Gesamtproblematik zu verschaffen. Deshalb haben wir mit den Fraktionen von SPD und Linken den Antrag „Grundlagen für eine Weiterentwicklung der Straßenausbaubeiträge schaffen!“ gestellt. Uns erscheint es darüber hinaus notwendig, die Mitwirkungsrechte der Anlieger bei Straßenausbaumaßnahmen zu verbessern. Man könnte auch über die Schaffung von Erschließungseinheiten zur breiteren Verteilung der Beiträge diskutieren, wie sie in Rheinland-Pfalz möglich sind.

Der Entschließungsantrag der CDU schießt in seinem Umfang über das Ziel hinaus, deshalb werden wir ihn ablehnen, genauso wie die Gesetzentwürfe von Herrn Vida.

Die negative Beschlussempfehlung zu unserem Gesetzentwurf zur Vereinfachung der kommunalen Abgabenerhebung werden wir selbstverständlich ablehnen, da wir die Vorschläge weiterhin für höchst sinnvoll und anwenderfreundlich halten.

>> Unseren Gesetzentwurf findet ihr hier als pdf-Datei

Der Gesetzentwurf wurde abgelehnt.

>> Unseren Antrag gemeinsam mit der SPD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE findet ihr hier als pdf-Datei

Der Antrag wurde angenommen.