Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe zahlreiche Gäste! Auch ich freue mich sehr, dass es am Ende gelungen ist, fristgerecht einen Abschlussbericht der Enquetekommission vorzulegen, der diesen Namen auch verdient.
Die Arbeit in dieser Enquetekommission erinnerte zwischenzeitlich zwar manchmal an eine Berg- und Talfahrt, am Ende der zahlreichen Debatten hat sich aber mit der Einsicht, dass diese Kommission eine für die Zukunft des Landes wichtige Aufgabe zu erfüllen hat, die Vernunft durchgesetzt.
Auch ich möchte mich an dieser Stelle deshalb sehr herzlich für die wirklich gute und konstruktive Zusammenarbeit bei allen bedanken - beim Vorsitzenden, Herrn Ludwig, und dem Stellvertreter, Herrn Petke, den Enquetekommissionsreferenten und -mitarbeiterinnen, bei den übrigen Kollegen aus diesem Parlament und besonders bei den nichtparlamentarischen Mitgliedern, ohne deren Expertise wir nicht so weit gekommen wären. Danke auch an Herrn Keseberg und Herrn Westphal aus dem Innenministerium, die sich nach Kräften bemühten, erbetene Materialien herbeizuschaffen, an die anderen Vertreter der Ministerien und Landesbehörden, die Landräte und zahlreichen Vertreter der Kommunen, die Anzuhörenden von Verbänden, Gewerkschaften, die Fachleute und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie an die Bürgerinnen und Bürger, die sich an der Diskussion beteiligten.
Bei der Debatte zur Einsetzung der Enquetekommission habe ich gesagt:
„Wir Grünen erwarten von der Enquetekommission eine ganze Menge: Sachverstand und Visionen, Offenheit und Mut zu unkonventionellen Lösungen, engagierte Auseinandersetzungen und auch die Bereitschaft zum Kompromiss. Vor allem aber erwarten wir Ergebnisse.“
Angesichts des Umfangs des Einsetzungsauftrags muss ich feststellen, dass sich unsere Erwartungen im Wesentlichen erfüllt haben. Die Kommission hat die Frage, ob es einen umfassenden Reformbedarf der Kommunal- und Landesverwaltung angesichts der vor uns liegenden demografischen und finanziellen Herausforderungen gibt, ziemlich eindeutig und einhellig mit Ja beantwortet. Dies war am Anfang keineswegs selbstverständlich. Mit Respekt erkenne ich an, dass sich gerade die Vertreter der Linken bewegt haben hin zu der Erkenntnis, dass sich die strukturellen Herausforderungen der kommunalen Ebene nicht allein mit ein bisschen mehr interkommunaler Kooperation werden lösen lassen.
Eine gegenläufige Entwicklung war bei der CDU zu verzeichnen. Ihr gebührt großer Dank, die Initiative zur Einsetzung der Enquetekommission ergriffen zu haben.
(Beifall des Abgeordneten Goetz [FDP])
- Ja. - Nach mehreren innerparteilichen Personalrochaden hat sie inzwischen ihren anfänglichen Modernisierungseifer abgelegt und vermarktet die Haltung „Ich will so bleiben, wie ich bin“ als besondere Heimatverbundenheit.
(Beifall B90/GRÜNE, DIE LINKE und SPD)
Sehr verehrte Damen und Herren, kommen wir jetzt aber zu den Inhalten des Abschlussberichts. Kernstücke sind die Empfehlungen zur Funktionalreform, zur zukünftigen Struktur der gemeindlichen Ebene und der Landkreise. Mit den Grundsätzen zur Funktionalreform hat die Kommission eine Empfehlung erarbeitet, die sowohl in ihrer Klarheit als auch in ihrem Inhalt bemerkenswert ist und parteiübergreifend Richtschnur für die jetzt anstehende Diskussion sein sollte.
Wir unterstützen den Grundsatz der Subsidiarität der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und sind sehr froh, dass bei einer Kommunalisierung von Landesaufgaben der Grundsatz einer echten Kommunalisierung gelten soll, also Aufgaben vorzugsweise als Selbstverwaltungsaufgaben definiert werden sollen. Dies kann die kommunale Ebene und die lokale Demokratie nachhaltig stärken.
Die Kommission hat sich in langen Sitzungen durch den gesamten Aufgabenbestand des Landes gearbeitet, hierzu auch ein umfangreiches Gutachten bei Prof. Bogumil erstellen lassen und Vorschläge für die Kommunalisierung von Landesaufgaben vorgelegt. Die sehr weitreichenden Vorschläge sind ein Herzstück des Berichtes und bemerkenswert, auch wenn sie meiner Fraktion in Teilen zu weitreichend sind. Aus Gründen der Wahrung der Fachlichkeit und wegen der Gefahr der wachsenden Beeinflussbarkeit sollten der Natur- und Umweltschutz sowie der Denkmalschutz und spezialisierte Teile der Sozialverwaltung nicht vollständig auf die Kreise übertragen werden, sondern auch Landesaufgabe bleiben, so, wie es unter anderem der Gutachter Prof. Bogumil empfohlen hat. Unsere abweichende Meinung haben wir zu Protokoll gegeben.
Bemerkenswert und unbedingt weiter zu verfolgen sind die Empfehlungen zur Schaffung einer brandenburgischen Amtsgemeinde. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der angestrebten Stärkung der kommunalen Ebene mit der Übertragung weiterer Aufgaben sind gemeindliche Verwaltungen, die bald nur noch 3 000 Einwohnerinnen und Einwohner haben werden, nicht zukunftsfähig. Trotzdem war es uns wichtig, Bürgernähe zu gewährleisten und lokale Demokratie zu stärken.
Der Vorschlag zur Bildung der brandenburgischen Amtsgemeinde geht auf ein von der bündnisgrünen Fraktion in Auftrag gegebenes Gutachten der Universität Speyer zurück und beinhaltet, die Ämter in Brandenburg zu Verbandsgemeinden weiterzuentwickeln sowie die Mindestgröße für gemeindliche Hauptverwaltungen auf 10 000 Einwohnerinnen und Einwohner im Jahr 2030 festzusetzen.
Die brandenburgische Amtsgemeinde entspricht den Verbandsgemeinden in anderen Bundesländern und zeichnet sich im Vergleich zu dem derzeit bestehenden Amt durch eine direkt gewählte Vertretung aus. Die Amtsgemeinden haben einen klar umrissenen und gesetzlich festzulegenden Aufgabenkatalog.
Mit diesem Vorschlag ist eine erneute Gemeindegebietsreform, sind schmerzhafte Gemeindefusionen nicht notwendig. Die derzeitigen amtsangehörigen Gemeinden und amtsfreie Gemeinden können sich zu Amtsgemeinden zusammenschließen, ohne ihre Selbstständigkeit aufgeben zu müssen.
Großen Wert haben wir darauf gelegt, die vorgesehene Mindesteinwohnerzahl in sehr dünn besiedelten Regionen nicht dogmatisch zu handhaben, sondern einen Flächenfaktor zu berücksichtigen, der in etwa bei der Größe der Gemeinde Wittstock/Dosse mit 420 Quadratkilometern liegen könnte. Szenarien von Gemeinden mit 30 000 Einwohnern und damit der Größe von Altkreisen, wie sie die sozialdemokratische SGK zwischenzeitlich propagierte, sind damit zum Glück vom Tisch.
Die Gemeinden sollten in Zukunft das Eingangstor zur gesamten öffentlichen Verwaltung, also auch für Angebote der Kreis- und Landesverwaltung, sein. Notwendig sind dafür ein Ausbau des E-Governments, der helfen soll, Behördengänge zu vermeiden, als auch mobile Bürgerserviceangebote.
Auch die von der Kommission angeregte Bildung von sieben bis zehn Landkreisen bewerten wir vor dem Hintergrund vergrößerter gemeindlicher Verwaltungen als guten Kompromiss und als Absage an zu große Regionalkreise.
(Beifall B90/GRÜNE)
Ein Wermutstropfen ist aus meiner Sicht, dass die Kommission zum Schluss nicht mehr die Kraft aufgebracht hat, eine klare Aussage zur Zukunft der kreisfreien Städte zu treffen.
(Beifall B90/GRÜNE)
Auf unsere Initiative hin sind Vorschläge zur Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am Reformprozess in den Bericht eingegangen. Außerdem haben wir uns dafür eingesetzt, dass die Ausweitung von Beteiligungs- und Mitwirkungsrechten in den Gemeinden und Ortsteilen als Prüfauftrag berücksichtigt wurde. Ich übertreibe nicht, wenn ich feststelle, dass dieser Bericht eine durchaus grüne Handschrift trägt. Zu den finanziellen Aspekten dieser Reformagenda konnte die Kommission am Ende keine Angaben mehr machen. Zu einigen grundsätzlichen Überlegungen haben Frau Prof. Färber und ich ein Sondervotum abgegeben.
Wie geht es nun weiter? Der Bericht darf nicht im hintersten Winkel eines Archivs verstauben. Entsprechende Absetzbewegungen deuten sich schon jetzt mit dem aufziehenden Landtagswahlkampf an.
(Vereinzelt Beifall SPD)
Die Landesregierung ist aufgefordert, an den konkreten Handlungsaufträgen weiter zu arbeiten. Dies betrifft die Finanzaspekte, aber auch die Empfehlungen für weitere Prüfungen von Aufgaben wie den gesamten Bereich Wasser und Abwasser.
Die Enquetekommission 5/2 hat für die weitere Diskussion eine sehr gute Grundlage geschaffen. Die wirkliche Arbeit fängt damit aber erst an. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist überzeugt, dass die Umsetzung vieler Empfehlungen der Kommission unerlässlich für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und seiner Kommunen ist. Wenn wir auch in Zukunft gut über die Runden kommen wollen, müssen wir unser knapper werdendes Geld in die Daseinsvorsorge im Sinne der Menschen und mit den Menschen und nicht in überflüssige parallele Verwaltungsstrukturen stecken. Und Vogel Strauß ist noch nie ein guter Ratgeber gewesen. - Vielen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE und vereinzelt SPD und DIE LINKE)