Anrede!
„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen“ ... Nun hat der Ausschuss für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie im Mai dieses Jahres nicht Urians Reise um die Welt unternommen, sondern war in den Niederlanden, in Dormagen, Münster und Bielefeld. Auch hat er nicht nur Gesprächsstoff akquiriert, sondern viele Erkenntnisse gewonnen und best practice Beispiele aus anderen Ländern mitgebracht.
Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen flächendeckende und kontinuierliche Unterstützungsangebote für pflegende Familien zu entwickeln und aufzubauen, ist ein praktisches Resultat dieser sehr informativen Ausschussreise. In der Uni Bielefeld wurde uns das Modellprojekt der AOK für Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Schleswig-Holstein vorgestellt. Das Modellprojekt bereitet familienbezogenes und geschlechtersensibles Wissen für das Entlassungsmanagement von Krankenhäusern auf, um Unterstützungsleistungen für Familien für die häusliche Pflege bereitstellen.
Bereits während des Krankenhausaufenthalts der PatientInnen werden Weichen für die Überleitung vom Krankenhaus nach Hause gestellt und die Betreuung nach der Entlassung geplant. Ein solches Entlassungsmanagement ist inzwischen im SGB V normiert und in allen Krankenhäusern etabliert, richtet sich aber fast ausschließlich an professionelle Unterstützungssysteme. Es bestellt Hauspflegedienste, Sozialstationen, Physiotherapeuten oder Heilmittel. Das Bielefelder Modellprojekt „Familiale Pflege“ stellt aber die Bezugspersonen der Erkrankten und ihr soziales Gefüge in den Mittelpunkt. Damit die Pflege zu Hause gelingt, werden die pflegenden Angehörigen - zumeist sind es die Ehefrauen, Töchter oder die Enkelinnen, manchmal aber auch Freunde und Nachbarn - direkt am Krankenbett beraten und geschult. Durch Krankenschwestern und -pfleger werden Trainingseinheiten für die Grundpflege – von der Lagerung bis zur Verabreichung von Sondennahrung – durchgeführt. Diese Pflegetechniken werden bei Bedarf auch nach der Entlassung individuell in der eigenen Häuslichkeit vermittelt und geübt. In Gruppenkursen werden von Seiten des Krankenhauses Angebote zu Schulungen für Angehörige von Menschen mit Demenz angeboten und im monatlich stattfindenden Pflegecafe Gelegenheit zum Erfahrungaustausch gegeben.
Gerade diese Folgetermine für pflegende Angehörige sind in ihrer Bedeutung nicht zu überschätzenden, um Ängste und Überforderung, aber auch Fehlentwicklungen in der psychologischen Familiendynamik vorzubeugen. Flankierend dazu werden Angehörige zu Pflegethemen und unserer komplizierten Sozialgesetzgebung informiert. Die Angebote des Krankenhauses stellen auch eine enge Verzahnung mit nachstationären Einrichtungen her, wie z. B. ambulanten Pflegediensten, Heimen oder Betreuungsstellen. Das erleichtert den PatientInnen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus im privaten Umfeld weiter zu gesunden und die pflegenden Angehörigen nicht zu überbelasten.
Der vorliegende Antrag findet unsere uneingeschränkte Zustimmung, denn es ist längst überfällig, dass die pflegenden Angehörigen nicht allein gelassen werden, wenn sie sich tagein und tagaus um ihre pflegebedürftigen Eltern, Kinder oder Partner kümmern.
Wir begrüßten auch die Anlehnung an das Bielefelder Modellprojekt einschließlich einer wissenschaftlichen Begleitung und Kooperation mit Brandenburger Einrichtungen. Ich denke hier besonders an die Planungen zu den Brandenburger Gesundheits- und Pflegestudiengängen. Diese Fakultäten könnten mittelfristig Kooperationspartner für den Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Bielefeld werden.