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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag „Gesetzgebungskompetenz nutzen – modernes Versammlungsgesetz für Brandenburg schaffen!“

- Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede!

Als ich den Antrag der FDP las, habe ich mich erst einmal gefragt, ob wir überhaupt ein eigenes Versammlungsgesetz brauchen. In anderen Bundesländern wird die neue Gesetzgebungskompetenz gerne dazu benutzt, Versammlungen eher zu reglementieren und zu bürokratisieren, anstatt sie einfach nur zu ordnen. Gerne werden dann ausufernde Befugnisse für die Polizei festgeschrieben. Und da ich der Landesregierung in Brandenburg auf diesem Gebiet auch einiges zutraue, ist mir das geltende Versammlungsgesetz des Bundes doch ganz lieb.

Aber die FDP will hier einiges reformieren und modernisieren, was auch ich mir gut vorstellen kann. Gemäß den Worten des ehemaligen Verfassungsrichters Konrad Hesse (Zitat), „Die Versammlungsfreiheit ist ein Stück ursprüngliche, ungebändigte Demokratie. Sie ist geeignet, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren," liegt uns dieses Grundrecht sehr am Herzen.

Insbesondere die gesetzliche Regelung der Kooperationspflicht, die telefonische oder elektronische Anzeigemöglichkeit und die Einschränkung von Bild- und Tonaufnahmen gefallen mir gut. Videoaufnahmen, die von der Polizei angefertigt werden, wirken sich oftmals als Hemmnis für die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit aus. Deshalb sollten diese 1. nur bei erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, 2. erkennbar angefertigt und 3. sofort nach der Versammlung vernichtet werden müssen, wenn sie nicht der Verfolgung von Straftaten dienen. Darüber hinaus sollte die Polizei VersammlungsteilnehmerInnen vor unrechtmäßigen Aufnahmen durch Dritte schützen, wenn die Betroffenen dies verlangen, schließlich wird man mittlerweile von allen Seiten bzw. Handys abgelichtet und gefilmt.

Nicht nachvollziehen kann ich, warum auf die Pflicht der Versammlungsleitung verzichtet werden soll, auf einen friedlichen Verlauf hinzuwirken. Ich würde der FDP übrigens auch raten, eine klare Frist festzulegen, bis wann der Gesetzentwurf vorzulegen ist.

Darüber hinaus haben wir Bündnisgrünen noch weitere Vorstellungen, die wir gerne in einen solchen Gesetzgebungsprozess einbringen würden:

Aus aktuellem Anlass fordern wir, dass bei Versammlungen nur PolizeibeamtInnen eingesetzt werden dürfen, die deutlich als Polizeiangehörige erkennbar sind. Wie wir im Innenausschuss und durch unsere Kleine Anfrage erfahren mussten, wurden fünf Versammlungen von Fluglärmgegnern jeweils von zwei Beamten in Zivil „beobachtet", worüber die Versammlungsleitung nicht einmal informiert worden war! Dabei ist insbesondere für die Kooperation zwischen Versammlungsleitung und Polizei eine gegenseitige Identifikation notwendig.

Außerdem können wir uns vorstellen, die Anzeigemodalitäten zu erleichtern:
bei gleichartigen Veranstaltungen desselben Veranstalters könnte eine telefonische Anzeige genügen und die Anzeigepflicht könnte ganz entfallen, wenn die erwartete Anzahl der Teilnehmer weniger als 20 Personen beträgt.

Des Weiteren könnte die Pflicht für eine Versammlungsleitung in geschlossenen Räumen aufgehoben, das Volljährigkeitserfordernis für OrdnerInnen überdacht sowie das Uniformverbot und das Vermummungsverbot reformiert werden. Uniformähnliche Kleidung sollte nur dann verboten sein, wenn von ihr eine einschüchternde Wirkung ausgeht. Das Vermummungsverbot bleibt, aber der Strafrahmen sollte abgesenkt werden und eine Vermummung aus Eigenschutzgründen sollte auf Antrag erlaubt sein. Schließlich gibt es nachvollziehbare Gründe sich bei einer Demonstration anonymisieren zu wollen, sei es als Kurde oder Iraner, der gegen sein Regime protestiert, oder als schwer Kranker, der für seine Krankheit sensibilisieren möchte, aber Nachteile am Arbeitsplatz dadurch befürchtet. Beispielhaft können auch Repressalien des syrischen Geheimdienstes gegen Oppositionelle in der Bundesrepublik angeführt werden.

Faktische Auswirkungen auf die Versammlungsfreiheit hat mittlerweile die zunehmende Privatisierung öffentlicher Räume, hier seien Flughäfen, Bahnhöfe, die Plätze vor Bahnhöfen, Fußballstadien und Einkaufszentren genannt. Diese Räume haben eine zentrale Bedeutung für das öffentliche Leben. Durch die privatrechtliche Wertung der Eigentumsverhältnisse wird der Bereich, in dem die Grundrechte uneingeschränkt wahrgenommen werden können, immer weiter zusätzlich reduziert. Hier wäre zu diskutieren, ob und wie an diesen Orten des allgemeinen kommunikativen Verkehrs Versammlungen ermöglicht werden können.

Wegen dieser vielfältigen Diskussionspunkte stimmen wir der Ausschussüberweisung gerne zu. Die Eckpunkte der FDP würde ich aber noch ergänzen wollen, damit am Ende ein wirkliches Versammlungsfreiheitsgesetz herauskommt. Denn letztendlich wollen wir einen Perspektivwechsel – nach unserer Auffassung sollen alle staatlichen Organe und Institutionen die Versammlungsfreiheit möglichst wenig behindern, sondern schützen so gut es geht!

Redemanuskript als PDF