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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag des fraktionslosen Abgeordneten Péter Vida „Legislatives Unrecht bei Altanschließerbeiträgen – Daraus folgt: Land muss Verantwortung übernehmen“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Der Kollege Vida nimmt mal wieder ein Urteil zum Anlass, die Rückzahlung von Anschlussbeiträgen zu fordern, die nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.11.2015 für rechtswidrig erklärt wurden.

Im konkreten Fall hat das Oberlandesgericht am 17.4.2018 zu Staatshaftungsansprüchen wegen objektiv rechtswidriger Beitragsbescheide eines Zweckverbands geurteilt. Das OLG hat entgegen der Entscheidung der Vorinstanz festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Schadensersatz nach dem Staatshaftungsgesetz habe. In der Begründung setzt sich das Gericht intensiv mit den einschlägigen Argumenten auseinander und kommt zu dem Schluss, dass das Staatshaftungsgesetz in dem vorliegenden Fall nicht greift. Einen Grund dafür sieht das Gericht darin, dass „es sich hier nicht um einen Einzelfall rechtswidrigen Verwaltungshandelns, sondern um legislatives Unrecht handelt oder zumindest eher die Sphäre legislativen Handelns berührt ist.“ (Urteilsbegründung S.6)

Diesen Teil des Urteils nimmt Herr Vida zum Anlass, die Rückzahlung aller unter den Bundesverfassungsgerichtsbeschluss fallenden Anschlussbeiträge zu fordern. Herr Vida bezeichnet dies als einen „sozialen Schritt“, „der dokumentiert, dass das Land die eigene Verantwortung anerkennt und den finanziell betroffenen Bürgern die helfende Hand reicht.“

Leider ist die Situation nicht ganz so eindeutig und unkompliziert, wie Herr Vida es uns glauben machen möchte:

Zum einen ist diese Rechtsfrage noch lange nicht juristisch abgeschlossen. Das Gericht hat eine Revision zugelassen, so dass wir noch eine höchstrichterliche Entscheidung erwarten können, die, wie der Innenminister im Innenausschuss bereits bemerkte, sicher frühestens in einem Jahr zu erwarten sein wird. Wer die Historie der Gerichtsurteile in diesem Themenfeld überblickt, weiß, dass manchmal überraschende Urteile große Konsequenzen nach sich ziehen können.

Zum andern macht Herr Vida Klientelpolitik für eine – zugegebenermaßen nicht kleine - Gruppe von Grundstückseigentümern, ohne die finanziellen und juristischen Folgen einer solchen Entscheidung in den Blick zu nehmen. Denn es ist ja nicht so, dass mit den eingenommen Beiträgen in den Zwecksverbandsverwaltungen goldene Wasserhähne finanziert worden wären. Dies sind alles Gelder, die längst für Wasserwerke, Kläranlagen usw. ausgegeben worden sind und - wenn nicht durch Beiträge - dann durch Gebühren refinanziert werden müssen, wenn sie nicht sozialisiert werden sollen. Offensichtlich schwebt dem Antragsteller diese Sozialisierung zulasten der Steuerzahler*innen vor, ohne dass er sich traut, das auch so auszusprechen.

Die Frage der Beitragsrückzahlungen ist in diesem juristischen Minenfeld nur ein Aspekt der unterschiedlichsten Auseinandersetzungen. Was viele befürchtet hatten und ich an dieser Stelle in den letzten beiden Jahren prognostiziert hatte, ist mit voller Wucht eingetreten: Neben den zahlreichen Klagen wegen Altanliegerbeitragsbescheiden gibt es Untätigkeitsklagen gegen die Zweckverbände, Normenkontrollen von Wohnungsgesellschaften gegen die erhöhten Gebührensätze für Nichtbeitragszahler und weitere Klagen von Gebührenpflichtigen jeder Art - also Beitragszahler, die meinen, ihr Gebührenvorteil sei nicht hoch genug oder Nichtbeitragszahler, die das genau andersrum sehen. Auch Entwicklungsgesellschaften klagen auf Rückzahlung der Erschließungsbeiträge, die in den 90er Jahren gezahlt wurden.

Ich sehe nicht, dass dieser gordische Knoten mit dem vorliegenden Antrag auch nur ansatzweise gelöst/ durchgeschlagen werden könnte.

Vielmehr sollten wir bald verstärkt darüber nachdenken, wie wir unser Kommunalabgabenrecht fit machen für die Aufgaben der Zukunft. In der Wasser- und Abwasserbranche stehen neue, große Investitionen an. Die Stichworte sind: 4. und 5. Reinigungsstufe, Mikroplastik, Phosphor, Medizinrückstände bei der Abwasserreinigung oder beim Trinkwasser mit den zukünftig wohl notwendigen Filtern. All das ist Teil einer Zukunftsaufgabe der Landespolitik, die auch finanziert werden muss. Auch diesen Aspekt dürfen wir in der aktuellen Debatte nicht vergessen!