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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag "Sicherheitsgefühl der Brandenburger stärken - Kernaufgaben des Staates erfüllen - innere Sicherheit gewährleisten"

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- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Wir schreiben den 6. Juni 2013 und langsam machten sich bei der innenpolitischen Sprecherin der Grünen schwere körperliche Entzugssymptome bemerkbar: zweieinhalb Monate ohne Debatte zur Sicherheitslage des Landes! Glücklicherweise haben die Kollegen der CDU-Fraktion Abhilfe geschaffen und offensichtlich mit dem Zufallsgenerator sicherheitspolitische Versatzstücke zu einer neuen Überschrift für die Aktuelle Stunde zusammengebaut. Nachdem wir schon „Sicherheit gewährleisten“ –„Personalabbau stoppen“ – „Brandenburgs Bürger schützen“ –„grenzenlose Sicherheit“ (pardon – das war ja von der FDP!) – „wirksame Konzepte vorlegen“ durchexerziert haben, gewährleisten wir diesmal die Innere Sicherheit und stärken das Sicherheitsgefühl.

Ja, das Sicherheitsgefühl! Es gibt neue Umfragen! Neulich gab es auch Umfragen zum Glücksgefühl in Deutschland. Dies ist deutlich geringer ausgeprägt als in Ländern mit niedrigem Lebensstandart. Was sagt uns dies? Bauen wir jetzt den Sozialstaat ab und errichten Favelas? Dann gibt es noch das Krankheitsgefühl. Die Deutschen fühlen sich viel kränker als Menschen in Ländern mit einer Lebenserwartung, die zwanzig Jahre unter der unsrigen liegt. Konsequenzen? Stellen wir jetzt die Behandlung der Multimorbidität ein? Ich fühle mich in der Bundesrepublik Deutschland und in Brandenburg sicher. Wenn ich aber gefragt würde, ob ich als Frau gerne nachts allein an einer abgelegenen Bushaltestelle stehe, würde ich das vermutlich auch verneinen. Das einzige, was kostengünstig und schnell das Sicherheitsgefühl stärken könnte ist, wenn Sie endlich aufhören, jede Woche zu trommeln, dass dieses Land im Strudel der Kriminalität untergehe.

Neue fachliche Erkenntnisse liegen nach der ausführlichen Behandlung der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik nicht vor, wenn ich mal von der Tatsache absehe, dass Herr Lakenmacher durch intensive investigative Abgeordnetentätigkeit herausgefunden hat, dass die Zahl der Einsatzorte, die innerhalb von 15 Minuten erreicht wurden, von 41,6% auf 34,2% gesunken ist. Kollege Lakenmacher weiß, dass dies an der Polizeistrukturreform und dem hohen Krankenstand der Beamten liegt und sieht schwarz (warum sieht er eigentlich nicht rot?). Müssen wir über solche Erkenntnisse hier wirklich reden?

Nein, wir müssen nicht! Der einzige neue Sachstand besteht darin, dass die CDU Ende Mai ihren Parteivorsitzenden Michael Schierack zum designierten Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2014 erklärt hat. Damit verbunden war die Ankündigung „wir wollen mitregieren“, da die CDU keine „klassische Oppositionspartei“ sei. Eine sehr interessante Begründung, da im Umkehrschluss folgt, dass die CDU eine klassische Regierungspartei ist. Die zweite Ankündigung bestand darin, dass die klassische Regierungspartei CDU mit den Themen Bildung und Innere Sicherheit in den Wahlkampf ziehen wird. Zur Inneren Sicherheit wird Herr Professor Schierack in der Presse dahingehend zitiert, dass die Polizeireform auf den Prüfstand müsse, eine krasse Sparpolitik bei der Polizei nicht in Frage käme, die Polizeiwachen (die es formal gar nicht mehr gibt) rund um die Uhr geöffnet bleiben müssten und die Personalstärke der Polizei nicht unter 8000 Beamte rutschen dürfe. Dies sind genau die Ideen, die von der damaligen Fraktionsvorsitzenden Dr. Ludwig und dem innenpolitischen Sprecher Sven Petke 2010 unter dem Titel „Sicher leben in Brandenburg“ als Konzept der CDU Fraktion mit „Augenmaß“ veröffentlicht und immer noch auf der homepage nachzulesen sind. Die Personalzielzahl für die Polizeireform der CDU heißt 8000 und alle Wachen sind unverzichtbar, wobei das Konzept zwischen 24 Polizeiführungswachen und normalen Polizeiwachen unterscheidet, die auch „bedarfsorientiert“ betrieben werden können. Wenn ich mir dann anschaue, dass die Personalzielzahl des Innenministers mittlerweile auf c.a. 7400 korrigiert wurde und nach der Evaluation 2014 eine weitere Korrektur zu erwarten ist, so sehe ich eine erstaunliche Konvergenz. Ebenso bei der Standortfrage. Ob wir jetzt von Führungswachen, Inspektionen und Revieren oder Wachen sprechen, klar ist doch, dass noch gar keine Standorte geschlossen wurden. Selbst der Standort Babelsberg bleibt wegen Problemen mit dem Mitvertrag noch weitere anderthalb Jahre über die geplante Schließung zum 30.6. hinaus offen und mit ein wenig Phantasie kann ich mir vorstellen, dass zwischen der bedarfsorientiert geöffneten Polizeiwache der CDU und dem Revier der SPD keine unüberbrückbaren Gräben bestehen. An der Inneren Sicherheit dürfte eine Neuauflage von rot-schwarz nicht scheitern!

Die CDU wird aber bis zum September 2014 nicht müde werden den Untergang des Brandenburger Abendlandes zu propagieren bei Personalstärken der Polizei, die über denen in ihrem eigenen Konzept liegen. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wieviele polnische Erntehelfer noch verprügelt und welche Aufrufe zur Bildung von Bürgerwehren Früchte tragen, weil das Sicherheitsgefühl der Bürger so sehr alteriert ist. Das wollen Sie auch gar nicht wirklich stärken, das Sicherheitsgefühl!

Ich wage die Prognose, dass nach der Evaluierung und der Landtagswahl 2014 noch deutliche Korrekturen an der Polizeistrukturreform vorgenommen werden, was ich aus inhaltlichen Gründen auch begrüße. Dann werden wahlweise die SPD, die LINKE oder die CDU die Kurskorrekturen erzwungen und die Welt gerettet haben.

Sie verzeihen mir bitte, wenn ich auf Debatten zur Inneren Sicherheit im nächsten Jahr mit gewissen Ermüdungserscheinungen reagiere, solange kein neuer Sachstand vorliegt.