- Es gilt das gesprochene Wort! -
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ein weiteres Mal beschäftigt uns in diesem Parlament die sogenannte Altanschließerproblematik. Wir würden sicher alle gerne den Stein der Weisen oder das Ei des Kolumbus finden oder wahlweise den Gordischen Knoten durchschlagen, um in dieser Frage Ruhe und Akzeptanz zu finden.
Die CDU-Fraktion nimmt mit diesem Antrag zur Einführung von Musterverfahren in das Kommunalabgabengesetz eine Initiative zweier Verbände von Betroffenen auf. Die Zulassung von Musterklagen ist - neben der grundsätzlichen Abschaffung der Beiträge für sogenannte Altanschließer - eine der wesentlichen Forderungen des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) und des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU).
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU,
irritiert bin ich vom Zeitpunkt dieser Gesetzeinbringung. Wie Sie wissen, ist am Landesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde zu den Altanschlussbeiträgen anhängig. Letzte Woche erklärte der neue Präsident des Verfassungsgerichts, Jes Möller in der Märkischen Oderzeitung: „Im Moment ist es mir jedoch fast noch wichtiger, dass wir das Thema Altanschließer möglichst schnell beenden. (…) Ich rechne damit, dass das Gericht die Sache bis spätestens zum Jahresende abschließen kann.“
Aus Respekt vor dem Verfassungsgericht halte ich es für geboten, vor einer Neuregelung des KAG aus Anlass der sog. „Altanschließerproblematik“ das Urteil des Landesverfassungsgerichts abzuwarten.
Die Einführung von Musterverfahren würde in dieser vorgeschlagenen Form alle Kommunalabgaben betreffen – auch wenn derzeit die Beitragsbescheide bei den Wasser- und Abwasserzweckverbänden im Mittelpunkt des Interesses stehen. Ein derart starker Eingriff in das Kommunalabgabengesetz will wohl überlegt sein. Seine Auswirkungen müssen intensiv geprüft und abgewogen werden. Ich frage mich, ob Sie diese Folgen Ihres Gesetzentwurfs wirklich im Blick haben? Wir bezweifeln, dass er die Lösung irgendeines Problems ist.
Nein, er hat aber das Potenzial, die Kommunen vor neue, sehr große Probleme zu stellen.
Ob eine Beitragssatzung rechtmäßig ist, kann durch eine Normenkontrolle geklärt werden. Ist sie es nicht, muss eine neue rechtssichere Satzung erarbeitet werden. An der Beitragserhebungspflicht ändert das nichts, das wurde wiederholt höchstrichterlich festgestellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
welchen Vorteil bringen dann Musterverfahren, wenn die Rechtmäßigkeit einer Satzung festgestellt wurde? Wie können vor allem sinnvolle Musterfälle ausgewählt werden? Im Abgabenrecht, insb. in einer so umfänglichen Materie wie der Beitragsermittlung, gibt es selten mehrere inhaltlich und vom Beitragsbetrag her identische Fälle. Grundstücksgrößen, Lage und Geschossigkeit und viele andere relevante Faktoren sind unterschiedlich, so dass kein Bescheid dem anderen gleicht. Nach einem Musterverfahren wie von der CDU-Fraktion vorgeschlagen würde ungleiches gleich behandelt werden. Wäre das gerecht? Was wären die Auswirkungen auf die Kommunen oder Zweckverbände, wenn das Widerspruchsverfahren bis zum letztinstanzlichen Urteil beim EuGH ruht? Sollten die Kommunen also bis zu 12 Jahre warten, bis sie entsprechendeE Beitragseinnahmen einziehen können? In so manchem Fall könnte das zur Insolvenz von Zweckverbänden führen. Ist das von Ihnen wirklich beabsichtigt?
Der Überweisung in den Innenausschuss wird meine Fraktion zustimmen, auch wenn uns die vorgeschlagenen Änderungen nicht hilfreich und die Auswirkungen auf das gesamte KAG nicht absehbar erscheinen. Das Verfassungsgericht hat eigeninitiativ den Rahmen der Verfassungsbeschwerde stark erweitert, eine tiefgreifende Überprüfung der Altanschließerproblematik ist also zu erwarten. Vor dem Hintergrund des Urteils können wir dann Änderungen des Kommunalabgabengesetzes vornehmen. Ob damit dieses Land zur Ruhe kommt wird sich zeigen. Stellt doch der VDGN in seinem Mitgliederjournal schon die Frage: „Wie objektiv sind die Richter am Verfassungsgericht in Brandenburg?“