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Ursula Nonnemacher spricht zum Bericht des Petitionsausschusses

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- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Anrede!

Sicher kennen die meisten von Ihnen den Spielfilm „Goodby Lenin", in dem die Hauptdarstellerin in jeder Lebenslage für Mitbewohner oder Kollegen „Eingaben" an die Parteileitung verfasst. Ungeachtet politischer Systemwechsel ist der Zuspruch der Brandenburger und Brandenburgerinnen beim Verfassen von Petitionen ungebrochen. Wir konnten in der Statistik des Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages unseren einwohnerbezogen 1. Platz trotz leichter Rückläufigkeit locker verteidigen. Die ersten sechs Plätze werden weiterhin von den fünf neuen Bundesländern und Berlin eingenommen, das bestehende Ost-Westgefälle schwächt sich aber ab.

Will man historische Betrachtungen zum Petitionsrecht anstellen, so muss wesentlich weiter zurückgegangen werden. Der Bundestag hat unter der Überschrift „Von der Untertanenbitte zum politschen Bürgerrecht" eine interessante Betrachtung dazu veröffentlicht. Heutzutage ist das Petitionsrecht ein verfassungsrechtlich verankertes Grundrecht nach Artikel 17 des Grundgesetzes und Artikel 24 unserer Landesverfassung. Es muss noch einmal betont werden: das Petitionsrecht ist ein Jedermannsrecht und nicht an Staatsbürgerschaft, Volljährigkeit oder Geschäftsfähigkeit gebunden.

In Zusammenhang mit dem Grundrecht, eine Petition zuverfassen, möchte ich einen im Bericht ausführlicher dargestellten Fall aufgreifen. Nicht, weil dieser Fall exemplarisch für andere steht, sondern weil er glücklicherweise bisher einmalig ist und zurecht hohe Wellen geschlagen hat. Ein Petent beklagte sich über die seiner Meinung nach behindertenfeindliche Gestaltung des Ortskernes seiner Stadt, die Benutzer von Rollstühlen und Rollatoren daran hindere, Gehwege zu benutzen. Durch die erzwungene Benutzung der Straße sei ein Rollstuhlfahrer im Straßenverkehr zu Tode gekommen, was sich nicht wiederholen dürfe. Der zuständige Amtsdirektor wurde – wie üblich –um Stellungnahme gebeten. Am Petitionsausschuss vorbei erhielt der Petent auf Initiative des Amtsdirektor und der eigentlich nicht zuständigen Gemeindevertretung ein anwaltliches Schreiben. Darin wurde ihm wegen seiner Petition üble Nachrede vorgeworden und er wurde mit Fristsetzung aufgefordert, eine Unterlassungserklärung mit Kostenanerkennung eines Streitwertes von 5000 Euro zu unterzeichnen.

Einen derartig krassen Fall, dass ein Petent wegen seiner Petition von offizieller Seite derart massiv unter Druck gesetzt wurde, hat es in der Geschichte des Petitionsausschuss noch nicht gegeben. Wie oft Personen wegen Einreichens einer Petition sich unbeliebt machen und subtilere Formen von Ablehnung erfahren, ist natürlich nicht aufzuschlüsseln. Da diejenigen, über die Beschwerde geführt wird, oft auch diejenigen sind, die für die Stellungsnahme verantwortlich sind, ist hier Aufmerksamkeit angebracht. Der Petitionsausschuss hat sich, nachdem er von dem verunsicherten und verärgerten Petenten informiert worden war, unverzüglich eingeschaltet und mitgeteilt, dass er dieses Vorgehen als rechtswidrig ansehe. Der Vorfall ist inzwischen bereinigt. Er möge allen als Erinnerung dienen, dass das Petitionsrecht ein hohes Gut ist, mit dem sorgsam umzugehen ist.

Der Ausschuss zumindest beachtet dies peinlich. Selbst wenn die Schreiben manchmal gewöhnungsbedürftig sowohl von Form als auch Inhalt sind, wenn sie sehr unhöflich oder wirr abgefasst wurden, immer wieder Bekanntes aufgreifen oder schon ins Paranoide abzugleiten drohen: wir prüfen immer sorgsam, ob sich nicht doch ein berechtigtes Anliegen dahinter verbirgt, dem wir dann auch nachgehen.

Schwierig ist, dass sich der Petitionsausschuss häufig mit überbordenden Erwartungen und völlig unrealistischen Ansprüchen konfrontiert sieht. Wir können nicht in laufende staatsanwaltliche Ermittlungen eingreifen, wir können auch keine missliebigen Gerichtsurteile kassieren, nicht die kommunale Selbstverwaltung außer Kraft setzen oder politische Großkonflikte lösen.

Im Gegensatz zum Bund steigt das Petitionsaufkommen bei uns in Brandenburg weiter an. Erwartungsgemäß hat durch die elektronische Verbreitung von Petitionstexten das Aufkommen an Sammel- und Massenpetitionen zugenommen. Unsere „Dauerbrenner", wie z.B. die sogenannte Altanschließerproblematik, erläutern wir ausführlich auf unserer Internetseite.