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Ursula Nonnemacher spricht zum bündnisgrünen Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg

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>>> bündnisgrüner Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg

- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Anrede!

Wir entscheiden heute Nachmittag über die Änderung unserer Landesverfassung, um zwei wichtige Projekte zu ermöglichen: das aktive Wahlrecht mit 16 Jahren bei Abstimmungen, in der Kommune und auf Landesebene und gewisse Erleichterung bei der Beteiligung an Volksabstimmungen. Das Wahlalter mit 16 auf allen Entscheidungsebenen gehört schon lange zur Agenda grüner Politik, die Gesetze zur Stärkung der direkten Demokratie haben wir selbst in den Landtag eingebracht. Die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen wird deshalb selbstverständlich zum Zustandekommen der verfassungsändernden Mehrheit beitragen.

Trotzdem stehe ich mit durchaus gemischten Gefühlen hier. Ich hätte mir in diesem Jahr zu diesen Themen mehr politischen Diskurs, mehr Sachbezogenheit und weniger schädliches Taktieren gewünscht. Der Gesetzentwurf der Kollegen der FDP zum Wahlalter 16 in Kommunen ist seit August 2010 im parlamentarischen Verfahren. Spätestens mit der Anhörung am 31. März war klar, dass es sehr viele gute Argumente für eine Absenkung des Wahlalters auch auf Landesebene und eine Mehrheit dafür gab. An dieser Stelle hätte man das Gespräch mit allen Fraktionen sachbezogen suchen können und müssen und ggf. eigene Anträge zum Wahlalter auf Landesebene vorlegen sollen. Stattdessen hat die SPD Fraktion dem Landtag diese unsinnige Paketlösung mit der Direkten Demokratie aufgezwungen. Um ihrer von Anfang an bestehenden Ablehnung substantieller Fortschritte bei der direkten Demokratie ein fortschrittliche Mäntelchen umzuhängen, sollte das politische Signal sein: wir gehen in einem wichtigen Bereich demokratischer Partizipation sogar über unseren Koalitionsvertrag hinaus und setzen uns an die Spitze der Bewegung. Denn die Absenkung des Wahlalters steht auch in anderen rot-grün geführten Ländern auf der Tagesordnung. In ihrem taktischen Abwehrkampf gegen die direkte Demokratie ist leider die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem nicht einfachen Verfahren einer dreistufigen Volksgesetzgebung auf der Strecke geblieben. Auch wenn Sie unseren sehr bürgerfreundlichen Vorschlägen nicht in Gänze folgen wollten, so hätte es doch bessere, kohärentere Kompromisslösungen gegeben. Außerdem haben sie in ihrem unwürdigen Taktieren völlig übersehen, dass sie für eine Verfassungsänderung eine Mehrheit brauchen, die sie aus den eigenen Reihen nicht generieren können. Rot-rot hat sich in der Presse schon für das Wahlalter 16 abfeiern lassen, als noch nicht einmal ein Problembewusstsein vorhanden war, dass es mit dieser Mehrheit Schwierigkeiten geben könnte.

Der fehlende inhaltliche Diskurs und die viel zu spät eingeleiteten interfraktionellen Verhandlungen haben in den letzten Wochen zu hektischer Unübersichtlichkeit geführt. Nach meinem Eindruck haben nur noch sehr wenige KollegInnen eigentlich durchschaut, auf welchen Antrag jetzt welche Änderung draufgesattelt und welche Lösung abschließend zur Abstimmung steht. Das Vermischen unterschiedlicher Themen führt zu dem bedauerlichen Ergebnis, dass Mitglieder dieses Parlamentes, die Verbesserungen bei der direkten Demokratie wünschen, aber gegen das Wahlalter sind, gegen das Gesamtpaket stimmen werden. Oder dass die Kollegen der FDP - obwohl inhaltlich mit vielen Anliegen einverstanden – gegen ihren eigenen Gesetzentwurf votieren. Eine Sternstunde des Parlamentarismus werden wir heute nicht erleben!

Wir werden aber heute trotzdem mit der beschlossenen Verfassungsänderung unser Land ein Stück weiterbringen: Gerade die Debatte um die schrecklichen Auswirkungen des Rechtsextremismus zeigt, wie nötig und wertvoll Maßnahmen zur Stärkung unserer Demokratie, zur Förderung demokratischer Beteiligung sind. Und genau dies bringen wir heute auf den Weg: Jugendliche können sich früher einmischen, auch ihre Stimme zählt. Und die vielen Brandenburgerinnen und Brandenburger, die sich an Volksinitiativen beteiligen, bekommen wenigstens geringe Erleichterungen bei der Überwindung der Hürden. Auch wenn uns Grünen diese Erleichterungen bei weitem nicht weit genug gehen: die Initiatoren der Volksinitiativen, die im Verfahren sind, haben uns alle im Blick. Sie warten auf Verbesserungen und möchten sie nutzen. Dies ist uns Ansporn dafür einzustehen, dass sie auch kommen.