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Ursula Nonnemacher spricht zum bündnisgrünen Gesetzentwurf zur Änderung des Landeswahlgesetzes

>>> Redemanuskript als pdf

>>> der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den Koalitionsfraktionen als pdf

>>> der bündnisgrüne Originalentwurf als pdf

- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Anrede!

Wir beraten heute abschließend über die Änderung des Landes- und Kommunalwahlgesetzes und des Volksabstimmungsgesetzes. Durch die am 15.12. mit der erforderlichen breiten Mehrheit beschlossene Verfassungsänderung wurde ja bereits der Weg freigemacht für die Einführung des aktiven Wahlrechts mit 16. Wir GRÜNEN haben dies immer vorbehaltlos unterstützt und freuen uns, dass Brandenburg mit dem Wahlalter 16 auf Landesebene als erstes Flächenland in der Bundesrepublik ein Zeichen für mehr Demokratie und Beteiligung setzt.

Leider ist dieses Zeichen bei der Volksgesetzgebung, bei der direktdemokratischen Beteiligung, nicht gesetzt worden. Brandenburg hat sich nicht wie beim Wahlalter an die Spitze einer Bewegung gesetzt, sondern dümpelt mit seinen zaghaften Reförmchen weiterhin im hinteren Drittel nach einem vom Verein Mehr Demokratie e.V. erarbeiteten Ranking dahin. Dabei wäre ein kräftiges und mutiges Signal durchaus angebracht gewesen! Seit der Annahme der als besonders bürgerfreundlich angesehenen Verfassung 1992 hat es im Land noch nie einen Volksentscheid gegeben. Dies liegt nicht am Desinteresse der Brandenburger Bevölkerung oder einer zu verzeichnenden Demokratiemüdigkeit. Nirgendwo in Deutschland sind so viele Volksinitiativen gestartet worden wie in Brandenburg. Doch spätestens auf der zweiten Stufe des dreistufigen Volksgesetzgebungsprozesses ist regelmäßig Schluss: die eingeleiteten Volksbegehren haben die Hürden nicht nehmen können.

Unsere Fraktion hat im Februar 2011 Gesetzentwürfe vorgelegt zur Stärkung der Direkten Demokratie, die einen wirklichen substantiellen Fortschritt ermöglicht hätten: Freie Unterschriftensammlung, weitgehende Aufhebung des Themenausschlusskataloges, die Streichung des Zustimmungsquorums beim einfachgesetzlichen Volksentscheid, Senkung des Quorums beim verfassungsändernden Volksentscheid, erleichterte Synchronisation von Wahlen und Abstimmungen, Verlängerung der Sammelperiode und Versand von Informationsbroschüren zum Gegenstand eines anstehenden Volksentscheides. Mit diesen Instrumenten hätte Brandenburg seine rote Laterne unter den ostdeutschen Ländern in Sachen direkte Demokratie loswerden und sich wie beim Wahlalter ganz nach vorne bewegen können. Doch diese Chance wurde nicht genutzt. Nach einem inhaltlich ermutigenden Auftakt mit einer sehr ambitionierten Reise des Innenausschuss in die Schweiz zur Auseinandersetzung mit vielen direktdemokratischen Elementen und einer gehaltvollen Anhörung am 15. Juni ist eine differenzierte Debatte eigentlich nie richtig in Gang gekommen. Während wir GRÜNEN Anregungen der Anhörung aufgriffen und Änderungsanträge zu unseren eigenen Gesetzentwürfen formulierten – z.B. den Beratungsanspruch für Volkinitiativen, das Offenlegen von Sponsorengeldern und Vornahme einer Kostenabschätzung – wurde das Thema durch die Blockadehaltung der SPD ein ums andere Mal von der Tagesordnung genommen.

Mit dem dann von den Koalitionsfraktionen präsentierten Minimalkompromiss kann niemand zufrieden sein. Um einen wirklichen Fortschritt in Sachen direkter Demokratie zu erzielen, wäre wenigsten die Einführung der freien Unterschriftensammlung im Stadium des Volksbegehrens nötig gewesen. Diese ist in allen ostdeutschen Bundesländern und in Berlin erlaubt und auch im großen Flächenland Brandenburg erforderlich. Der obligatorische Amtseintrag ist das größte Hemmnis für Volksbegehren.

Die jetzt vorgeschlagene Regelung mit der Eröffnung weiterer Abstimmungsräume in Kitas, Sparkassen oder Bibliotheken bei Bedarf ist umständlich und willküranfällig. Welche Kommune wird sich schon gerne selber Arbeit machen und Aufsichtspersonal abstellen. Wer stellt den Bedarf fest? Außer in den Gemeinden, die vom Fluglärm betroffen sind, werden diese Regelungen auf wenig Gegenliebe stoßen. Auch der sogenannte Briefeintrag auf Antrag ist unter die Rubrik „groteske Abwehrkämpfe gegen die freie Sammlung" einzuordnen.

Wir haben länger überlegt, ob wir uns zu dem, was aus unseren Gesetzentwürfen gemacht worden ist, enthalten sollen. Gemäß dem Motto „lieber den Marienkäfer in der Hand als die Taube auf dem Dach" werden wir mit gequältem Lächeln zustimmen. Die Debatte um die direkte Demokratie ist damit nicht beendet, sie hat gerade erst begonnen. Die Bundes-SPD hat dies auf ihrem Parteitag im Dezember erkannt. Die Brandenburger Sozialdemokraten sind da noch nicht soweit.