- Es gilt das gesprochene Wort! -
Anrede!
In Schweden gilt seit 1766 - mit gewissen Unterbrechungen - das Aktenöffentlichkeitsprinzip. Dort wurde im Zuge der Aufklärung erstmals im Pressegesetz verankert, dass Informationen über die Arbeit der Behörden und Dienstgeschäfte offen zugänglich sind. Dies, so erkannte man schon damals, fördert das Vertrauen der Bürger in ihre Verwaltung, erhöht die Qualität der Arbeit und beugt Korruption vor.
Bis zu einem weiteren Meilenstein für die Informationsfreiheit, dem „Freedom of Information Act“ der USA von 1966, dauerte es dann noch einmal zweihundert Jahre. Noch länger aber dauerte es in Deutschland, bis an dem durch preußische Verwaltungstradition gepflegten „Amtsgeheimnis“ gerüttelt wurde. Veröffentlicht wurde nur, was unbedingt veröffentlicht werden musste, alles andere galt automatisch als vertraulich. Wollte der Bürger Informationen haben, musste er sein Begehren ausführlich begründen und quasi auf einen Gnadenanspruch hoffen oder musste sein Informationsbedürfnis im Einzelfall gerichtlich erstreiten. Einen Informationsanspruch gegenüber der Verwaltung hatten die Bürger traditionell nicht.
Während in den meisten westlichen Demokratien Informationsfreiheitrechte längst Selbstverständlichkeiten geworden waren, stand in Deutschland die dichte Abwehrphalanx bis in die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts.
1987 brachte die Fraktion der GRÜNEN erstmals ein „Gesetz über das Einsichtsrecht in Umweltdaten“ in den Bundestag ein. Sie scheiterten, auch mit ähnlichen Initiativen auf Länderebene in den Folgejahren.
So ist es gar nicht hoch genug einzuschätzen, dass Brandenburg in seiner Verfassung vom 20. August 1992 bundesweit erstmals ein Recht auf Akteneinsicht in Artikel 21 Absatz 4 verankerte. „Jeder hat nach Maßgabe des Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen der Behörden und Verwaltungseinrichtungen des Landes und der Kommunen, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen“, so der Wortlaut. In Absatz 3 wird noch speziell das Informationsrecht von Bürgerinitiativen und Verbänden verankert.
Wir feierten in diesem Sommer den 20. Jahrestag des Inkrafttretens dieser Brandenburgischen Verfassung. Sie wurde geboren aus einem Geist der demokratischen Aufbruchstimmung und unter dem Eindruck der Bürgerbewegung der ehemaligen DDR. Sie war durch ihren Mut bei den Staatszielbestimmungen, die Verankerung der Direkten Demokratie und des Umweltinformationsrechts, aber auch des Akteneinsichtsrechts modern und wegweisend. Den Weg, das Akteneinsichtsrechts in den Verfassungsrang zu erheben, ist später nur das Land Berlin gegangen. Das naheliegende Ziel, das Verfassungsrecht auf Informationsfreiheit im Grundgesetz zu verankern, steht immer noch auf der Agenda. Bündnis 90/Die Grünen haben dies zuletzt im Jahr 2008 im Bundestag zur Abstimmung gestellt.
Bis zur Umsetzung der verfassungsrechtlich verankerten Informationsfreiheit durch ein ausgestaltendes Landesgesetz vergingen aber noch einige Jahre. Die Fraktion von BÜNDNIS 90 legte im April 1994 einen Gesetzentwurf für ein Brandenburgisches Akteneinsichtsrecht vor. Dieses schaffte es noch in die 1. Lesung. Durch das Auseinanderbrechen der Ampelkoalition fiel es dann dem Diskontinuitätsprinzip zum Opfer. Erst 1998 wurde dann nach langen Vorarbeiten das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) geschaffen. In die Aufbruchstimmung von 1992 hatte sich aber mittlerweile ein guter Schuss Bedenkenträgerei gemischt und das AIG stellte mit seinen vielen Einschränkungen einen mühsam erarbeiteten Kompromiss dar. Trotzdem war Brandenburg damit weiterhin an der Spitze der Bewegung mit dem ersten Informationsfreiheitsgesetz deutschlandweit. Als Kritikpunkte wurden von Anfang an benannt:
ein zu enger Anwendungsbereich auf klassische Behörden, zu viele Ausnahmetatbestände
keine Anwendung auf privatrechtlich organisierte Unternehmen, selbst wenn sie zu 100% in öffentlicher Hand sind
keine Anwendung bei laufenden Verwaltungsverfahren,
genereller Ausschluss von Aufsichtsakten
sehr restriktiver Schutz von Unternehmens- und Personendaten
keine Abwägungsklauseln
kein Recht auf Fotokopien
Die Landesbeauftragte für den Datenschutz und das Recht auf Akteneinsicht hat das AIG mal als einen „vorsichtigen Pionier“ bezeichnet. Weniger diplomatische böse Zungen sprachen auch von einem „Aktenschutzgesetz“.
Zudem gibt es eine Rechtszersplitterung mit dem auf europäischen Vorgaben beruhenden viel weitergehenden Umweltinformationsgesetz. Gerade bei den Informationswünschen über Planungen und Bauvorhaben ist es mühsam zu unterscheiden, ob dem Bürger die Auskunft auf der Rechtsgrundlage des Umweltinformationsgesetzes oder des wesentlich restriktiveren AIG zu gewähren ist. Eine Zusammenführung von AIG und UIG war schon 2008 auf der politischen Agenda, scheiterte aber an den damals fehlenden Mehrheiten.
Die LDA hat in ihren Berichten in den letzten Jahren immer wieder auf die Unzulänglichkeiten des brandenburgischen AIG hingewiesen. Der Landtag hat im Dezember 2010 schon einen Beschluss verabschiedet, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, bei der anstehenden Novellierung das Recht der Bürger auf Fotokopien umzusetzen. Die Klagen der Bürger über ihren enttäuschten Informationswunsch nehmen zu, in ihrem letzten Bericht vom März 2012 hat die Landesbeauftragte nochmals den dringenden Novellierungsbedarf aufgezeigt.
Brandenburg ist nämlich mittlerweile längst nicht mehr an der Spitze der Bewegung, sondern hechelt in der Nachhut! Viele Bundesländer haben sich in den letzten Jahren modernere und weitergehende Informationsfreiheitsgesetze gegeben. Das im Bund erst 2006 verabschiedete IFG ist inzwischen umfänglich evaluiert und ebenfalls zur Novellierung vorgesehen. Berlin hat unter dem Eindruck des erfolgreichen Volksentscheides zur Offenlegung der Wasserverträge sein Informationsfreiheitsgesetz inzwischen angepasst und ausgeweitet; ein Transparenzgesetz wird gerade eingebracht. Baden-Würtemberg hat einen Gesetzentwurf angekündigt und das am 13. Juni in Hamburg verabschiedete Transparenzgesetz hat nochmals ganz andere Maßstäbe gesetzt.
In einer sich stürmisch entwickelnden Informationsgesellschaft bleibt die Zeit nicht stehen. Der Bürger will nicht mehr nur auf Antrag Einsicht in eine Akte nehmen und darauf mehrere Wochen warten müssen, sondern heutzutage sind proaktive Informationen über Internet gefragt. Die open-data-Bewegung hat dies aufgegriffen und gewinnt immer mehr an Bedeutung: öffentliche Daten gehören zum Wohle aller schnell ins Netz. Der obrigkeitsstaatliche Gnadenakt der Gewährung eines Informationsersuchens ist historisch obsolet. Die stürmische Entwicklung unserer Bürger- und Informationsgesellschaft lässt die Bedeutung der Informationsfreiheit ständig steigen. Die Weiterentwicklung und Stärkung unserer Demokratie ist mit der barrierefreien Bereitstellung von Informationen untrennbar verquickt. Der US Bürgerrechtler Ralph Nader hat dies folgendermaßen ausgedrückt: „Die Information ist die Währung der Demokratie.“
Vor diesem Hintergrund und fast zeitgleich mit dem Geburtstag unserer Verfassung legt meine Fraktion in guter grüner Tradition jetzt den Gesetzentwurf zur Neuregelung des Informationszugangs im Land Brandenburg vor. Wir greifen die mittlerweile dringliche Reformbedürftigkeit unseres AIG , die Idee der Zusammenführung verschiedener Regelungen und auch die Empfehlungen aus der Evaluation des IFG des Bundes auf. Der Gesetzentwurf führt einen allgemeinen und umfassenden Anspruch auf Zugang zu Informationen ein. Der Anwendungsbereich ist weit gefasst, die sicherlich weiter erforderlichen Ausnahmen zum Schutz von Persönlichkeitsrechten,
Unternehmensgeheimnissen und Urheberrecht sind eng gefasst und sollen im Zweifelsfall gegen das öffentliche Interesse abgewogen werden. Anspruch auf Informationen besteht auch gegenüber bestimmten Unternehmen der Privatwirtschaft, soweit sie Verbrauchererzeugnisse herstellen, verbraucherrelevante Dienstleistungen anbieten oder öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Neben dem umfassenden Anspruch, den überschaubaren Ausnahmen und der Abwägung sind im fünften Abschnitt des Gesetzentwurfes auch die modernen Ansätze der „open data“ aufgenommen: Behörden sind gehalten, bestimmte Informationen vor allem aus dem Verbraucherschutz und Umweltbereich von sich aus, also auch ohne Antrag, zu veröffentlichen. Dies gilt insbesondere für Verträge der Daseinsvorsorge. Ferner verbessert das Gesetz die Bürgerfreundlichkeit der Regelungen was Bearbeitungsfristen, Kosten und Kopien angeht.
Eine lebendige starke Demokratie und Informationsfreiheit gehören unabdingbar zusammen. Brandenburg hat 1992 und 1998 einen Mentalitätswandel eingeleitet, der auf eine neue Kultur der Zusammenarbeit von Bürgerinnen, Bürgern und im Staat zielt. Unser Verfassungsrecht auf Informationsfreiheit wird durch die augenblickliche Gesetzgebung nicht mehr zeitgemäß abgebildet. Lassen Sie uns gemeinsam an einem wirklich umfassenden und freundlichen Bürgerinformationsgesetz arbeiten. Wir sollten nicht warten, bis wir durch den Druck von angedrohten oder erfolgreichen Volksbegehren dazu gezwungen werden wie in Berlin und Hamburg. Brandenburg sollte den Geist seiner Verfassung ernst nehmen und sich wieder an die Spitze der Bewegung stellen.
Einer ausführlichen Diskussion der sicher komplexen Materie im Innenausschuss sehen wir mit Freude entgegen.