- Es gilt das gesprochene Wort! -
Anrede!
Letzten August 2011 brachte die Landesregierung ein neues "Familien- und Kinderpolitisches Programm" mit einem neustrukturierten familienpolitischen Maßnahmepaketen ressortübergreifend zusammengefasst in den Landtag ein. In fünf Themenschwerpunkten wurden familiennahe Unterstützungssysteme, die Förderung kommender Generationen, die Verbesserung ihrer Bildungschancen, das gesunde Aufwachsen und Beteiligungsmöglichkeiten für Familien gebündelt. Nach Einschätzung von Minister Baaske befindet sich Brandenburg mit diesem Programm auf dem "Weg zu einer besonders familienfreundlichen Region in Europa."
Ganz so weit sind wir meiner Meinung nun doch nicht! Denn die Anhörung im Ausschuss Arbeit, Soziales, Frauen und Familie zeigte uns zahlreiche Schwachstellen des Familien- und Kinderpolitischen Programms auf, die auch durch die bekräftigende Leitlinienbestätigung im Antrag der Koalitionsfraktionen "Gemeinsam für ein familien- und kinderfreundliches Brandenburg" nicht wettzumachen sind!
In der Anhörung wurden u.a. die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Probleme bei der Qualität der Kitabetreuung, erheblicher Handlungsbedarf bei der Sprachförderung, die unzureichende Mobilität von Kindern und Familien im ländlichen Raum, die Sinnhaftigkeit der Organisation der Familienferien durch den LASV angesprochen und eine bessere Verzahnung der Angebote sowie mehr Wirksamkeitskontrolle der Maßnahmen angemahnt.
Gerade das meiner Meinung nach viel versprechende Programm "audit familieundberuf" zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit wird von Seiten der Landesregierung bereits seit März 2011 nicht mehr finanziert, obwohl es im Maßnahmepaket enthalten ist. Das bekanntlich bis 2014 laufen soll. In der Beschlussempfehlung des Ausschusses von heute steht: "Der Landtag erkennt insbesondere in der Familienfreundlichekeit von Unternehmen einen unverzichtbaren Baustein für ein familienfreundliches Land Brandenburg."
Ja, dadurch dass das zuständige Ministerium mit einem „audit familieund beruf" zertifiziert ist, ist die Familienfreundlichkeit der Unternehmen in Brandenburg noch nicht hergestellt! Deshalb bleibt im Antrag der Koalitionsfraktionen nur noch der Appell und die Bitte des Landtags an alle Akteure im Land, "die Wirtschaft und Sozialpartner, Familienfreundlichkeit von Unternehmen in allen Regionen des Landes zu unterstützen und zu praktizieren." Damit kommen wir nicht weiter. Das sind zahnlose Floskeln, die Brandenburg nicht familienfreundlicher machen.
Der in meinen Augen wichtigste Kritikpunkt am Familien- und Kinderpolitischen Programm ist die Sprachförderung. Hier wäre ein Umsteuern des Maßnahmepaketes auf jeden Fall nötig gewesen, denn bereits die Evaluation der kompensatorischen Sprachförderung hatte ergeben, dass sie ihr Ziel nicht erreicht und quasi wirkungslos war. Es reicht nicht, Sprachberaterinnen alle Jubeljahre übers Land zu schicken, sondern Sprachförderung von Kindern muss alltagsintegriert und individuell und vor allem kontinuierlich erfolgen. Diese alltagsintegrierte Sprachförderung kann nur mit genügend Personal möglich sein. Die Erzieherinnen brauchen mehr Zeit für die Ansprache der Kinder. Das Familien- und Kinderpolitische Programm hätte hier unbedingt nachgebessert werden müssen, da es sonst an der Realität vorbeigeht.
Zu konkreten Forderung konnten sich die Koalitionsfraktionen nicht durchringen. Statt dessen steht im Beschluss des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie, dass der Landtag feststellt: "Kinder sollen gesund, in sozialer Sicherheit und Geborgenheit aufwachsen, sie sollen Bildungschancen erhalten und nutzen können; sie sollen ihre Individualität entwickeln und entfalten können."
Ja, wahrscheinlich würden gerade die Kinder im Alter von 2 1/2 bis 4 1/2 Jahren, die mit einer Zunahme von Sprach- und Sprechstörungen - ich verweise hier auf die "Evaluation bestehender Instrumente und Vorschriften zur Kindergesundheit und des Kinderschutzes" (siehe S. 18) zu kämpfen haben - gern ihre Bildungschancen nutzen, aber dazu müssten sie frei von Sprach- und Sprechstörungen sein.
Bei der Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses zum Familien- und Kinderpolitischen Programm werden wir uns enthalten. Binsenweisheiten wie „Kinder sind unsere Zukunft. Wir brauchen starke Kinder und starke Familien" oder „Wirksame Familienpolitik setzt (...) Verständnis für Familien vorraus" kann man nicht widersprechen. Wirklich weiterbringen werden sie uns aber auch nicht.