- Es gilt das gesprochene Wort! -
Anrede!
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen gilt seit 2009 verbindlich auch in Deutschland; Bund, Länder und Kommunen sind verpflichtet, die Ziele dieses völkerrechtlichen Vertrages umzusetzen. Deshalb muss geltendes Recht entsprechend angepasst werden. Dazu legt uns die Landesregierung nunmehr den Entwurf zum novellierten Behindertengleichstellungsgesetz vor.
Leider lag der Gesetzentwurf mindestens ein 3/4-Jahr auf Eis! Die kommunalen Spitzenverbände hatten an höchster Stelle interveniert und führten verschiedene Gründe für die Verfassungswidrigkeit des Gesetzentwurfs an. Ihre Hauptkritikpunkte waren der Geltungsbereich des Gesetzes, die Zielvereinbarungen, das Verbandsklagerecht sowie die Auskunfts- und Informationspflichten gegenüber dem Landesbehindertenbeauftragten. Und - wir würden uns wundern, wenn dieses Argument fehlen würde - zentraler Punkt: im Gesetzentwurf sei keine Kostenerstattung gemäß des strikten Konnexitätsprinzips der Landesverfassung vorgesehen!
Die versuchte Ausbremsung des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes reiht sich nahtlos in eine Kette ähnlich gelagerter Fälle: sobald irgendeine Gesetzesinitiative auch die Kommunen berührt, wird die Konnexitätskeule geschwungen und gemauert. Die Märkische Oderzeitung spricht in einem Kommentar von einem „Pawlowschen Reflex“.
Es geht wohlgemerkt nicht darum, die Kommunen mit explodierenden Kosten im Regen stehen zu lassen. Aber Fortschritte im Sinne der Betroffenen dürfen nicht a priori mit der Befürchtung, es könnte etwas kosten, abgeblockt werden!
Um welche neuen Aufgaben geht es hier überhaupt? War der Geltungsbereich des Behindertengleichstellungsgesetzes von 2003 lediglich auf die Landesbehörden bezogen, berücksichtigt er nunmehr das Land, die kommunale Ebene sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts. Dabei geht es nicht – wie viele Betroffene hoffen - um den kostenträchtigen barrierefreien Zugang zu öffentlichen Gebäuden – dies regelt die Bauordnung des Landes. Leider nicht immer mit der notwendigen Eindeutigkeit. Nein, mit der Neuregelung wird lediglich klargestellt, dass der Anspruch auf kommunikative und informationstechnische Barrierefreiheit auch im kommunalen Bereich gilt. Es geht um das Recht auf Gebärdendolmetscher in Verwaltungsverfahren und für Eltern mit Hör- und Sprachbehinderungen im Umgang mit der Schule, um barrierefreie Internetangebote und Formulare in Blindenschrift. Dafür hat das Land 100.000 Euro jährlich zur Kostenerstattung vorgesehen.
Ich bin der Landesregierung dankbar, dass sie in den Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden nicht eingeknickt ist. Mit diesem Gesetzentwurf wird weiteren spezifischen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen Rechnung getragen und wir kommen unserem Ziel, eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, ein kleines Stückchen näher.
Neben der Ausweitung des Geltungsbereiches des Gesetzes auf die Kommunen befürworten wir sehr die Einführung eines Verbandsklagerechts, die Ansätze zur Beweislastumkehr bei Diskriminierung, die Berücksichtigung der spezifischen Belange von Frauen mit Behinderungen und die Stärkung der Position des Landesbehindertenbeauftragten. Allerdings sollte der/die Beauftragte direkt dem für soziales verantwortlichen Mitglied der Landesregierung unterstellt werden und nicht durch Doppelfunktionen in Interessenkollisionen gebracht werden. Diskussionsbedarf sehen wir auch bei der Zusammensetzung des Landesbehindertenbeirates.
Wir vermissen die Vorschrift, dass die Vergabe von Fördermitteln mit Barrierefreiheit verknüpft wird, wie dies bei EU-Mitteln üblich ist, Regelungen zu Sanktionierungen und Vorgaben bei den Zielvereinbarungen.
Insgesamt gib es in dem Gesetzentwurf viele positive Ansätze. Der Anhörung der vielen Betroffenen in den Ausschüssen und der weiteren Qualifizierung des Gesetzes sehen wir mit Freude entgegen.