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Ursula Nonnemacher spricht zum Gesetzentwurf zur Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes

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- Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede!

Nicht ohne Grund hatten wir am 6. August zu einem Fachgespräch über die Zukunft der Abschiebehaft in Brandenburg eingeladen. Der Einladung waren erfreulicherweise auch Abgeordnete fast aller Fraktionen gefolgt. In dem Fachgespräch mit ExpertInnen der Kirchen, des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins und des Flüchtlingsrates Brandenburg wurde nicht nur die Abschiebungshaft an sich in Frage gestellt, sondern auch die jetzige Ausgestaltung. Während sich verschiedene Bundesländer intensiv mit Schritten in Richtung Abschaffung oder zumindest Vermeidung von Abschiebehaft auseinandersetzen, setzt ausgerechnet die einzige rot-rote Landesregierung hier zur Rolle rückwärts an. Nicht nur, dass offensichtlich darüber nachgedacht wird, die sehr schlecht ausgelastete Abschiebehafteinrichtung in Eisenhüttenstadt durch Übernahme von Abschiebehäftlingen anderer Länder „rentabler" zu machen, legt sie jetzt einen Gesetzentwurf für restriktivere Änderungen im Haftvollzug vor. Erkrankte werden bisher in normalen Krankenhäusern versorgt, jetzt sollen sie in Strafvollzugsanstalten verlegt werden. Da wir Bündnisgrünen Abschiebehaft generell für hoch problematisch halten, wird es Sie also nicht überraschen, dass wir dem vorliegenden Gesetzentwurf kritisch gegenüber stehen.

Doch konkret zum vorliegenden Gesetzentwurf: Positiv zu bewerten ist sicherlich die Einrichtung eines externen Beirates, der bei der Gestaltung des Vollzugs und der Betreuung der Abschiebungshäftlinge mitwirken soll. Schön, dass im Vergleich zum ersten Entwurf nun die wesentlichen Aufgaben und Befugnisse im Gesetz festgelegt werden sollen. Schade finde ich, dass nicht klar genannt wird, wer in den Beirat berufen wird und dass der Innenminister alles weitere durch Verwaltungsvorschrift regeln kann, zumindest eine Rechtsverordnung wäre hier doch angebracht.

Aber nun zu unseren zwei Hauptkritikpunkten:

  1. Die Unterbringung von Kranken in der Krankenabteilung einer Justizvollzugsanstalt widerspricht dem strikten Trennungsgebot, das in Artikel 16 Abs. 1 der EU-Rückführungsrichtlinie und § 62a Abs. 1 Aufenthaltsgesetz normiert ist. Denn Abschiebungshäftlinge haben keine Straftat begangen – warum sollten Sie dann wie verurteilte Straftäter behandelt werden und den Beschränkungen des Strafvollzugs unterliegen? Die freie Arztwahl dürfte auch für Menschen in Abschiebungshaft gelten. Mich wundert, dass das Justizministerium dieser Regelung zugestimmt hat!
  2. Große Bauchschmerzen habe ich auch wenn ich die neue Regelung zum unmittelbaren Zwang lese – dort sollen die Bediensteten (wohlgemerkt keine Beschäftigten des Landes sondern Beschäftigte einer privaten Firma) die Menschen körperlich fixieren (also fesseln) können. Außerdem sollen diese Bediensteten die Befugnisse von Justizvollzugsbeamten bekommen, inkl. Waffengebrauch! Auch hier kann ich mich nur wundern, mit welcher Härte gegen Menschen vorgegangen wird, die einfach nur ausreisen sollen!

Bei den Röntgenuntersuchungen, die jetzt ermöglicht werden sollen, schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Die Röntgenaufnahme der Lunge in zwei Ebenen ist zum Ausschluss einer offenen Tuberkulose zweifellos am besten geeignet. Da es sich hierbei aber um einen zustimmungspflichtigen medizinischen Eingriff handelt, müsste zumindest in der Gesetzesbegründung eine Abwägung stattfinden, ob solche Eingriffe verhältnismäßig sind! Darüber hinaus wird dem Bundesgesetzgeber unterstellt, dass er übersehen habe, die Abschiebungshafteinrichtungen in das Infektionsschutzgesetz aufzunehmen. Meine liebe Landesregierung, diese Gesetzesbegründung ist wirklich zu schwach!

Noch kurz zur Besuchsregelung, die sich eindeutig verschlechtert hat: Bisher durften Abschiebungshäftlinge uneingeschränkt Besuch empfangen, nunmehr soll dieses Recht aus Gründen der Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden können. Unter diese dehnbaren Begriffe kann alles Mögliche fallen! Falls eine Übergabe von Gegenständen verhindert werden soll kann man das auch durch eine nachträgliche Untersuchung machen, die ist nämlich nach § 11 Abs. 4 möglich.

Wir sehen also einigen Diskussionsbedarf und können jetzt schon ankündigen, dass wir diese Punkte gerne im Rahmen einer Anhörung aufgreifen würden.