Zum Inhalt springen

Hinweis: Diese Website wird nicht mehr aktualisiert und dient als Archiv. Weitere Informationen →

Ursula Nonnemacher spricht zum Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm 2011-2014 "Gute Lebensperspektiven - Faires Miteinander - Neue Chancen"

>>> Redemanuskript als pdf

- Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede!

Am 11. Oktober 2008 forderte die Mitgliederversammlung des Frauenpolitischen Rates die Landesregierung und den Landtag auf, ein gleichstellungspolitisches Rahmenprogramm und einen Maßnahmeplan zu entwickeln, um die strukturelle Benachteiligung von Frauen abzubauen und die Gleichberechtigung der Geschlechter zu erreichen. Diese Forderung fand Eingang in den Koalitionsvertrag "Gemeinsinn und Erneuerung" von November 2009, der sich für die uneingeschränkte Gleichstellung von Frauen und Männer ausspricht und dies als Querschnittsaufgabe betrachtet.

Für uns GRÜNE, die wir nicht nur den Kampf gegen die Atomkraft in der Geburtsurkunde der Partei zu stehen haben, sondern auch die Geschlechtergerechtigkeit als Grundwert in der Präambel unseres Grundsatzprogramms verankert haben, ist beides erst einmal sehr begrüßenswert. Schaut frau sich das Rahmenprogramm in seinen drei Teilen nebst Datenanhang und Glossar an, so fällt die Bilanz durchwachsen aus:

Das gleichstellungspolitische Maßnahmenpaket stellt sich vorwiegend als eine Ist-Standbeschreibung mit Auflistung bestehender Maßnahmen dar, auch wenn in der Spalte „Zeitraum" teilweise recht unverfroren suggeriert wird, dass es sich um etwas Neues handelt. Dies betrifft etwa das Mentoringprogramm für Frauen an Hochschulen, welches gerade wegen guter Erfolge verlängert wurde. Die unter dem Teilziel „ Unterstützung von Existenzgründerinnen" angegebene Maßnahme „Förderung eines Gründerinnenzentrums" wird dem Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten zugeordet. Es ist weder mit einer Zeitschiene noch mit Finanzierung oder irgendwelchen Indikatoren untersetzt. Tatsächlich sind Konzepte für ein Gründerinnenzentrum seit mindestens 2004 im Gespräch. Die Auflistung von langjährigen Absichtserklärungen bringt uns in der Sache nicht weiter. Nicht Fehlen dürfen natürlich die Hinweise auf bundespolitische Aktivitäten wie Einführung von Mindestlöhnen und der Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Ein Teil der aufgeführten Maßnahme ist sinnvoll, aber nicht erkennbar genderspezifisch, wie z.B. die Anerkennung von im Ausland erworbener Berufsabschlüsse und Qualifikationen, die Beratungsangebote für innovative Gründungen oder der Gründungsservice an den Hochschulen.

Die Standartaussage in der Spalte „Finanzierung" lautet: keine haushaltsmäßigen Auswirkungen oder im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel zu realisieren. Sollte wirklich mal ein konkreter Betrag auftauchen, so handelt es sich um seit längerem feststehende Summe wie z.B. die 900.000 Euro für die Finanzierung der Frauenhäuser in den 14 Kreisen und 4 kreisfreien Städten, die seit langem nicht mal um die zur Tarifangleichung und Bezahlung von ehrenamtlich absolvierten Rufbereitschaften notwendigen Beträgen angehoben wurden. Ich möchte mich aber in Zeiten von Haushaltskonsolidierung und rückläufigen Einnahmen nicht zu sehr auf die fehlende finanzielle Untersetzung des Maßnahmenpakets auslassen. Sicher kann sinnvolle und erfolgreiche Genderpolitik auch ohne große finanzielle Aufwendungen geleistet werden. Obwohl immer wieder auffällt, dass „Frauenpolitik" als gesellschaftspolitischer Nebenschauplatz - ein sozialdemokratischer Kanzler nannte sie einmal "Gedöns" - wesentlich weniger finanzielle Ressourcen beanspruchen darf als etwa Wirtschaftsförderung oder Arbeitsmarktpolitik, die als prioritäre harte Kernbereiche gelten. Überhaupt taucht das Wirtschaftsministerium im Arbeitsteil so gut wie nicht auf und auch die Vernetzung mit Wirtschaftsverbänden ist kein Thema. So wird man die Stellung der Frau im Erwerbsleben und in Führungspositionen der Wirtschaft kaum stärken können.

Richtig ärgerlich ist aber die vage Beliebigkeit der angegebenen Indikatoren. Wenn als Indikator für das Ziel „Erhöhung des Männeranteils in frauendominierten Arbeitsfeldern der Kitabetreuung" (zur Erinnerung: 93% Frauen) die Gewinnung männlicher und weiblicher Fachkräfte angegeben wird, statt einem konkreten Männeranteil bis Ende der Wahlperiode, so ist das symptomatisch für das völlige Fehlen verbindlicher Zielvorgaben.

Gut gefallen hat mir die Maßnahme Erstellen eines Gender Datenreports und die Prüfung der Einführung des Gender Budgeting durch das MdF bis 2013. Herr Dr. Markov, wir zählen auf Sie! Auch der „Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder" ist ein Pluspunkt des Programms und greift erfreulicherweise viele Anregungen aus der Frauenhausanhörung des AASFF auf.

Insgesamt ein Programm mit positiven Ansätzen, dass aber in der Formulierung überprüfbarer Vorgaben viel mutiger hätte sein müssen!