- Es gilt das gesprochene Wort ! -
„Glanzlos in die zweite Halbzeit“ resümierte die Brandenburger Presse Anfang November nach zwei Jahren rot-rot. Das Innenresort und namentlich der Minister erhielten angesichts der Problemfelder anderer Ressorts vergleichsweise freundliche Beurteilungen.
Die Megabaustelle des Innenministeriums – die Polizeireform „Brandenburg 2020" konnte mit Inkrafttreten des Polizeistrukturreformgesetzes zum 1.1.2011 mit einem hohen und hübsch bemalten Bauzaun eingefriedet werden. Hässlicher Baulärm drang allein im April noch von der Baustelle, als der Bericht der Aufbaukommission veröffentlicht wurde. Wer grundlegende Kurskorrekturen oder zumindest Konkretisierungen bei der Ausgestaltung der Reviere erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Lediglich die Zuordnung der zukünftigen Polizeiinspektion Uckermark zur Polizeidirektion Ost zulasten der Norddirektion verursachte über Wochen erhebliche Unruhe im Land. Ebenfalls im April 2011 entschied der Landtag über die Volksinitiative für den Erhalt einer leistungsfähigen und wahrnehmbaren Polizei in allen Regionen des Landes. Die absurde Situation, dass die Volksinitiative sowohl von Gegnern als auch Unterstützern der Polizeireform angenommen und damit in ihrer Intention nicht ernst genommen wurde, sorgte nochmals für Diskussionen. Seit dem Sommer hat sich die Lage beruhigt: die Direktionen wurden geräuscharm zum 1.7. eingerichtet, die 16 Inspektionen gingen am 1.11. an den Start. Ähnlich wie nach seiner Amtsübernahme im Herbst 2010 unternimmt der Minister im Herbst 2011 eine ausgedehnte Tournee. Er besucht diesmal alle 4 Polizeidirektionen und die 16 Polizeiinspektionen. Er hat die Notwendigkeit umfangreicher Kommunikation mit den Betroffenen vor Ort erkannt und lässt immer wieder in der Presse mitteilen: „Ohne transparente Kommunikation kann eine solche Reform heute nicht mehr durchgesetzt werden," oder auch „Es gibt derzeit kein wichtigeres Thema als die weitere Umsetzung der Polizeireform."
Auch wenn jetzt die Proteste im Land professionell wegmoderiert werden und über allen Wipfeln Ruh ist, was passiert hinter den Kulissen? An vielen Standorten – wie in Brandenburg/Havel, Ludwigsfelde und Falkensee – gibt es massive Probleme mit den Liegenschaften und bauliche Herausforderungen, um die neuen Strukturen auch adäquat zu beherbergen. Haben sich die verschiedenen Aufgabengebiete in den neuen Formationen schon arbeitsfähig sortiert? Kann die Präventionsarbeit in den nächsten Jahren überhaupt noch wahrgenommen werden? Kann durch eine zentrale Anzeigenbearbeitung ausschließlich vom Büro aus noch eine verantwortliche Aufklärung und Bearbeitung erfolgen? Wird dieses Verfahren, welches für 50% aller Fälle angewandt werden soll, überhaupt noch den Geschädigten und Opfern einer Straftat gerecht? Werden ohne Ermittlungsarbeit vor Ort und ohne Vernehmungen Straftaten künftig nur noch verwaltet, aber nicht mehr aufgeklärt und verfolgt?
Über Grenzkriminalität darf in letzter Zeit ja wieder gesprochen werden, insbesondere wenn sie zur Begründung für die Neukonfektionierung der Direktionen herhalten muss. Wird sie aber auch noch erfolgreich bekämpft? Wo findet sich in den neuen Strukturen die Bearbeitung der Jugendkriminalität wieder? Und ist die Polizei in Brandenburg auch nach der Strukturreform noch ausreichend gerüstet, um der massiv ansteigenden Internetkriminalität fachgerecht begegnen zu können? Wenn die Zahl der Polizeibediensteten wie vorgesehen drastisch reduziert werden soll, ist eine Erhöhung der Qualität in Aus- und Fortbildung unerlässlich. Wir begrüßen sehr, dass der Einstellungskorridor jetzt doch auf 150 Stellen für Anwärter erhöht worden ist. Um einen adäquaten Ersatz der in den kommenden Jahren ausscheidenden BeamtInnen zu gewährleisten, reicht dies aber nicht aus. Auch wird sich die Qualifizierung der vorhandenen MitarbeiterInnen kaum vermitteln lassen, wenn der immense Beförderungsstau, der jegliche Motivation abtötet, nicht abgebaut wird.
Ob der angestrebte Personalabbau ohne gravierende Sicherheitslücken funktioniert, wird sich erst in einigen Jahren erweisen. Die gründliche Evaluierung des Reformprozesses ist für 2014 ausgerufen – da kann sich dann die nächste Regierung dran abarbeiten. Auf der Baustelle dürfte es für die restliche Legislaturperiode relativ ruhig bleiben. Auch wenn wir alle gespannt auf den Zwischenbericht zum Stand der Umsetzung der Polizeistrukturreform einschließlich des Personalentwicklungskonzeptes warten, welcher nach dem Beschluss des Landtages vom 16.12.2010 uns bis Ende dieses Jahres zugehen soll.
Wenn der Personalabbau bei der Polizei jetzt in dem vorgesehenen Maß fortschreitet, dass Sorge um Sicherheitsdefizite gerade bei Ermittlungsdelikten angebracht erscheint, halten wir es nicht mehr für vertretbar, Geld für fragwürdige Repräsentationsmaßnahmen auszugeben. Wir haben im Einzelplan 03 zur Zweckbestimmung von Personalausgaben den Antrag gestellt, dass in der Hauptgruppe 4 veranschlagte Stellen ausschließlich mit Personen besetzt werden, die im Sinne des § 1 Bbg PolG auch in der aktiven Polizeiarbeit tätig sind. Die 44 Planstellen für das Polizeiorchester dienen ausschließlich der Präsentation und Unterstützung kultureller Aktivitäten und stellen somit eine aufgabenfremde Besetzung dar. Sie ziehen Ressourcen vom regulären Polizeidienst ab. Mit der Umsetzung der Polizeireform ist eine Freistellung in dieser Größenordnung nicht mehr vertretbar.
Gleiches gilt für die Schaffung von 10 Anwärterstellen im Polizeidienst für SpitzensportlerInnen zur Stärkung der „Außenwirkung" Brandenburgs. Dies lehnen wir entschieden ab. Wir brauchen motivierten und lernbegierigen Nachwuchs für den Polizeidienst, aber keine Leute, die jahrelang im Staatsdienst für Olympia trainieren!
Ausdrücklich loben möchte unsere Fraktion noch einmal den souveränen und klaren Umgang des Innenministers mit vermuteten Ex-Stasi Mitarbeitern im Polizeidienst. Da wurde nichts beschönigt oder vertuscht, sondern versucht, nach Gesetzeslage aufzuklären. Wir begrüßen insbesondere, dass nicht nur das Führungspersonal auf Direktions- und Inspektionsebene, sondern nach erfolgter Novelle des Stasiunterlagengesetzes auch die Leiter der 33 Polizeireviere überprüft werden sollen. Die neuen Möglichkeiten des Sonderauskunftsrechts sollten bei begründeten Verdachtsfällen konsequent angewendet werden.
Der Gesamthaushalt des Einzelplanes 03 entbehrt wie üblich der Dramatik und ist wie üblich nicht in der Lage, einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten. Wie in den Vorjahren steigt das Gesamtvolumen trotz Stellenreduzierung auf nunmehr 656 Millionen Euro an. Dies ist ein Aufwuchs um 14 Millionen gegenüber 2011. Die Personalkosten halten trotz Reduktion von 156 Stellen ihren Anteil von 67%. Die in den letzten Jahren eklatant gestiegenen Mietzahlungen an den BLB – wir hatten in den letzten Jahren besonders die stark gestiegenen Betriebskosten stark kritisiert – sind mit insgesamt knapp 40 Millionen Euro sogar leicht rückläufig. Einspareffekte durch Standortschließungen dürften dabei noch nicht zum tragen kommen. Ausgabensteigerungen sind vor allem durch den BOS-Digitalfunk, die Investitionen beim Zentraldienst der Polizei und durch Zuweisungen an den Zentralen IT-Dienstleister verursacht – alles Felder, die sehr differenziert zu betrachten sind. Hinweisen möchten wir aber darauf, dass der Landesrechnungshof die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Schutzbereiche der Polizei in den letzten Jahren geprüft und dabei in der Hälfte der Fälle Mängel festgestellt hat. Im Zuge der Umsetzung der Polizeireform Brandenburg 2020 wird darauf zu achten sein, dass die Inspektionen diese Aufgaben besser wahrnehmen.
Schwerwiegender sind noch die Klagen des Rechnungshofes über IT Projekte im Bereich der Polizei in der Zuständigkeit des Zentraldienstes der Polizei. Fehlende Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und Erfolgskontrollen, schleppende Implementierung von IT Sicherheitskonzepten und bedenkliche Abhängigkeit von externen Unternehmen in einem Sicherheitsbereich wirken nicht gerade vertrauensbildend. Dass in den Jahren 2005 bis 2010 Mehrausgaben im IT Bereich der Polizei in Höhe von fast 29 Millionen Euro vorwiegend durch Knöllchen finanziert wurden – auch nicht! Auch wenn der Bereich jetzt vom ZDPol auf den ZIT-BB übergegangen ist, hoffen wir auf deutliche Verbesserungen sowohl bei der Wirtschaftlichkeit als auch der Datensicherheit.
Nicht ganz so umfänglich wie mit der Polizeireform, aber doch ausführlich hat sich die Innenpolitik in den letzten beiden Jahren mit dem Brand- und Katastrophenschutz beschäftigt. Das Konzept der Landesregierung „Zukunft des Brand- und Katastrophenschutzes im Land Brandenburg absichern" ist eine gute Zustandsbeschreibung und erörtert demografische Probleme folgerichtig, aber außer einem Potpouri an Ideen zur Förderung des Ehrenamtes gibt es keine belastbaren Antworten zu einheitlichen organisatorischen Strukturen und zur Finanzierung derselben. Dass der Landtag im September in einem Entschließungsantrag die Landesregierung auffordert, endlich eine Rechtsverordnung zu Organisation, Technik und Mindeststärke der Katastrophenschutzeinheiten vorzulegen, ist nach jahrelangem Stillstand begrüßenswert. Ebenso unterstützen wir den Haushaltsantrag der Koalitionsfraktionen, die Zuwendungen an die Träger des kommunalen Katastrophenschutzes um 300.000 € zu erhöhen. Auch dies rettet die Welt nicht, geht aber in die richtige Richtung, um weiterarbeiten zu können. Brandenburg ist bei den Standortentscheidungen der Bundeswehr sehr gut weggekommen. Auch dies lässt ein bisschen Luft für Anpassungsprozesse in der Zukunft. Wie aber wird die Einsatzfähigkeit in der Fläche gewährleistet, wenn nicht in gewünschtem Umfang neue Ehrenamtler gewonnen werden können? Die Feuerwehr stellt sowohl in Brandenburg als auch bundesweit das Gros der Einsatzkräfte im Bereich des Katastrophenschutzes. Mittelfristig werden wir nicht umhinkommen, die Stützpunktfeuerwehren mit immer mehr hauptamtlichen Kräften zu unterfüttern, um ein einigermaßen flächendeckendes und verlässliches Netz im Brandschutz garantieren zu können. Auf diese Kräfte wird dann auch im Katastrophenfall ein schneller Zugriff möglich sein. Denn auch eine Verstärkung der interkommunalen Zusammenarbeit generiert nicht mehr Personal und eine Rechtsverordnung über Mindeststärken löst nicht das Problem, woher das Personal denn kommen soll.
Nach dem Koalitionsvertrag wird die Landesregierung die Daueraufgabe der Verwaltungsmodernisierung konsequent fortsetzen. Da aber immer dann, wenn Modernisierung gesagt auch Stellenabbau gemeint ist, stößt dieses Unterfangen auf wenig Gegenliebe. Das Beharrungsvermögen des Apparates – physikalisch gesprochen die Trägheit der Masse – hat den Eifer der Modernisierer meist erfolgreich ausgebremst. Zu einem Lieblingsprojekt der Verwaltungsmodernisierung, der elektronischen Akte „EL.DOK BB“ verweise ich wieder auf den diesjährigen Bericht des Landesrechnungshofes, der die Wirtschaftlichkeit des Projektes grundsätzlich anzweifelt. Der Verwaltungsmodernisierung hat sich jetzt auch gar nicht die Landesregierung gewidmet, sondern eine Art Minikoalitionsausschuss unter Führung des Innenministers. Bei diesem Modernisierungspapier handelt es sich um einen Minimalkompromiss: einige Dinge wie die Forstreform sind schon lange angelaufen, andere an Kleinteiligkeit nicht zu überbieten. Die Angliederung des Archäologischen Landesmuseums Brandenburg an die Stiftung Berliner Stadtmuseum ist ein Thema. Man könnte darüber lachen, wenn es nicht so deprimierend wäre. Statt endlich mal mit dem Land Berlin Klartext über die schlecht laufenden Kooperationen und eine Fusionsperspektive zu reden, ergeht man sich in abseitigen Petitessen. Ob die Prüfaufträge einen praktischen Mehrwert haben werden, wird sich zeigen. Ob die LINKE damit ihre Regierungstauglichkeit über 2014 hinaus dokumentiert hat, auch. Sicher ist aber, dass es ihnen wieder einmal gelungen ist, die Gewerkschaften auf die Barrikaden zu treiben. Dieser mobilisierende Effekt ist doch auch ein schöner Erfolg! Da in nächster Zeit ja noch die Novellierung des Landesbesoldungsrecht, des Dienstrechts und des Landespersonalvertretungsgesetzes ansteht, ist man gleich in Kontakt.
Einige Projekte in Verantwortung des Innenministeriums werden in dieser Woche noch abschließend behandelt werden: das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge, das Wahlalter, das Brandenburgische Polizeigesetz. Das Volksabstimmungsgesetz, was mit dem Ziel novelliert werden sollte, die Zugangsbedingungen für Bürgerinnen und Bürger zu erleichtern, wird im Januar auf der Tagesordnung stehen. Leider werden die Bürgerinnen und Bürger die Erfahrung machen müssen, dass der Fortschritt bei der direkten Demokratie sich millimeterweise vollzieht.
Es bleibt nur noch die Frage: ist die offene und transparente Evaluierung der Kommunalverfassung schon in der Pipeline?