Zum Inhalt springen

Hinweis: Diese Website wird nicht mehr aktualisiert und dient als Archiv. Weitere Informationen →

Ursula Nonnemacher spricht zum Haushaltseinzelplan 07 - Arbeit, Soziales, Frauen, Familie

>>> Redemanuskript als pdf

- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Anrede!

Der Einzelplan 07 hat einen Gesamtumfang von 671 Mio. Euro. Der Aufwuchs um 12 Mill. € ist hauptsächlich durch die höheren Zuweisungen an die Kommunen für die Eingliederungshilfen und die Hilfe zur Pflege bedingt. Die steigenden Sozialausgaben, über die die Kommunen klagen, bilden sich auch im Landeshaushalt ab. Ein großer Haushaltsposten findet sich im Kapitel Arbeitsförderung, hier sind Ausgaben von 124 Mio. für das Jahr 2012 eingestellt. Für das Programm Arbeit für Brandenburg ist für 2012 eine Fortschreibung in Höhe von 5.5 Mio Euro geplant. Im Haushalt war für den Zeitraum 2010 bis 2014 ein Finanzvolumen in Höhe von 40 Mio. avisiert. 6.500 Personen sollten eine Stelle erhalten. „Die Inanspruchnahme der Landesmittel im Programm „Arbeit für Brandenburg" blieb hinter den Planungen zurück, da durch die Sparbeschlüsse der Bundesregierung die erforderlichen Kofinanzierungsmittel aus dem Eingliederungsbudget SGB II durch die Jobcenter in der Regel nicht in dem erforderlichen Umfang zur Verfügung gestellt werden können."

Diese Einschätzung des Ministeriums geht aus einer Haushaltsanfrage unser Fraktion hervor. Von den für 2010 geplanten 1.4 Mio wurden lediglich 329.381 Euro in 2010 ausgezahlt und von den veranschlagten 5.5 Mio für das Jahr 2011 wurde im Zeitraum Januar bis Juli 2011 lediglich 364.297 Euro ausgezahlt. In den Jahren 2010 und 2011 sollten 2.500 Personen eingestellt werden. Bis Ende 2011 werden lediglich 1.500 Stellen besetzt werden. Welch Überraschung! Da auch die abgespeckte Zielzahl von 6500 nicht annähernd gehalten werden kann, muss sich die LINKE wohl nach einem anderen „Profilschärfungsprojekt" umsehen.

Wir GRÜNE haben den ÖBS kritisiert. Er schaffte Stellen für Langzeitarbeitslose, die jedoch ohne strukturelle Wirkung für den Arbeitsmarkt bleiben. Denn eine Qualifizierung ist mit diesen Stellen nicht verbunden, und Langzeitarbeitslose, die diese Stellen annehmen, kommen aus dem Unterstützungsbedarf nicht hinaus. Interessanterweise wir diese Sicht jetzt auch von Teilen der Linkspartei geteilt. Ich zitiere aus dem Neuen Deutschland: „Die Antikapitalistische Linke und der Landesverband NRW wollen erwerbslose Menschen »in den ersten Arbeitsmarkt integrieren« und dagegen den ÖBS abschaffen, weil dieser »Ausdruck der Hartz-IV-Logik« sei, denn die Betroffenen blieben »dauerhaft vom ersten Arbeitsmarkt ausgeschlossen."

Außerdem war schon seit 2010 klar, dass die klammen Kommunen weder die entsprechenden Beschäftigungsfelder noch die zusätzlichen Arbeitsstellen ohne Verdrängungseffekt auf dem regulären Arbeitsmarkt schaffen konnten. Durch fehlende Qualifizierung finden die im öffentlichen Beschäftigungssektor arbeitenden Personen keinen Weg in den ersten Arbeitsmarkt und der stärker hervortretende Fach- und Arbeitskräftemangel in Brandenburg wird auch nicht behoben. Wir GRÜNE haben hierzu einen Änderungsantrag gestellt. Wir tun dies unter der Maßgabe, dass die begonnenen Stellen im Programm „Arbeit für Brandenburg" auskömmlich für den avisierten Zeitraum finanziert werden. Die überzählige Summe in Höhe von 3 Mio. soll der Globalen Minderausgabe zugeführt werden. Denn, wie wir mehrfach dargelegt haben, Brandenburg könnte schon 2012 ohne neue Schulden auskommen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein anderes Thema ansprechen. Brandenburg erwartet einen Fach- und Arbeitskräftemangel aufgrund der demografischen Entwicklung im Pflegebereich. Hier fehlen uns ca. 2000 Fachkräfte allein für die Pflegeeinrichtungen. Auch im Krankenhausbereich fehlen Fachkräfte. Wir brauchen zukünftig verstärkt auch akademisch gebildete Pflegekräfte.

Das Problem, dass wir endlich Studiengänge für Pflegepädagogik, Pflegewissenschaft und Pflegemanagement einrichten müssen ist längst erkannt, erheblicher Bedarf dokumentiert, durchaus wichtige Vorarbeiten sind geleistet, Konzepte liegen in der Schublade, ein fast einstimmiger politischer Beschluss des Landtages liegt vor, aber jetzt wird – wie es so schön heißt - erst „im Doppelhaushalt 2013/2014 eine Lösung gefunden werden müssen." Bis da akademisch gebildete Pflegefachkräfte ausgebildet sind, ist die Dekade vorbei. Sie fehlen aber bereits heute. Das alles wissen wir nicht erst seit vorgestern. Da möchte man doch unserer Landesregierung mal ein kräftiges „Guten Morgen" a la Baaske entgegenschmettern. Diese Politik ist nicht mehr schlafmützig, sie ist fahrlässig.

Ich möchte noch auf die Bereiche Behindertenpolitisches Maßnahmenpaket und auf die Frauenpolitik eingehen.

Sie werden sagen, als Opposition müssen wir immer kritisieren, dazu sind wir in der Opposition. Aber nicht nur wir GRÜNE kritisieren die Absetzung des behindertenpolitischen Maßnahmenpakets, die uns zumindest eine Diskussion vorab über die finanziellen Festlegungen ermöglicht hätten. Wir sind nämlich schon im dritten Jahr nach der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Es ist schon peinlich, dass wenige Tage vor der Vorstellung des behindertenpolitischen Maßnahmenpaketes bekannt wurde, dass der wesentliche Bestandteil – nämlich die seit langem versprochene Novelle des brandenburgischen Behindertengleichstellungsgesetzes – frühestens im Frühjahr 2012 in die Beratungen des Landtages eingebracht wird.

Der Arbeitsmarkt für erwerbslose Menschen mit Schwerbehinderung in Brandenburg umfasste im Juni 2011 7.411 Personen, 5.181 Personen sind über 45 Jahre alt. Für sie will die Landesergierung ergänzende Mittel der Ausgleichabgabe nutzen, um ältere und arbeitssuchende Menschen mit Behinderung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Soweit, so gut.

Ausbildungswillige junge Menschen mit Behinderung sollen nach Möglichkeit einen betrieblichen Ausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen erhalten. Die Ausbildung erfolgt gegenwärtig fast vollständig über geförderte Ausbildungen in außerbetrieblichen Maßnahmen. Das ist ja wohl nicht das, was man sich unter Inklusion in den Arbeitsmarkt vorstellen kann, wenn außerbetriebliche Maßnahmen genutzt werden, und die Ausbildung in seperaten Integrationsprojekten erfolgt, z. B. in einer WfbM- das ist die Abkürzung für eine „Werkstatt für behinderte Menschen". Hier bleibt also alles beim Alten, hier wurde noch nicht mal der Name entsprechend inklusiv angepasst!

Das behindertenpolitische Maßnahmenpaket ist eine Mogelpackung und sie enthält wenig Substanz. Zweidrittel des Paketes beschreiben Maßnahmen, die die Verwaltung in den letzten zwei Jahren bereits ausgeführt hat. Darüber hinaus ist für einen großen Teil des Paketes die Finanzierung nicht gesichert. Haushaltsvorbehalte sind hier besonders problematisch, weil die Landesregierung die Gewährung der Rechte nicht nach Kassenlage vornehmen kann! Da müssen bestimmt noch viele Barrieren in den Köpfen verschwinden, damit Menschen mit Behinderungen ihre Recht auf Teilhabe und Mitsprache am Arbeitsmarkt wahrnehmen können.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Gerade in der Sozialpolitik wird von den verantwortlichen Politikern und Politikerinnen ein hohes Maß an Verantwortung und auch Rückrat erwartet. „Flagge zeigen", sozusagen. Das „Flagge zeigen" hier in diesem Landtag ist am 25.11., dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, auf beschämende Art schiefgegangen.

Fakt ist aber, dass jährlich bundesweit 40.000 Frauen in Frauenhäuser fliehen müssen. Frauenhäuser bieten schnelle, unbürokratische und direkte Hilfe für misshandelte Frauen. Frauenhäuser sind nach wie vor unersetzlich! Vor allem für Frauen mit Migrationshintergrund sind sie oft der einzige Ausweg, um der Gewalt zu entkommen. Kürzungen an dieser Stelle sind Sparmaßnahmen an der körperlichen Unversehrtheit von Frauen und auch ihrer Kinder. Häusliche Gewalt ist die häufigste Ursache von Verletzungen an Frauen. Dabei spielen Bildung, das Einkommen, Alter oder Religion der Opfer keine Rolle, sie sind bedeutungslos! Zu oft werden diese Gewalttaten von der Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis genommen. Die Öffentlichkeit ist dann betroffen über „Familientragödien"!

Brandenburg hat 23 Frauenhäuser, in denen 590 Frauen und 570 Kinder im Jahr 2010 aufgenommen wurden. In Brandenburg gab es im Jahr 2010 2856 Fälle häuslicher Gewalt (hier sind gezählt: Polizeieinsätze!). Das bedeutet eine Steigerung der Fälle häuslicher Gewalt um 13,3% gegenüber 2009. 2009 gab es 2520 Fälle häuslicher Gewalt. Wobei es sich bei den erfassten Polizeieinsätzen nur um die Spitze des Eisbergs handelt.

Aus diesen Gründen haben wir GRÜNEN – wie sagt man so schön in der Vorweihnachtszeit: alle Jahr wieder! - den Antrag auf Erhöhung der Förderung der Frauenhäuser erneut gestellt. Die Zuweisungen für Frauenhäuser blieben seit 2004 trotz Kostensteigerungen und ausgeweiteter Beratungstätigkeit konstant. Steigende Ausgaben mussten aus dem Mittelbestand der einzelnen Frauenhäuser finanziert werden. Die Konsequenzen tragen die einzelnen Mitarbeiterinnen, die Träger und die von Gewalt betroffenen Frauen und ihre Kinder!

Ein weiterer Antrag zielte auf die auskömmliche Finanzierung der frauen- und familienpolitischen landesweiten Verbände ab. Die Beschäftigten bekamen seit 1998 bei den Personalkosten ebenfalls keine tarifliche Anpassungen und sind erheblich unterfinanziert.

Eine Kleine Anfrage der Oppositionsfraktionen sollte die notwendigen Daten für die Tarifsteigerungen in der Verbändeförderung des Landes klären. Leider konnte uns die Landesregierung auch nach zweimaliger Verlängerung die Zahlen weder im November noch zum 8. Dezember liefern. Sie kommen voraussichtlich kurz vor Weihnachten, wenn die Haushaltsberatungen auf jeden Fall abgeschlossen sind und die Tarifsteigerungen für 2012 ausbleiben. Das ist eine schöne Bescherung!