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Ursula Nonnemacher spricht zum Zwischenbericht zum Stand der Umsetzung der Polizeistrukturreform

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- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Anrede,

am 16.12.2010 hat dieser Landtag das Polizeireformstrukturgesetz „Polizei 2020“ angenommen. Um nach erbitterten landesweiten Diskussionen über mehr als ein Jahr die bittere Pille etwas zu versüßen, haben uns die Koalitionsfraktionen dazu den Entschließungsantrag „Sicher leben in unserem Land –Maßgaben für eine Polizei Brandenburg 2020“ quasi als Trostpflaster verpasst. Danach soll u.a.:

  • die Polizeipräsenz in der Fläche des Landes aufrecht erhalten werden
  • Streifendienst in bisherigem Umfang gewährleistet werden
  • Interventionszeiten sich nicht verschlechtern
  • Alle Einsatzaufgaben der Schutz- und Kriminalpolizei zeitnah und effektiv bewältigt werden
  • die Kriminalitätsbekämpfung auf bisherigem Niveau gesichert
  • auf kriminalpolizeiliche Herausforderungen im grenznahen Raum reagiert
  • weiterhin spezielle Präventions und Beratungsarbeit geleistet
  • die kriminalistische Aus- und Fortbildung intensiviert und
  • das gesamte Meldewesen 2011 hinsichtlich Effizienz evaluiert werden.

Dieser Entschließung verdanken wir auch den vorliegenden Zwischenbericht, der uns keine Antworten gibt. Man hat den Eindruck, die im Bericht der Aufbaustäbe von März 2011 und im Bericht zum Stand des Behördenaufbaus vom Mai 2011 verwendeten Textbausteine wurden mit dem Zufallsgenerator neu gemischt – Organigramme und Standortskizze inklusive. Der Erkenntniszuwachs liegt unterhalb der Nachweisgrenze.

Was hat denn z.B. die Evaluation der Effizienz des Melde- und Berichtswesens ergeben? Bezüglich der Liegenschaften heißt es im Bericht an den Innenausschuss von Mai 2011: „Im Rahmen der Neuorganisation wurden die Auswirkungen auf die durch die Polizei genutzten Liegenschaften bestimmt und ein erstes Liegenschaftsentwicklungskonzept erarbeitet.“ Jetzt lesen wir (Zitat): „Die Auswirkungen der Neuorganisation auf die Unterbringung der Polizeidienststellen wurde mit untersucht und ein erstes Liegenschaftskonzept erarbeitet.“ Da sind Abstimmungsverfahren eingeleitet oder es zeichnen sich erste Lösungsansätze ab, bei der Prävention werden Multiplikatoren außerhalb der Polizei wichtiger werden, ZENTRAB ist noch immer im Projektstadium und die Reviere müssen besser sicherheitstechnisch ausgestattet werden. Nein, diesen Bericht als Pflichtübung hätten wir uns sparen können!

Dr. Scharfenberg hat in seiner Haushaltsrede zum Einzelplan 03 letzten Monat daraufhingewiesen, dass die Reform aufmerksam begleitet, Fehlentwicklungen erkannt und ggf nachzusteuern sei. Die öffentliche Sicherheit müsse landesweit gewährleistet sein. Wenn jetzt – wie wir gestern in der aktuellen Stunde diskutiert haben – drei Einsatzhundertschaften für drei Monate in die Grenzregion geschickt werden, um den Ermittlungsdruck zu erhöhen, so könnte man dies gerade als Indiz dafür werten, dass die normale Kriminalitätsbekämpfung nicht mehr auf bisherigem Niveau gesichert werden kann. Dass man den kriminalpolizeilichen Herausforderungen nicht mehr gewachsen ist. Die Kräfte, die dort eingesetzt werden, stehen anderweitig nicht zu Verfügung, gerade für außergewöhnliche Lagen. In diesem Zusammenhang beunruhigt mich besonders, dass die Neonaziszene in Brandenburg wieder Aktionen angekündigt hat: so sind jetzt schon Kundgebungen in Cottbus, Frankfurt/Oder, Nauen und Wittstock angemeldet. Es könnten noch mehr werden. Fragen werfen für uns auch weiterhin die Vorkommnisse und Ausschreitungen am Rande eines Hallenfußballtuniers am 27.12. in Frankfurt/Oder auf. Dort wurden Anhänger des Berliner Vereins Tennis Borussia von Hooligans aus dem Umfeld von FFC Viktoria 91 antisemitisch beschimpft und bedroht. Entsprechende Befürchtungen waren vorher von der „Ermittlungsgruppe Hooligans“ der Berliner Polizei geäußert worden. Über Umfang und Schnelligkeit der Polizeipräsenz gehen die Angaben von Betroffenen und Polizeiführung auseinander.

Ohne diesen Vorfall dramatisieren zu wollen, muss aber anhand solcher Vorkommnisse immer geprüft werden, ob Polizeipräsenz und Interventionszeiten angemessen sind. Zumal es sich hier um eine Lage mit Voransage und nicht um ein völlig überraschendes Ereignis gehandelt hat.

Weitere Zwischenberichte zur Umsetzung der Polizeistrukturreform sollten sich mehr an der Frage orientieren, ob die sich erneuernden Strukturen ihren Aufgaben gerecht werden.Wir wollen wissen, ob in den Bereichen der organisierten Kriminalität, der Internetkriminalität, der Jugend- und Rockerkriminalität noch ordentlich ermittelt wird und wie die Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften läuft. Die Aussage, dass sich vereinzelt Lösungsansätze abzeichnen, bietet keine Grundlage zum Gegensteuern.