- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
Die Französische Revolution gilt als der Durchbruch der Ideen der Aufklärung in Europa. Am 26.8.1789 formulierte die französische Nationalversammlung erstmals auf unserem Kontinent die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Aber „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ hatte einen entscheidenden Haken – die Schwestern, die Frauen waren von den Menschenrechten ausgeschlossen. Olympe de Gouges formulierte daraufhin eine Erklärung der „Rechte der Frau und Bürgerin“ – sie landete 1793 unter dem Fallbeil, den Frauen wurde Schweigen empfohlen.
Auch die 1848er-Revolution in Deutschland schloss Frauen kategorisch aus. In der Paulskirche in Frankfurt versammelten sich keine Frauen. 85% der Männer über 25 erhielten – abhängig von ihrer Klassenzugehörigkeit –das Wahlrecht, Frauenwahlrecht wurde nicht mal thematisiert. „Wo sie das Volk meinen, zählen die Frauen nicht mit“, klagte die Schriftstellerin Louise Otto. Weitere 70 Jahre mussten die Frauen hart um das Frauenwahlrecht kämpfen, wobei ihnen die preußischen Vereinsgesetze jegliche politische Betätigung untersagte; sie konnten sich nur in Bildungs- und Wohltätigkeitszirkel engagieren. Sie durften nicht mal in Zeitungen schreiben, der Zugang zu einem Studium blieb ihnen bis 1908 verwehrt. Als erste Partei forderte die SPD in ihrem Programm 1891 das Frauenwahlrecht. Es kam dann im Rahmen der Novemberrevolution 1918 als allgemeines, gleiches, geheimes, aktives und passives Wahlrecht für alle Männer und Frauen über 21 Jahren. Bei der Konstituierung der Weimarer Nationalversammlung äußerte Marie Juchacz, die Frauen schuldeten für eine Selbstverständlichkeit keinen Dank. Sie hätten endlich erhalten, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden war. Die Wahlbeteiligung bei Frauen lag im Januar 1919 bei 82% - es zogen 37 Frauen entsprechend etwa 9% ins Parlament ein. Dieser Wert wurde im deutschen Bundestag bis Mitte der achtziger Jahre nicht überschritten. 1972 lag er bei unfassbaren 5,8%! Zur Geschichte von 100 Jahren Frauenwahlrecht gehört auch, dass die Nationalsozialisten 1933 den Frauen faktisch das passive Wahlrecht entzogen und das aktive Wahlrecht in der Diktatur sowieso zur Farce verkam.
Als sich die Frauen zu Beginn des letzten Jahrhunderts allmählich in Richtung Parteien aufmachten, mussten sie die enttäuschende Erfahrung machen, dass ihre Mitarbeit meist weder vorgesehen noch erwünscht war. Wenn es 155 Jahre gedauert hat, bis mit Andrea Nahles eine Frau Vorsitzende der Partei werden wird, die sich seit August Bebel am meisten um das Frauenwahlrecht verdient gemacht hat, dann weiß man, was strukturelle Benachteiligung von Frauen in unserem Parteiensystem bedeutet! Rechte sind das eine, ihre tatsächliche Durchsetzung das andere! Nach hundert Jahren Frauenwahlrecht sollte man doch meinen, dass der Anteil an Parlamentarierinnen und Amtsträgerinnen in etwa dem Anteil der Frauen an der Bevölkerung entsprechen müsste? Weit gefehlt. Zwar gab es seit den neunziger Jahren – ausgelöst durch das grüne Frauenstatut von 1986 mit zwingender Mindestparität für Frauen und den folgenden Quotenregelungen anderer Parteien – einen gewissen Schub, aber über ein gutes Drittel Frauen in unseren Parlamenten sind wir nie hinausgekommen. Auch in Brandenburg ist der Anteil seit der 4. Wahlperiode wieder kontinuierlich rückläufig. Die Wahlbeteiligung von Frauen und Männern unterscheidet sich so gut wie nicht. Frauen haben aber durch ihre immer noch bestehende Mehrfachbelastung durch Beruf, Erziehungs- Pflege- und Hausarbeit weniger Ressourcen für politische Betätigung. Da muss aktiv gegengesteuert werden. Am entscheidendsten ist aber die immer noch stark männerdominierte Kultur unserer Parteien. Parteien, die keine Frauen als Kandidatinnen aufstellen verhindern, dass Frauen in unsere Parlamente gewählt werden. Das ist der Flaschenhals! Ohne paritätisch besetzte Parlamente und wirksame Gesetze, die Gleichberechtigung gewährleisten, gibt es keine gleichberechtigte Gesellschaft. Nur Gesetze schaffen Gleichberechtigung, nicht Absichtserklärungen! Und deshalb ist es hohe Zeit für ein Paritegesetz für Brandenburg.