- Es gilt das gesprochene Wort !
Anrede!
Ich glaube, uns alle hier in diesem Parlament eint der Wunsch, dass wir einen pöbelnden Haufen wie die NPD gerne schnellstmöglich los wären: keine rassistischen Hasstiraden in deutschen Landtagen mehr, kein Holocaust-Leugnen, keine Aufmärsche und Heldengedenken, kein Antisemitismus finanziert durch öffentliche Gelder und geschützt durch das Parteienprivileg, die Demonstrations- und Meinungsfreiheit. Ja, der Ausspruch „Keine demokratischen Freiheitsrechte für die Feinde der Demokratie“ ist Balsam für die vom braunen Mob geschundene Seele, problematisch bleibt er trotzdem. Auch die Sprüche von der wehrhaften Demokratie haben einen schalen Beigeschmack. Es ist in einem demokratischen Rechtsstaat kein Zeichen von Stärke, demokratische Rechte einzuschränken und das scharfe Schwert eines Parteienverbots mag als ultima ratio legitim sein. Die Demokratie wird durch ein solches Verbotsverfahren aber definitiv nicht gestärkt, sondern sie muss schon deutlich geschwächt sein – oder diese Schwäche zumindest empfinden – wenn sie zu diesen Maßnahmen greift.
Der von den Innenministern der Ländern erzwungene und von den Ministerpräsidenten bestätigte Beschluss auf ein neues NPD-Verbotsverfahren ruft bei mir vorwiegend Skepsis hervor. Die beiden einzigen Parteiverbote in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1952 und 1956 liegen lange zurück. Die Anforderungen an ein Parteienverbot waren damals hoch, sie sind durch die Geschichte des vergangenen halben Jahrhunderts in einer gefestigten Demokratie, durch das gescheiterte NPD-Verbot von 2003 und durch die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschen-rechte noch ungleich höher geworden. Eine Neuauflage des Verbotsverfahrens hat zwei Dimensionen:
1.eine juristische und 2. eine politische.
Die juristische lässt sich nochmals untergliedern in folgende Teilfragen:
stammt das vorgelegte Material wirklich belastbar nicht von V-Leuten?
hat das Material die Qualität, die aktiv kämpferische und aggressive Beseitigung unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung durch die NPD zu belegen?
und hält es – die ersten beiden Annahmen als erfüllt vorausgesetzt - einer Revision vor dem europäischen Gerichtshof stand, wenn es zu beweisen gilt, dass eine Partei, die noch nie in den Bundestag eingezogen ist und in den letzten Wahlen weniger als 1% der Stimmen errungen hat, eine virulente Gefahr für unseren Staat darstellt?
Der Journalist Heinrich Wefing hat dies schön auf den Punkt gebracht:
„Die NPD ist ekelhaft, aber keine Gefahr für Deutschland.“
Dass das gesammelte Material garantiert nicht quellenverseucht ist, dafür wollen sich nicht mal unsere Innenminister aus dem Fenster lehnen. Sie schicken ihre Behörden- und Abteilungsleiter zum Testieren vor, die im Falle unliebsamer Überraschungen dann einen Karriereknick zu verkraften haben. Wir denken ans Aktenschreddern in Berlin!
Schauen wir uns die politische Dimension an! Die NPD-Mitgliederzahlen sind von 7200 in 2008 auf etwa 5900 Mitglieder rückläufig, von denen etwa die Hälfte aktiv oder aktivierbar ist. Die Partei ist heillos zerstritten, hat bei Wahlergebnissen zuletzt in NRW von 0,5% auch keinen kräftigen Schluck aus der Parteienfinanzierungspulle nehmen können und steht vor der Pleite, weil sie wegen falscher Abrechnungen Millionen zurückzahlen muss. Die NPD hat kürzlich beim Bundesverfassungsgericht selber einen Antrag auf Überprüfung ihrer Verfassungstreue eingebracht. Sie wartet bei dahinsiechenden Umfragewerten förmlich darauf, sich in den nächsten Wahlen zum Märtyrer zu stilisieren und damit interessant machen zu können. Die NPD als Opfer der Systemparteien, welch ein Angebot an den Protestwähler mit diffus rechtspopulistischem Weltbild! Müssen wir einer Partei, die nicht den Hauch einer Chance hat in Niedersachsen, Hessen, Bayern oder gar im Bund ins Parlament einzuziehen, eine solche Bühne verschaffen? Und müssen wir ihr im Falle eines gescheiterten Verbotsverfahrens den Triumpf gönnen, sich noch eine gerichtsfeste Unbedenklichkeitsbescheinigung verschafft zu haben?
Durch ein NPD-Verbot rotten wir nicht den Alltagsrassismus in unserer Gesellschaft aus, den die Studien von Heitmeyer und der Friedrich-Ebert-Stiftung so eindrucksvoll belegt haben. Wir vertreiben nicht die militanten Kameradschaften und Autonomen, die sich ständig neu formieren und wir verhindern auch nicht die ärgerliche Verschwendung von Steuermittel zur Finanzierung des braunen Sumpfs. Denn schon stehen neue Parteien wie „Die Rechte“ als Auffangbecken bereit oder sie wären im Nu gegründet.
Ich finde es gut, dass die Bundesregierung und vor allem der Bundestag das Material erst einmal eingehend prüfen will – für uns GRÜNE eine unverzichtbare Forderung, Es sollte abgewogen, statt überhastet auf den fahrenden Zug aufgesprungen werden. Um die Stärkung unserer Demokratie kann sich dieser Landtag besser anders kümmern, nämlich indem er z.B. das Votum von über 100.000 Menschen zum Nachtflugverbot ernst nimmt.