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Ursula Nonnemacher spricht zur Polizeilichen Kriminalstatistik

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Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede!

„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben darunter verborgen ...“ textete Reinhard Mey vor vielen Jahren. Hier unten unter den Wolken gibt es aber weder grenzenlose Freiheit noch grenzenlose Sicherheit, wie sie im Antrag der FDP zur Aktuellen Stunde adressiert wird. Und so beschäftigen wir uns jedes Jahr mit den Sorgen und Ängsten in Bezug auf die Brandenburger Kriminalitätsentwicklung.


Sorgen und Ängste sind ebenso wie Sicherheit und Kriminalität Begrifflichkeiten, die sich schwer objektivieren und schwer messen lassen. Für die Kriminalität verwenden wir die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik (PKS), wohl wissend, dass ihre Aussagekraft Grenzen hat. Trotzdem müssen wir einmal zur Kenntnis nehmen, dass die Zahl der Straftaten 1994 bei 328.499 und 2012 bei 195.146 lag. Die Kriminalitätshäufigkeitszahl ist dementsprechend von fast 13.000/100.000 auf 7819/100000 in 2012 gesunken. Dies ist vergleichbar mit den Zahlen in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, leider aber für ein Flächenland immer noch kein guter Wert. Wenn wir diese lineare Abnahme der Kriminalitätsbelastung in den letzten 18 Jahren anschauen und uns die Zahlen der Stellenentwicklung bei der Polizei anschauen, so machen wir ebenfalls eine interessante Beobachtung: das Absinken der Kriminalität war von einem parallelen kontinuierlichen Stellenabbau begleitet. Von 1999-2012 sank die Stellenzahl von 10.306 auf jetzt gut 8500 zum 1.1.2013, dem Datum ab dem die Personalreduktion durch die rot-rote Polizeistrukturreform 2020 erst einsetzt. Ich will damit diese Reform nicht verteidigen: auch wir Grünen haben die Zielzahl 7000 und das Standortkonzept hart kritisiert und begrüßen, dass doch erhebliche Modifizierungen an den ursprünglichen Überlegungen vorgenommen wurden. Es kann aber auch nicht akzeptiert werden, dass extrem simplifizierende Korrelationen zwischen Stellenzahl und Kriminalitätsentwicklung gebetsmühlenartig wiederholt werden – sonst hätten wir in den letzten 18 Jahren einen stetigen Stellenaufwuchs haben müssen.


Unzutreffend ist auch die Aussage im FDP-Antrag, Brandenburg sei durch Eigentumsdelikte überdurchschnittlich belastet. Diebstahldelikte machten in den neunziger Jahren 60% der gesamten Straftaten aus, jetzt 40,9%; absolut kam es zu einem Rückgang von etwa 210.000 auf 80.000 Fälle. Speziell die Einbruchshäufigkeit liegt unter dem bundesdeutschen Schnitt.
Wir haben in Brandenburg – und dies auch nicht erst in den letzten Jahren – aber zwei Problembereiche: einerseits die deutlich höhere Kriminalitätsbelastung in der Grenzregion zur Republik Polen und die im engeren Verflechtungsraum. Letztere erklärt sich durch die generelle Korrelation von Kriminalität und Bevölkerungsdichte, speziell aber durch die enge Verbindung mit der Metropole Berlin. Auch dort haben die Fallzahlen stark zugenommen. Bei der in den letzten beiden Jahren sehr im Focus stehenden Grenzkriminalität konnten durch massiven Einsatz glücklicherweise erste Erfolge erzielt werden – insbesondere bei Diebstählen rund ums KFZ und auch bei landwirtschaftlichen Maschinen. Dass die grottenschlechte Aufklärungsquote in der Grenzregion um über 5 Prozentpunkte gesteigert werden konnte, ist ebenfalls ein Silberstreifen am Horizont.
Dafür rückt jetzt der andere hotspot – der Speckgürtel – stärker in den Focus. Die Steigerung der Wohnungs- und Hauseinbrüche um 17% ist eklatant und eine zusätzliche Herausforderung. Ebenso wie in der Grenzregion nachhaltige polizeiliche Ermittlungsarbeit und Kooperation mit den polnischen Nachbarn der richtige Weg ist, so muss auch die Einbruchskriminalität im engeren Verflechtungsraum gemeinsam mit Berlin angegangen werden. Die professionalisierten Diebesbanden sind die selben und kümmern sich nicht um Landesgrenzen. Die schon seit 2005 bestehende gemeinsame Ermittlungsarbeit sollte verstärkt werden.

Die PKS 2012 bietet wie jedes Jahr Licht und Schatten, eine nach Delikten und Regionen differenzierte Betrachtung tut not. Dass sich die besorgniserregend niedrige Aufklärungsquote von 2011 etwas erholen konnte und die Straftaten insgesamt leicht rückläufig sind könnte ein Indiz dafür sein, dass das Chaos der Umstrukturierung überwunden und die neuen Strukturen arbeitsfähig sind. Verlassen sollte man sich darauf nicht. Die Tendenz der PKS 2013 und vor allem die Evaluierung 2014 wird zeigen, ob nicht noch weitere erhebliche Kurskorrekturen an der Polizeistrukturreform vorgenommen werden müssen. Grenzenlose Sicherheit können wir aber niemanden versprechen – und sollten auch in Wahljahren der Versuchung widerstehen, es zu tun!