- Es gilt das gesprochene Wort ! -
Anrede!
Was ist seit der Debatte des 2. Berichtes der Landesregierung zum Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg" vor knapp einem Jahr in Puncto Rechtsextremismus nicht alles geschehen!
Wir blicken zurück auf die Neonaziaufmärsche in Neuruppin am 9. Juli und am 24. September 2011, der wegen des damit verbundenen Polizeieinsatzes nachhaltig für Diskussionen in Brandenburg sorgte. Kurz nachdem die Bundesrepublik Deutschland Anfang November mit der unfassbaren Mordserie der Zwickauer Terrorzelle „NSU" konfrontiert wurde, fand in der geplagten Fontanestadt der Bundesparteitag der NPD statt, begleitet von einem weiten Medienecho und einem breiten Protest. Völlig ohne Medienecho oder Reaktion der vielbeschworenen Zivilgesellschaft hielt die NPD nur wenig später quasi klammheimlich ihren Landesparteitag im uckermärkischen Grünow ab. Ein rühriger und bis in die Mitte der Gesellschaft akzeptierter NPD-Kreisvorsitzender und gute Kontakte aus alten NVA Tagen hatten es möglich gemacht! Dass über die Versammlung von 70 bis 80 vorwiegend männlichen und ortsfremden Gästen im Wirtshaus einer kleinen Ortschaft nichts offiziell bekannt wurde, wirft ein Schlaglicht auf die Probleme, mit denen das Netzwerk zur Umsetzung des „Toleranten Brandenburg" zu kämpfen hat.
Das Jahr 2012 war bisher begleitet von einer Vielzahl von Kundgebungen der Rechtsextremisten: Zossen am 27. Januar zum Gedenktag der Opfer des Holocausts, am 15. Februar in Cottbus, am 24. März in Frankfurt/Oder, am 31. März in Brandenburg/Havel, am 14. April mal wieder Neuruppin in Form einer Kundgebung „nationaler Laubenpieper", am 20.4. Nauen, am 1.5. Wittstock und am 12. Mai dann erneut Cottbus. Verbrämt werden die Aufmärsche durch angekündigte Sonnwendfeiern im Barnim, rechtsextreme Konzerte in abgelegenen Immobilien, Kampfsportveranstaltungen mit eindeutigem ideologischen Hintergrund oder den spontanen internetbasierten „Volkstodaktionen" des Portals „Spreelichter".
Die Aufzählung könnte fortgesetzt werden.
Was ziehen wir für Schlussfolgerungen aus dieser deprimierenden Synopsis?
Trotz eines Rückgangs rechtsextremistischer Straftaten im Allgemeinen und Gewaltstraftaten im Besonderen nach der Definition der politisch motivierten Kriminalität und einer schrumpfenden NPD besteht kein Grund zur Entwarnung! Die neonationalsozialistischen Kräfte mit gefestigtem Weltbild und hoher Gewaltbereitschaft wachsen und professionalisieren sich. Die Weiterentwicklung des Handlungskonzeptes und das konsequente Knüpfen des Netzwerkes gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit und für Bildung, Demokratie und Integration ist weiterhin dringend angesagt. Sie bleibt auf der politischen Agenda der nächsten Jahre. Dass das Netzwerk einige neue Maschen bekommen hat – ich denke an die Kooperationspartner Landfrauenverband, Arbeitslosenverband, Frauenpolitischer Rat oder Verkehrsverbund – ist erfreulich. Dass das Netzwerk fester und straffer geworden ist, etwa durch die neuen Lokalen Aktionspläne im Süden unseres Landes, in Cottbus und im Landkreis Spree-Neiße, ist ebenso ermutigend. Wir müssen aber darauf achten, dass das Netz mit Leben erfüllt ist und bleibt. Bei den vielen Projekten und Aktivitäten , die in Bericht aufgeführt sind mit beeindruckenden Akronymen wie DEM-TRA-BE, PEELA oder Empa , beschleicht mich manchmal ein Missbehagen, ob dadurch nicht mehr Aktivität vorgetäuscht wird als wirklich vorhanden. Wenn an einer Schule, die den Titel „Schule gegen Rassismus – Schule mit Courage" führt Mitarbeiter des Jüdischen Museums antisemitisch beschimpft werden, dann begnügt man sich offenbar mit dem Etikett, ohne den Inhalt zu verstetigen.
Das leitet über zur vielgelobten Zivilgesellschaft. Martin Osinski vom Aktionsbündnis „Neuruppin bleibt bunt" hat auf einer vielbeachteten Veranstaltung im Verfassungsgericht am 19.4.12 seinen Redebeitrag unter den provokanten Titel gestellt: „Zivilgesellschaft – jedermanns Liebling oder jedermanns Depp?" Wir wissen: da wo sich Rechtsextremismus halten und ausbreiten kann, ist die sogenannte Zivilgesellschaft schwach. Das zarte Pflänzchen von demokratischem Engagement und politischer Kultur zu pflegen und zu fördern, muss immer unser vorrangigstes Anliegen sein. Anliegen des Landtages sollte es auch sein der Versuchung zu widerstehen, bestimmte Themen rechtspopulistisch auszuschlachten.
Bei allem Lob und Dank für die zahlreichen Aktivitäten: für ein tolerantes Brandenburg gibt es auch in den nächsten Jahren noch genug zu tun. Bleiben wir dran!