- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
Schon im April 2011 gab unser Antrag „Eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerberinnen und Asylbewerbern im gesamten Land Brandenburg sicherstellen!" den Anstoß für weitere Landtagsbeschlüsse zur Verbesserung der Lebenssituation von Flüchtlingen und für die Mindestbedingungen für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften. Der wegweisende Landtagsbeschluss vom 7. Juni 2012 hatte die Erarbeitung des Unterbringungskonzeptes erbeten und konkrete Vorgaben bezüglich baulicher Voraussetzungen, Verweildauer in Gemeinschaftsunterkünften, Anforderungen an soziale Betreuung und Bedarfe besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge formuliert.
Hinter den Kulissen wurde gearbeitet, mit den kommunalen Spitzenverbänden verhandelt und Verhandlungsspielräume wurden ausgelotet. Der uns vorliegende Bericht fasst den Sachstand folgendermaßen zusammen: „Im Ergebnis dieser Beratungen und nach Auswertung der kommunalen Stellungnahmen ist festzustellen, dass angesichts grundsätzlicher Meinungsverschiedenheiten zu der Zielstellung einer gemeinsamen Unterbringungskonzeption für Flüchtlinge im Land Brandenburg eine Verständigung in dem zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht gefunden werden konnte."
Man kann es auch einfacher ausdrücken: Der vorliegende Bericht ist kein Unterbringungskonzept, sondern eine Dokumentation des Scheiterns.
Die Vorgaben des Landtags wurden weitgehend vertagt, umgangen oder einfach nicht beachtet. Das langfristige Ziel und Leitmotiv des Landtagsbeschlusses, Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen, wird in keiner Weise angemessen mit konkreten Konzepten unterfüttert. Die Gemeinschaftsunterkünfte ohne Privatsphäre bleiben bestehen! Bauliche Voraussetzungen und die Mindestausstattung hinsichtlich des speziellen Wohn-, Beratungs- und Betreuungsbedarfs werden nicht erkennbar verbessert!
In dem Zeitraum von 1997 bis 2013 hat sich in Brandenburg der Anteil von in Wohnungen untergebrachten Flüchtlingen von 10% auf 38,7% erhöht. Damit liegt Brandenburg im Ländervergleich aber immer noch im unteren Drittel. Auch der Vergleich zwischen den Kommunen in Brandenburg mit Wohnungsunterbringungsraten zwischen 12% und 100% zeigt, dass der große Spielraum der bundesgesetzlichen Vorgaben des § 53 AsylVfG höchst unterschiedlich genutzt wird. Dabei weisen Erfahrungen einzelner Kommunen und anderer Länder immer wieder darauf hin, dass Wohnungsunterbringung vielfach kostengünstiger als eine vergleichbare Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften sein kann. Zumindest entfallen die sehr beträchtlichen Bewachungskosten der Heime bei dezentraler Unterbringung, während bei der sozialen Betreuung von zunehmenden Bedarfen auszugehen ist.
Der Bericht benennt auch sehr klar die problematischen Fehlanreize, die nach dem Landesaufnahmegesetz die Schaffung von Gemeinschaftsunterkünften mit 2.300,83 Euro pro Platz begünstigt, die Förderung von Wohnungen aber nicht zulässt. Dies gilt es dringend zu ändern. Außerdem müssen sich veränderte Betreuungs- und Beratungsstrukturen und die Reduzierung von Bewachungskosten im Kostenerstattungssystem widerspiegeln. Damit würde auch den berechtigten Forderungen der Kommunen nachgekommen, denn selbstverständlich können verbesserte Standards auch Mehrkosten verursachen, die dann konnexitätsrelevant sind.
Aber die gesetzlichen Regelungen sollen jetzt erst zu Beginn der nächsten Wahlperiode –also nicht vor 2015 – vorgelegt werden. Für die dringend benötigten Sprachkurse wird die Verwendung von ESF-Geldern geprüft, die geforderte Regelfinanzierung der Beratungsstelle für traumatisierte Flüchtlinge hängt in der Luft, die Feststellung der Schutzbedürftigkeit wird einem bald auslaufenden Netzwerk des Europäischen Flüchtlingsfonds überlassen. Keine konkrete Verbesserung der bedrückenden Situation wohin man blickt!
Für das Scheitern der Unterbringungskonzeption nach dem Landtagsbeschluss werden immer die steigenden Flüchtlingszahlen angeführt. Nur zur Erinnerung: Im Jahr 1992 gab es 450.000 Asylanträge in Deutschland, von 2006 bis 2008 nur noch rund 30.000 jährlich. Der Anstieg auf etwa 64.000 im letzten Jahr und die prognostizierten Zahlen für 2013 sind sicher eine Herausforderung, aber eine bewältigbare. Sicher wird es auch etwas Improvisation oder Übergangslösungen geben müssen. Wir dürfen aber die steigenden Flüchtlingszahlen nicht als Ausrede benutzen, überholte integrationsfeindliche Konzepte dauerhaft zu zementieren, sondern in die richtige Richtung gegensteuern. Und das kann nicht bis 2015 warten!