(Nr. 93) Zur Debatte über die Entwicklung der brandenburgischen Landwirtschaft in der heutigen Sitzung der Enquetekommission „Aufarbeitung" nehmen die Mitglieder der Enquetekommission AXEL VOGEL (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und LINDA TEUTEBERG (FDP) wie folgt Stellung:
Der heute präsentierte Befund ist verheerend: Der Großteil der Brandenburger Bauern, die in der DDR (zwangs)kollektiviert wurden und nach 1990 wieder einen eigenen Betrieb aufbauen oder sich ihre Anteile auszahlen lassen wollten, wurde rechtswidrig mit viel zu niedrigen Abfindungen abgespeist und von Politik und Verwaltung alleine gelassen.
Mindestens zwei Drittel der Vermögensauseinandersetzungen bei den LPG war fehlerhaft, so die vielbeachtete Einschätzung des Juristen und Verfassungsrichters Prof. Dr. WALTER BAYER. Fast elf Prozent der LPG-Umwandlungen in Brandenburg wiesen so schwere Mängel auf, dass sie trotz Registereintragung unwirksam sind. BAYER kritisierte das „eklatante Versagen auf allen Ebenen" in den 90er Jahren, in den LPG-Leitungen genauso wie in den Registergerichten und den Verwaltungen.
Seit 2003 hat die Landesregierung eine Studie im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft ignoriert, nach der der Großteil der LPG-Umwandlungen fehlerhaft war. Passiert ist seitdem nichts, wie die heutige Anhörung der Enquetekommission gezeigt hat: „Statt die Betroffenen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen, vertritt die Landesregierung bis zum heutigen Tag einseitig die Interessen der aus den LPG hervorgegangenen Großbetriebe", kritisierte AXEL VOGEL. Im Ergebnis ist der Aufbau bäuerlicher Strukturen in der brandenburgischen Landwirtschaft weitgehend stecken geblieben.
Mehr noch: Heute werden in Brandenburg die bundesweit niedrigsten Löhne im Landwirtschaftssektor gezahlt – und das trotz einer flächenbezogenen Landwirtschaftsförderung, die in Großbetrieben besonders kräftig zu Buche schlägt und diese oft zu attraktiven Übernahmekandidaten für außerlandwirtschaftliche Investoren macht.
Die heutige Sitzung der Enquetekommission war nicht nur eine überfällige Geschichtslektion, sondern zugleich eine Aufforderung zu einer zeitgemäßen und ausgewogenen Politik für den ländlichen Raum, so VOGEL und TEUTEBERG.
„Die Politik sollte da, wo es noch möglich ist, die Fehler der Vergangenheit korrigieren. Eine gesellschaftliche Wiedergutmachung ist unabdingbar", sagte LINDA TEUTEBERG.
AXEL VOGEL ergänzte: „Die Landesregierung soll die von Prof. Bayer angeregte Überprüfung der Registereintragungen auf Rechtsfehler bei den LPG-Umwandlungen vornehmen und so das Problem der Scheinrechtsnachfolger abschließend lösen."