(Nr. 115) Die kulturpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, MARIE LUISE VON HALEM, hat sich anlässlich eines Besuchs des Ehrenfriedhofs Zehrensdorf bei Zossen (Teltow-Fläming) mit Grabstätten muslimischer Gefangener sowie einer Ausstellung im Garnisonsmuseum Wünsdorf für einen erweiterten Blick auf historisches Geschehen ausgesprochen.
„Gedenkkultur in Brandenburg sollte möglichst umfassend verstanden werden. Erinnerung und Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus und der SED-Diktatur sind unabdingbar. Der Blick unserer Gedenkkultur sollte sich aber auch auf die Zeit davor richten. Auch die Kolonialzeit war geprägt von einem rassistischen und menschenverachtenden Weltbild. Auch in Brandenburg finden sich Relikte dieser Zeit, die wir besser zugänglich machen sollten.“
Die Abgeordnete besuchte am Vortag den Standort der ersten Moschee Deutschlands im ehemaligen Kriegsgefangenenlager „Halbmondlager“ Wünsdorf/Zehrensdorf, in dem während des Ersten Weltkrieg 4.000 muslimische Gefangene aus Indien und Afrika untergebracht wurden. Die Moschee war am 13. Juli 1915 eingeweiht worden. Das Kaiserreich versuchte seinerzeit, die Gefangenen für den ‚Dschihad’ gegen ihre Kolonialherren zu gewinnen. Auf dem Ehrenfriedhof Zehrensdorf befinden sich Grabstätten muslimischer Gefangener aus dem Halbmondlager.
Die Gefangenen des Halbmondlagers dienten den Anthropologen als ‚Anschauungsmaterial’: Es wurden Tonproben fremder Sprachen aufgenommen und Körper vermessen. Der originale Standort dieses Gefangenenlagers lässt heute keine Spuren mehr erkennen, ironischer Weise steht an diesem Standort heute ein Erstaufnahmelager für Flüchtlinge. Im Rahmen von archäologischen Grabungen im Vorfeld des Baus des Erstaufnahmelagers 2015 konnten einige Fundstücke gesichert und der genaue Standort der Moschee ermittelt werden.
DR. THOMAS KERSTING, vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und archäologisches Museum sagte anlässlich des Besuchs der Landtagsabgeordneten: „Wichtig ist, dass die Archäologie in der Lage ist, einen komplett verschwundenen Erinnerungsort wieder in die Wahrnehmung zu heben durch die Überreste, die wir hier gefunden haben. So kann Archäologie auch zum aktuellen Diskurs einen Beitrag leisten.“
Im nahe gelegenen Garnisonsmuseum Wünsdorf ist eine Vielzahl an Objekten aufbewahrt, z. B. von den Gefangenen geschaffenes Kunsthandwerk sowie umfangreiche Fotosammlungen und andere Erinnerungsgegenstände.
„Diese Schätze sollten zusammen mit dem nahe gelegenen indisch-muslimischen Friedhof als Gedenkort aufgearbeitet werden“, sagte MARIE LUISE VON HALEM. „Das bedeutet auch, Besuche von Schülerinnen und Schülern auf die gleiche Art und Weise finanziell zu unterstützen, wie das bei anderen Gedenkorten der Fall ist.“
Unterstützt wird die Abgeordnete mit ihrer Forderung von den Akteuren vor Ort. Der stellvertretende Vereinsvorsitzende vom Förderverein Garnisonsmuseum e.V., DIETER MEIER sagte: „Ich wünsche mir, dass die Politik erkennt, dass der Standort der Moschee einen höheren Stellenwert braucht und wenn sie das erkennt, ist die politische Diskussion zum Thema zu verändern.“