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Hass-Musik aus Brandenburg boomt

(Nr. 116) Neun rechtsextremistische Musikveranstaltungen haben die Sicherheitsbehörden im Jahr 2016 in Brandenburg gezählt, fast fünfmal so viele wie 2015 (laut Verfassungsschutzbericht 2015 zwei). Aufgelöst wurde kein Konzert, aber weitere elf konnte die Polizei verhindern. „Mir ist kein Jahr bekannt, in dem die Polizei bereits im Vorfeld solcher Veranstaltungen derart erfolgreich gehandelt hat“, lobt URSULA NONNEMACHER, innenpolitische Sprecherin der bündnisgrünen Landtagsfraktion. „Ich verstehe allerdings nicht, warum die Landesregierung den deutschlandweiten Boom dieser Hass-Musik nicht erkennt, obwohl gerade Brandenburger Aktivisten daran maßgeblich beteiligt sind.“

Als am 15. Oktober 2016 das vermutlich größte konspirativ organisierte Neonazi-Konzert aller Zeiten stattgefunden hat, kamen drei von sechs Musikformationen aus Brandenburg. Sie spielten vor 5000 bis 6000 Besuchern in der schweizerischen Ortschaft Unterwasser, Veranstalter waren deutsche Rechtsextremisten einer selbst ernannten „Reichsmusikkammer“.

Gleich vier märkische Gruppen beteiligten sich am ersten Juli-Wochenende dieses Jahres an der Neuauflage des „Rock für Deutschland“ in Gera vor gut 800 Rechtsextremisten. Und wenn für den heutigen Samstag, den 15. Juli, beim „Rock gegen Überfremdung“ 5000 Personen in der Thüringer Ortschaft Themar auf dem Grundstück eines (neuerdings angeblich ehemaligen) AfD-Politikers erwartet werden, ist ein Potsdamer Neonazi-Veteran mit dabei – Uwe Menzel, der unter dem vielsagenden Nichtkünstler-Namen „Uwocaust“ auftritt.

Diese Entwicklung nahm die bündnisgrüne Landtagsfraktion zum Anlass, eine Kleine Anfrage zum Thema „Rechtsextremistische Hass-Musik“ zu stellen. Sie wollte von der Landesregierung unter anderem wissen, ob die Polizei alle rechtsextremistischen Konzerte „in Sicht- und Hörweite überwacht“, um Straftaten wie das Spielen volksverhetzender Lieder und verbotene Hitlergrüße überhaupt feststellen zu können. Die Landesregierung wich aus: „Bei den in den Jahren 2016 und 2017 durch die Polizei überwachten Musikveranstaltungen konnten keine strafbaren Handlungen festgestellt werden“ – ob die Art der Überwachung ausreichend war, blieb offen.

Ebenfalls vage blieb die Landesregierung bei der Frage, wie schnell neue Tonträger von Bands oder Produktionsfirmen aus Brandenburg auf strafbare und jugendgefährdende Inhalte geprüft werden – das geschehe „zeitnah“. URSULA NONNEMACHER: „Es ist erfreulich, wie viele CDs mit jugendgefährdenden Liedern das Landeskriminalamt zur Indizierung vorgeschlagen hat. Es ist dabei allerdings wichtig, dass neue CDs umgehend geprüft werden. Wenn das beispielsweise erst drei Monate nach ihrem Erscheinen geschieht, ist das zwar noch ,zeitnah‘, aber die Neonazi-Geschäftsleute haben schon ihren Profit gemacht.“

Einer der aktivsten Produzenten und Händler rechtsextremistischer CDs in Deutschland ist der Brandenburger Sebastian Raack. Sein Label „One People One Struggle Records“ (OPOS Records) firmiert seit Dezember samt Ladengeschäft in Lindenau (Oberspreewald-Lausitz). Welche Umsätze und Gewinne die Szene-Unternehmen machen, kann die Landesregierung nicht einschätzen, auch nicht in einer „ungefähren Größenordnung“ – weil „keine belastbaren Zahlen“ vorlägen.

Die bündnisgrüne Sicherheitspolitikerin NONNEMACHER appelliert deshalb an die Landesregierung, das braune Milieu noch genauer zu beobachten und bei Straftaten konsequent einzuschreiten: „Wenn die rechtsextremistische Musikszene boomt, dann erstarkt die gesamte rechtsextremistische Bewegung. Denn Hass-Musik ist als Mittel zur Nachwuchswerbung konkurrenzlos.“

>> Kleine Anfrage „Rechtsextremistische Hass-Musik“ und Antwort der Landesregierung (pdf-Datei)