(Nr. 96) Zum Bericht der Arbeitsgruppe des Innenministeriums zur automatischen Kennzeichenerfassung (Kesy) nimmt die Vorsitzende der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ursula Nonnemacher, wie folgt Stellung:
„Der Bericht der Arbeitsgruppe bestätigt, dass wir mit unseren Bedenken gegen die exzessive Kennzeichenerfassung auf Brandenburgs Autobahnen richtiglagen. Sonst würden jetzt nicht erste Schritte unternommen, beim Datenschutz der Polizei nachzubessern. Beispielsweise sollen Polizisten künftig auf Fortbildung geschickt und Zugriffsrechte strenger gehandhabt werden. Der Umfang der als erforderlich erachteten Kennzeichenerfassung soll konkreter beschrieben und auf das Löschen der Daten genauer geachtet werden. Dass hier weiterer Handlungsbedarf besteht, zeigt sich auch im Beschluss der Justizminister der Länder, wonach die gesetzlichen Grundlagen für die KFZ-Kennzeichenspeicherung überarbeitet werden sollen.
Der Bericht ist dennoch höchst unbefriedigend. Zwar erfahren wir, das Brandenburgs Polizei rückwirkend Zugriff auf Daten hat, die bereits 2017 erhoben wurden. Wie viele Datensätze sie seitdem gespeichert hat, sagt er aber nicht. Auch bleibt im Dunkeln, welcher Personenkreis im `Aufzeichnungsmodus´ erfasst wird. Beides ist aus unserer Sicht aber entscheidend. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Kennzeichenerfassung als Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung. Es hat in einem Urteil zum Bayerischen Polizeigesetz klargestellt, dass die Bürgerinnen und Bürger sich frei fortbewegen können müssen, ohne dem Staat Rechenschaft abzulegen.* Eine Auseinandersetzung mit dieser zentralen grundrechtlichen Frage findet nur am Rande statt.
Der Einsatz von Kesy mag in Brandenburg grundsätzlich legal sein. Ob der Umfang der Erhebung personenbezogener Daten auch verhältnismäßig ist, bleibt aber weiter offen. Über den tatsächlichen Umfang der Datenerhebung kann man weiterhin nur mutmaßen. Es müsste sich um eine ganz erhebliche Zahl von Datensätzen handeln, da Kesy offenbar an neun Autobahnabschnitten erfolgt und das laut Polizei seit Jahren und im Dauerbetrieb. Beim absoluten Löwenanteil der erhobenen Daten dürfte es sich um Fotos von Nummernschildern unbescholtener Bürgerinnen und Bürger handeln. Ich bin gespannt, zu welchen Ergebnissen nun Brandenburgs Datenschutzbeauftragte kommt, die die Kennzeichenerfassung ebenfalls unter die Lupe nimmt. Ihre Expertise hätte bereits in die Arbeitsgruppe des Innenministeriums einbezogen werden müssen.“
* Bundesverfassungsgericht, Beschl. v. 18.12.2018, Az. 1 BvR 142/15):
'Zur Freiheitlichkeit des Gemeinwesens gehört es, dass sich die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich fortbewegen können, ohne dabei beliebig staatlich registriert zu werden, hinsichtlich ihrer Rechtschaffenheit Rechenschaft ablegen zu müssen und dem Gefühl eines ständigen Überwachtwerdens ausgesetzt zu sein. Jederzeit an jeder Stelle unbemerkt registriert und darauf überprüft werden zu können, ob man auf irgendeiner Fahndungsliste steht oder sonst in einem Datenbestand erfasst ist, wäre damit unvereinbar.'