Im Januar haben wir unseren Antrag „Besonders gefährdete Flüchtlinge in der Erstaufnahme und in den Gemeinschaftsunterkünften stärker schützen“ in den Landtag eingebracht. Damit haben wir uns für eine vollumfängliche Umsetzung der Rechte besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge eingesetzt. Dazu gehören beispielsweise Frauen und Kinder, Menschen mit schweren Gewalterfahrungen, Lesben und Schwule sowie Menschen mit Behinderungen.
Theresa Pauli berät als Gleichstellungs- und Integrationsbeauftragte den Landkreis Potsdam-Mittelmark und setzt sich als Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Ausländer- und Integrationsbeauftragten für bessere Integrationsbedingungen ein. Wir haben mit ihr über die Situation besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge inBrandenburg gesprochen.
Wie wird besonderer Schutzbedarf festgestellt? Wieso ist es wichtig, das zu tun?
Der Schutzbedarf ergibt sich aus den Kriterien der EU-Aufnahmerichtlinie und dem Landesaufnahmegesetz für Kommunen. In der Landeserstaufnahme gibt es aber bisher kein standardisiertes Verfahren, wie Informationen an Kommunen weitergegeben werden. Vor Ort ist aber wichtig zu wissen: Wer kommt mit welcher Behinderung? Ist die Frau schwanger? Das beeinflusst ja idealerweise die Zuweisung. Jemand im Rollstuhl sollte nicht weitab im dritten Stock ohne Lift wohnen.
Inwiefern ist die Unterbringung von geflüchteten Frauen in Gemeinschaftsunterkünften problematisch?
Es kann zu sexuellen bzw. gewalttätigen Übergriffen kommen, insbesondere, wenn Frauen alleine reisen. Das genaue Ausmaß kennen wir nicht, vermuten aber eine hohe Dunkelziffer. Die baulichen Gegebenheiten sind häufig nicht ideal – die Heime wurden letztes Jahr schnell angemietet. Auch können Mädchen – wie auch Jungen – in den Gemeinschaftsküchen Opfer von Übergriffen werden. Kinderschutz und Frauenschutz sind aber bisher noch wenig beachtete Themen in den Unterkünften.
Welche Besonderheiten sind bei der Unterbringung von minderjährigen Geflüchteten in regulären Flüchtlingsunterkünften zu berücksichtigen?
Einige minderjährige Flüchtlinge sind verdeckt unbegleitet, kommen zusammen mit älteren Cousins oder Onkeln. Hier ist es wichtig, schnell festzustellen, in welchen Verwandtschaftsverhältnissen die Personen leben, wer das Sorgerecht neu, auch zeitweise, übernehmen muss. Natürlich sind Erwachsenenwohnheime nicht der richtige Ort für Minderjährige. Deshalb müssen sie – wie unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – gesondert in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht werden.
Was muss in Brandenburg noch verbessert werden?
Woran es in einem Flächenland wie Brandenburg hapert, sind kultursensible Therapieplätze. Nicht nur für die psychotherapeutische Behandlung etwa bei posttraumatischen Belastungsstörungen, sondern auch für Suchttherapien und andere Krankheiten. Hier muss dringend an neuen Modellen gearbeitet werden, z. B. Kooperationen zwischen Berliner Fachstellen und ländlichen Krankenhäusern.