Vielleicht brauchen wir in den Städten bald gar keine Autos mehr zu besitzen, weil autonome Fahrzeuge auf Abruf überall verfügbar sind. Plötzlich haben wir wieder mehr Platz für Parks, und Kinder könnten auf den Straßen spielen – statt des sogenannten ruhenden Verkehrs, der Blechlawinen vor unseren Haustüren.
Auch die Familie unseres Kollegen Benjamin Raschke in ihrem schönen Spreewalddorf braucht vielleicht künftig nicht mehr so viele Autos, weil über Apps Mitfahrgelegenheiten organisiert werden und Sammeltaxis und Rufbusse digital verfügbar sind. LehrerInnen haben vielleicht künftig mehr Zeit, einzelne Kinder individuell zu fördern, weil die anderen SchülerInnen sich in Gruppen je nach Lerngeschwindigkeit mit digitalen Materialien Inhalte selbst erarbeiten können.
Vertretungsunterricht wird so oft als großes Problem beschrien. Vielleicht wird der Vertretungsunterricht künftig landesweit oder vielleicht – noch sinniger! – mit Berlin gemeinsam in Echtzeit über lnternetplattformen organisiert. SchulleiterInnen müssten nicht mehr mühselig Vertretungen herantelefonieren.
Das sind keine Luftschlösser. Wir können so vieles in unserem Leben besser, effizienter und vor allem ressourcenschonender organisieren. Trotzdem sieht das echte Leben in Brandenburg leider anders aus: Der European Digital Progress Report der Europäischen Kommission vom Mai 2016 sieht Deutschland beim Angebot öffentlicher Dienstleistungen auf Platz 20. Brandenburg liegt bei der Breitbandverfügbarkeit mit 57 Prozent der Haushalte mit mindestens 50 MBit auf dem viertletzten Platz im Bundesvergleich.
2012 wollte die Landesregierung noch innerhalb von zwei Jahren 75 Prozent der Haushalte mit 50 MBit erreichen. Vor drei Jahren hat eine internationale Studie untersucht, wie AchtklässlerInnen mit Computern und Informationstechnologien umgehen (ICILS-Studie). Das Ergebnis für Deutschland war so miserabel, dass eine der beteiligten WissenschaftlerInnen beklagte, wir vergeudeten das Potenzial einer ganzen Schülergeneration.
Open Data, also die Veröffentlichung von Verwaltungsdaten in Echtzeit – Daten, deren Sammlung sowieso aus Steuermitteln, also vonder Öffentlichkeit, bezahlt wird –, sollen derselben auch zur Verfügung gestellt werden. Verschiedene Studien errechnen die Wirtschaftlichkeit von Open Data für Deutschland. Sie liegt bei 12 bis 130 Milliarden Euro jährlich. Warum dümpelt dieses Thema hier in Brandenburg seit Jahren? Wir haben immer wieder davon geredet, aber es bewegt sich wenig.
Es gibt Menschen, die sehen die Digitalisierung wie eine Welle auf sich zukommen und denken an den Kauf von Gummistiefeln. Aber so hohe Gummistiefel gibt es gar nicht.
Jetzt hat der Landtag beschlossen, dass die Landesregierung eine strategische Schnittstelle einrichten soll, um eine ressortübergreifende Digitalstrategie zu erstellen. Man kann das gutheißen. Man kann aber auch befürchten, dass damit die Umsetzung all der Vorhaben weiter auf die lange Bank geschoben wird. Wieso jetzt einen Plan umsetzen, wenn erstmal alles strategisch gebündelt werden soll? Das wird wohl wieder Jahre dauern.
Deshalb: Lassen Sie uns nicht an Gummistiefel denken, sondern lieber an ein Surfbrett und es dann mit Erich Kästner halten: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“.