Die hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag, MARIE LUISE VON HALEM, hat der Landesregierung vorgeworfen, Brandenburgs Hochschulen zustehende Bundesmittel des Hochschulpakts 2020 nicht pflichtgemäß an diese weiterzureichen und den Hochschulen darüber hinaus eine globale Minderausgabe von 12 Millionen Euro zuzumuten. In der Summe beliefen sich die den Hochschulen fehlenden Mittel auf 27*** Millionen Euro. Den von der rot-roten Koalition in der vergangenen Woche angekündigten Plan, im Hochschulbereich etwas weniger zu sparen als ursprünglich angekündigt, bezeichnete MARIE LUISE VON HALEM als „Augenwischerei". Die 5 Millionen Euro, die Rot-Rot nun angeblich zusätzlich zur Verfügung stellt, sollen beim Hochschulbau wieder eingespart werden. „In der Summe bringt das gar nichts."
Angesichts der geplanten Kürzungen im Hochschulbereich und der großen Anzahl an Bewerbungen für ein Studium an einer Brandenburgischen Hochschule hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag eine Aktuelle Stunde zu der Thematik für die Plenarsitzung an diesem Mittwoch beantragt.
„Geld, das den Hochschulen zusteht, darf nicht im allgemeinen Wissenschaftshaushalt untergehen. Die Hochschulen müssen in der jetzigen Situation ausreichend ausgestattet werden – da verbieten sich globale Minderausgaben und Haushaltsversteckspiele", kritisierte MARIE LUISE VON HALEM:
Zu Beginn des neuen Wintersemesters sind mehr als 80.000 Bewerbungen auf einen Studienplatz an den Brandenburger Hochschulen eingegangen, obwohl voraussichtlich nur ca. 9.500 Studienplätze zur Verfügung stehen. Hier ist eine Steigerung um 30.000 Bewerbungen zu verzeichnen. Trotz dieses BewerberInnenansturms will die Landesregierung bei den Hochschulen insgesamt 17 Millionen Euro kürzen. Dies sind fast 7% der Mittel für die Hochschulen. Diese Kürzungen sind vor dem Hintergrund, dass mehr als 85% der jetzigen Mittel für Personal ausgegeben werden, kaum verkraftbar. Die Studienanfängerzahlen werden auch in den nächsten Jahren nicht rückläufig sein, wie ein im Juni diesen Jahres vorgestelltes Gutachten der HIS GmbH gezeigt hat. Trotz der demografischen Entwicklung sei bis 2025 mit gleich bleibenden Studienanfängerzahlen zu rechnen.
Ein Instrument, mit dem der Ansturm an Bewerbungen abgefangen werden soll, ist der von Bund und Ländern 2007 verabredete Hochschulpakt 2020. Dieser sieht vor, dass Brandenburg Bundesmittel zur Verfügung gestellt bekommen, um die Anzahl der 2005 vorhandenen Studienanfängerplätze zu halten.
Die Kürzungen im Einzelnen:
Im Haushaltsentwurf 2012 der Landesregierung sollen die vom Bund zur Verfügung gestellten und zweckgebundenen Mittel nicht in voller Höhe an die Hochschulen weitergereicht werden. Das Land erhält laut Haushaltsentwurf vom Bund 15 Millionen Euro Bundesmittel im Rahmen des Hochschulpakts, gibt davon jedoch nur 10 Millionen an die Hochschulen weiter. 5 Millionen verschwinden damit im allgemeinen Haushalt.
In der Presse und auch in einer Antwort auf eine kleine Anfrage hat das Wissenschaftsministerium angegeben, sogar bis zu 25 Millionen an Bundesmitteln für den Hochschulpakt 2020 im Jahr 2012 zu erwarten. Hiernach wächst die Summe, der nicht durchgereichten Hochschulpaktmittel um weitere 10 Millionen auf 15 Millionen Euro. Zusammen mit der globalen Minderausgabe bei den Hochschulen in Höhe von 12 Millionen Euro fehlen den Hochschulen damit 27 Millionen Euro.
Vergangene Woche nun hat die Regierungskoalition angekündigt, die Universitäten gegenüber dem Haushaltsentwurf etwas besser auszustatten und fehlende Hochschulpaktmittel aus der so genannten Rücklage Hochschulbau zu finanzieren. „Doch damit wird lediglich Geld von der linken Tasche in die rechte Tasche transferiert", kritisierte MARIE LUISE VON HALEM. Den Hochschulen zustehendes Geld aus dem Hochschulpakt in Höhe von 15 Millionen Euro werde ihnen weiter vorenthalten.
„Die Qualität der Hochschulausbildung hängt maßgeblich auch von guten Betreuungs- und Arbeitsbedingungen ab. Brandenburg kann es sich nicht leisten, dass immer mehr prekäre Beschäftigungsverhältnisse im Hochschulbereich entstehen und die Hochschulen notgedrungen damit ihren Betrieb sichern müssen", sagte sie. „Offenkundig sollen durch die Sparbeschlüsse Fakten geschaffen werden, an denen die eingesetzte Strukturkommission im Hochschulbereich nicht mehr vorbeikommen wird."
Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN habe vorgerechnet, wie das Land auf die Kürzungen im Hochschulbereich komplett verzichten kann, ohne neue Schulden aufzunehmen. „Mit unserem Finanzierungsvorschlag würde das positive und attraktive Gesicht der brandenburgischen Hochschullandschaft gestärkt und ein erster Schritt getan, um die Studien- und Arbeitsbedingungen in den Hochschulen zu verbessern."
Unsere Änderungsvorschläge zum Haushaltsentwurf der Landesregierung im Internet:
***12 Mio. globale Minderausgabe + 5 Mio. fehlende Ausgabe Hochschulpakt 2020 + 10 Mio. zu erwartende zusätzliche, aber nicht eingeplante Mittel Hochschulpakt 2020
Rede von Marie Lusie von Halem, 44. Plenarsitzung, 9.11.2011
- Es gilt das gesprochene Wort ! -
Sehr geehrte Damen und Herren,
Legen wir die Brandenburgische Hochschullandschaft auf die Waage. In der einen Waagschale liegt dann eine ausdifferenzierte, international anerkannte Hochschullandschaft, die auf Grund teilweise sehr innovativer Studiengänge, der Metropolenlage Berlins, vieler neuer Gebäude und der Fülle von außeruniversitären Forschungseinrichtungen hoch attraktiv für Studierende und Wissenschaftler ist. Auf der anderen Seite fallen überfüllte Hörsäle, Seminare mit über 100 Studierenden, mangelhafte Betreuungsangebote für Studierende, Missstände bei den Arbeitsbedingungen der wissenschaftlichen Mitarbeiter, immer mehr Lehrbeauftragte in prekären Beschäftigungsverhältnissen und die schlechte finanzielle Ausstattung der Hochschulen immer mehr ins Gewicht. Derzeit scheint die Waage austariert. Noch.
Zu Beginn des neuen Wintersemesters sind mehr als 80.000 Studienplatzbewerbungen an den Brandenburger Hochschulen eingegangen, für ca. 9.500 Studienplätze. Das sind 30.000 Bewerbungen mehr als im Vorjahr. Die vom HIS-Institut für Hochschulforschung erstellte Studie vom Juni diesen Jahres prognostiziert trotz des demografischen Wandels in etwa gleichbleibend hohe Studienanfängerzahlen bis 2025. Dessen ungeachtet kürzt die Landesregierung bei den Hochschulen insgesamt 17 Millionen Euro. Fast 7% der Mittel für die Hochschulen! Die Kürzungen sind vor dem Hintergrund, dass mehr als 85% der jetzigen Mittel für Personal ausgegeben werden, kaum verkraftbar. Die Waagschalen drohen ins Wanken zu geraten.
Für die erwartbare Situation, dass immer mehr junge Menschen an die Hochschulen drängen, haben Bund und Länder den Hochschulpakt 2020 vereinbart. Brandenburg hat sich darin verpflichtet, die Studienanfängerzahlen aus dem Jahr 2005 konstant zu halten. Das ist passiert, sogar ein bisschen über den Durst, und die damalige Wissenschaftsministerin ist immer stolz darauf gewesen. Diese Studierenden sind nun im System Hochschule und haben ein Recht auf gute Betreuungs- und Studienbedingungen.
Jetzt hat der Bund 25 Millionen Euro im Rahmen des Hochschulpaktes 2020 für Brandenburg angekündigt. Davon werden im Etat des Wissenschaftsministeriums lediglich 15 Millionen als Einnahmen verbucht – mit dem Vermerk, Mehreinnahmen 'dürften' - nicht 'müssten' - 'dürften' weiter gegeben werden! Und von diesen 15 Mio waren 5 Millionen einfach verschwunden, es wurden nur 10 Mio weitergereicht. Das allerdings ist jetzt doch aufgefallen – vielleicht haben auch unsere Hinweise etwas bewirkt? - und der Presse letzte Woche war zu entnehmen, die Mittel würden jetzt doch vollständig weitergereicht (wozu das Land im Übrigen verpflichtet ist!). Aber die 5 Mio werden aus den Rücklagen für den Hochschulbau genommen, also auch hier wieder ein fauler Taschenspielertrick.
Und wo bleiben die 10 Mio Differenz zwischen den vom Bund angekündigten 25 Mio gegenüber den eingestellten 15 Mio? Was macht die Landesregierung mit dem Geld, das für zusätzliche Stellen an den Hochschulen und für ein qualitativ hochwertiges Studium zweckgebunden ausgegeben werden muss? Es fehlen 10 Millionen zweckgebundener Mittel, die nach den §§ 6 und 7 der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern zwingend weiter gereicht werden müssen! Was passiert damit? Verschwinden sie in Markovs großer Tasche?
Angesichts der Kürzungen treibt uns noch eine weitere Frage um: Es sieht so aus, als ob mit den Sparbeschlüssen über 17 Millionen Euro (12 GMA plus 5 Hochschulpaktmittel) den Hochschulstrukturkommissionen das Leben schwer gemacht werden soll. Welchen Empfehlungsspielraum haben sie überhaupt noch? Oder werden erstmal alle Beteiligten so scharf an die Kandare genommen, damit die Ergebnisse der Strukturkommissionen dann nur als Nachlassen des Schmerzes wahrgenommen werden?
Zu dieser allgemein angespannten Situation kommen weitere Unsicherheitsfakoren, die Wind in die Waagschalen der Hochschulpolitik wehen:
1. Die beiden eben erwähnten Strukturkommissionen lähmen die Arbeit der Hochschulen, Planbarkeit wird Wunschdenken.
2. Die Vorgabe, frei werdende Professuren nicht neu besetzen zu dürfen, führt zu zunehmend untragbaren Studiensituationen.
3. Der kürzlich vorgelegte Bericht der Landesregierung zur notwendigen Einführung akademischer Studienangebote für Pflege und Gesundheit errechnet hierfür einen Finanzbedarf in Höhe von jährlich mind. 3,2 Millionen. Die Umsetzung der Landesregierung: Watte statt Tatendrang.
4. Die Einführung der Sonder- bzw. Inklusionspädagogik an der Universität Potsdam beschäftigt und ja heute noch. Hier gibt es jetzt immerhin einen Zeitplan, der dem Begriff 'zukunftsweisend' neue Bedeutung verschafft.
5. Thema Lehrerbildung: Schaffen wir es, mehr Lehrerinnen und Lehrer besser auszubilden, und gleichzeitig dafür weniger Geld auszugeben?
Und 6. kommt die angekündigte Novellierung des Hochschulgesetzes noch dazu.
All diese Unsicherheiten und unklaren Zukunftsperspektiven sind Gift für das Wissenschaftssystem. Aktuell wird das durch den angedrohten Umzug des Abraham Geiger Kollegs nach Bayern und die Klage von Naturwissenschaftlern über finanzielle Wettbewerbsnachteile offensichtlich. Planbarkeit und Verlässlichkeit wären der Humus, auf dem starke Hochschulen gedeihen und gute Köpfe für die Brandenburgische Hochschullandschaft gewonnen werden. Weil uns Bündnisgrünen das so wichtig ist, haben wir vorgerechnet, wie das Land auf die Kürzungen im Hochschul- und Bildungsbereich komplett verzichten kann, ohne neue Schulden aufzunehmen. (Im Detail finden Sie das in unserer Pressemitteilung vom 18.10.2011 auf unserer Website!) Für uns hat Bildung die höchste Priorität, das ist der Bereich, in dem nicht gespart werden darf!
Wir wollen das Gewicht des Positiven und Attraktiven der Brandenburgischen Hochschullandschaft stärken und einen ersten Schritt gehen, Studien- und Arbeitsbedingungen in den Hochschulen zu verbessern. Gute Bildung ist der Output, den wir für die Zukunft brauchen!