Manche Menschen lassen sich Ihre Vorurteile nicht nehmen: "Wir haben also richtig gesehen! Bundespolitiker der Grünen tummeln sich auf den Gleisen im Wendland und erschweren damit die Arbeit auch ihrer Polizei. In Brandenburg tummeln sich die Grünen mittlerweile im Landtag und fallen ihrer Polizei mit einem solchen Antrag in den Rücken!", wurde den Mitgliedern der GdP in einem so genannten „Infoschreiben"aus den Reihen des Gewerkschaftsvorstands verkündet. Axel Vogel, Fraktionsvorsitzender, und Ursula Nonnemacher, Innenpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag, antworten in einem offenen Brief auf die Schmähkritik. „Die Positionen unserer Fraktion werden in dem 'Infoschreiben' in verkürzter und verzerrender Art und Weise wiedergegeben“, erklären die beiden Abgeordneten. Sie stellen die verfälschende Darstellung der bündnisgrünen Anträge zur Polizeistrukturreform und zur Modernisierung der Landesverwaltung richtig und laden zu einem konstruktiven Dialog ein.
Offener Brief zur Polizeistrukturreform
Sehr geehrter Herr Schuster,
sehr geehrte Damen und Herren,
mit einigem Erstaunen mussten wir das Informationsschreiben Ihrer Gewerkschaft zur angeblichen Position unserer Fraktion zur Polizeistrukturreform und Modernisierung der Landesverwaltung zur Kenntnis nehmen. Da dieses Schreiben die Positionen unserer Fraktion den Mitgliedern der Gewerkschaft in verkürzter und verzerrter Art und Weise präsentiert, möchten wir Ihnen unsere Vorstellungen aus erster Hand in Form dieses Offenen Briefes zur Kenntnis bringen. Es wäre schön gewesen, wenn Sie uns das Informationsschreiben vor Veröffentlichung mit Möglichkeit zur Stellungnahme hätten zukommen lassen.
Der von uns ins Parlament eingebrachte Antrag zur Modernisierung der Landesverwaltung ist in dem Flugblatt sehr verkürzt zitiert: teilweise wird im Halbsatz abgebrochen und werden nähere Erläuterungen unterschlagen. Im Gegensatz zur polemisch kommentierten Darstellung der aus gewerkschaftlicher Sicht möglicherweise kritischen Punkte werden die Inhalte unseres Antrages, die die absolut unakzeptable Situation der aktiven PolizeibeamtInnen positiv wenden sollen, überhaupt nicht erwähnt: Dies gilt z.B. für unsere Forderungen nach verbesserten Aufstiegschancen und einer verbesserten Durchlässigkeit zwischen den Laufbahngruppen, die angestrebte Aufgaben gerechte Bezahlung aller MitarbeiterInnen, die Ausgestaltung des Polizeidienstes überwiegend als Laufbahn des gehobenen und höheren Dienstes wie für unsere Forderungen nach größeren Einstellungskorridoren und schließlich die Forderung nach Ausnahmeregelungen bei den Ruhestandsregelungen für diejenigen PolizistInnen, die in besonders belastenden Funktionen tätig sind.
Bitte beachten Sie auch den Gesamtkontext unseres Antrages. Eine unserer Kernforderungen ist, dass der BeamtInnen-Status auf die hoheitlichen Kernbereiche staatlichen Handelns wie Polizeidienst und die Justiz beschränkt wird. Wir sprechen uns dagegen ausdrücklich gegen die Verbeamtung von LehrerInnen und WissenschaftlerInnen aus. Dies wird vielen unserer SympathisantInnen und WählerInnen nicht gefallen, dennoch halten wir diesen Ansatz für richtig und vernünftig und begründen dies in unserem Antrag auch ausführlich.
Um Ihnen eine Einordnung unserer Forderungen in den politischen Gesamtkontext zu erleichtern gehen wir auch gerne auf die einzeln von Ihnen aufgeführten Punkte ein:
- Die Anpassung des Ruhestandsbeginns der BeamtInnen an die Regelaltersgrenzen der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht den von schwarz-rot bereits verabschiedeten Regelungen für Bundesbeamte und wird aufgrund der rot-roten Koalitionsvereinbarung absehbar auch in Brandenburg umgesetzt werden.
- Eine Ausrichtung der Pensionsansprüche am Lebensdurchschnittseinkommen statt am letzten Monatseinkommen kann aufgrund der geltenden Rechtssprechnung NICHT für bereits verbeamtete Landesbedienstete, sondern nur für zukünftige Verbeamtungen gelten. Die Forderung nach einer derartigen Neuregelung ist zudem kein grünes Alleinstellungsmerkmal, sondern wird ähnlich auch aus anderen Parteien regelmäßig erhoben. Für uns ist sie Bestandteil unserer grundsätzlichen Forderung nach Herstellung eines einheitlichen Dienstrechts im öffentlichen Dienst.
- Gegen eine Wiedereinführung der ausgelaufenen Jahressonderzahlungen haben sich neben den Oppositionsfraktionen übrigens auch die Regierungsfraktionen SPD und Linkspartei ausgesprochen – wie Sie in einem Artikel der Märkischen Oderzeitung vom 05.11.2010 nachlesen können.
- Nicht nur Bündnis 90/Die Grünen sondern auch SPD und Linke sind für die Einführung einer BürgerInnenversicherung, in die Angestellte, FreiberuflerInnen und BeamtInnen gleichermaßen für ihre Krankenversicherung einzahlen. Für uns ist die gegenwärtige Beihilferegelung die Lebensversicherung für die Privatkranken kassen. Diese Situation wollen wir beenden.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Was uns wirklich verwundert, ist in welcher Art und Weise die Führung Ihrer Gewerkschaft unsere Anträge zur Polizeistrukturreform und zur Modernisierung der Verwaltung miteinander kombiniert. Auf unsere Initiative haben die Oppositionsfraktionen am 11.11.2010 im Landtag ein Aussetzen der Polizeireform und eine grundlegende Überarbeitung bis zum Frühjahr 2011 gefordert. Das nachgebesserte Konzept sollte eben nicht im Hinterzimmer des Innenministeriums entschieden, sondern dem Gesetzgeber, dem Landtag, vorgelegt werden.
Damit entsprechen wir zentralen Forderungen der Volksinitiative. Statt dies positiv zu registrieren, versuchen die VerfasserInnen des Informationsschreiben aus dem Zusam menhang gerissene Forderungen zur Stimmungsmache gegen Bündnis 90/Die Grünen zu nutzen. Damit soll wohl davon abgelenkt werden, dass richtige Forderungen von den „falschen“ Leuten (nämlich der Opposition) geäußert werden. Wir haben den Eindruck, dass führende VertreterInnen Ihrer Gewerkschaft sich offenbar in einem erheblichen Loyalitätskonflikt zwischen ihrer Mitgliedschaft in den Parteien SPD und DIE LINKE und den eigenen gewerkschaftlichen Forderungen befinden.
Wir denken, dass wir angesichts der vor Ihnen und uns gleichermaßen liegenden Her ausforderungen zu einer klaren Absage an Feindbilder von gestern und zu einem kon struktiven Dialog für die Zukunft finden sollten. Hierfür stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Vogel & Ursula Nonnemacher