Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag fordert im Zuge einer von der Landesregierung geplanten Gesetzesänderung die weitest gehende Vermeidung der Abschiebehaft. In einem von ihr eingebrachten Entschließungsantrag für den Innenausschuss und das Landtagsplenum fordert sie durch Maßnahmen zur Haftvermeidung sicherzustellen, dass
- Minderjährige, Schwangere, Alleinerziehende, Eltern mit minderjährigen Kindern, psychisch und chronisch Kranke, Menschen mit Behinderung oder posttraumatischer Belastungsstörung und ältere Menschen über 65 Jahre als besonders schützenswerte Gruppen von der Abschiebungshaft ausgenommen werden;
- Abschiebungshaft nur als „Ultima Ratio“ und zur Durchsetzung einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung angeordnet wird. Darüber hinaus sollen Alternativen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor einer Anordnung von Abschiebungshaft umfassend geprüft werden, als Alternativen kommen u.a. in Frage:
- Regelmäßige Meldepflicht
- Passabgabe
- Fester Wohnsitz
- Kaution
- Erfordernis eines Bürgen
- Hausarrest
Ferner soll die Landesregierung darauf hinwirken, dass keine rechtswidrigen Haftanordnungen mehr getroffen werden. Die brandenburgischen Behörden sollen der Bundespolizei die Kosten für Haftanträge, die sich als rechtswidrig erweisen, in Rechnung stellen und die Landesregierung sich auf Bundesebene für eine Abschaffung der Abschiebungshaft einsetzen.
Zwar können Flüchtlinge nach dem Aufenthaltsgesetz des Bundes auf richterliche Anordnung zur Sicherung der Abschiebung in Haft genommen werden. Die formale Voraussetzung dafür ist, dass sie ausreisepflichtig sind und der Verdacht besteht, dass sich der Flüchtling der Abschiebung entziehen will. In der Praxis erwiesen sich viele Inhaftierungen als rechtswidrig. Haftbeschlüsse der Amtsgerichte würden sehr häufig von den Landgerichten oder vom Bundesgerichtshof aufgehoben bzw. nachträglich die Rechtswidrigkeit der Haft festgestellt. Der Richter am Bundesgerichtshof Professor Dr. Jürgen Schmidt-Räntsch habe festgestellt, dass bundesweit 85 - 90% der Entscheidungen der Amtsgerichte in Haftsachen fehlerhaft sind.
„Wer in Abschiebehaft kommt hat keine Straftat begangen, durch die Haft soll die Ausreise z.B. bei Fluchtgefahr erzwungen werden. Leider wird die Fluchtgefahr viel zu häufig ohne Prüfung unterstellt. Wir fordern, die Abschiebehaft auf das absolut notwendige Maß zu begrenzen, wenn sie überhaupt angewendet werden muss“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN URSULA NONNEMACHER. Sie verwies darauf, dass die Abschiebungshaft gravierende negative Auswirkungen auf die Betroffenen habe. „Dabei sind viele Flüchtlinge bereits durch Flucht und Verfolgung traumatisiert.“
Im Jahr 2012 hatte in Brandenburg die Bundespolizei 255 Fälle von Abschiebehaft zu verantworten, die Ausländerbehörden des Landes Brandenburg 51 und die Behörden anderer Bundesländer 19.