Eine Aufarbeitung, die nicht stattfindet, kann auch nicht misslingen. Das schien bei uns jahrelang das Credo der Landespolitik zu sein. Spätestens seit der aufrührenden Debatte über die Stasi-Kontakte von Manfred Stolpe galt der kritische Blick zurück als unerwünscht. Wer fragte, welche Lehren wir beim Aufbau unseres Bundeslandes aus der DDR-Geschichte gezogen haben, stand schnell im Abseits.
Aber Deckel drauf und zu geht auf Dauer nicht gut. Wissenschaftler stellten unserem Sonderweg ein verheerendes Zeugnis aus. Vom „Schweigekartell“ war die Rede, von der „kleinen DDR“ und von Schülern, die weniger über die DDR lernen als Gleichaltrige in Bayern. Mehr als 20 Jahre dauerte es, bis die westdeutsche Studentenbewegung loszog, um das Schweigen ihrer Eltern über die NS-Zeit zu beenden. Auch hierzulande dauerte es zwei Jahrzehnte, bis der Druck zur Aufarbeitung sich seinen Weg bahnen konnte. Seitdem hat sich einiges geändert. Brandenburg hat eine allseits respektierte Aufarbeitungsbeauftragte und eine Abgeordnetenüberprüfung ist mittlerweile fest verankert.
Vor allem aber hat die Enquetekommission „Aufarbeitung“ des Brandenburger Landtags eine Debatte bewirkt, um die mancher noch 2009 einen Bogen machen wollte. Die Kommission, die auf Antrag der Opposition eingesetzt wurde, hat Fragen gestellt und Antworten eingefordert. Zum Beispiel, wie es mit der Rehabilitierung von Menschen aussieht, denen in der DDR aus politischen Gründen Lebenswege verbaut wurden. Oder welche Folgen die DDR-Landwirtschaftspolitik heute noch zeitigt.
Beäugten SPD und Linke die „Enquete“ erst misstrauisch, wuchs auch dort die Erkenntnis, dass vieles im Argen liegt. „Ernsthafte Defizite im Umgang mit den Opfern“, erkannte die Linke, der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck lobte plötzlich die Enquete als Gelegenheit, „aus gemachter Erfahrung für die Zukunft zu lernen“. Der Abschlussbericht, den die Kommission heute vorlegen wird, dokumentiert genau diesen Anspruch. Selbst die Linke, die sich wie die SPD so manches taktische Foul gegen die Enquete geleistet hat, gestand am Ende Handlungsbedarf ein.
Die Enquetekommission hat Brandenburg gutgetan. Sie hat Menschen eine Stimme gegeben, die vorher außen vor blieben, einen Lernprozess eröffnet und 24 Seiten mit Handlungsempfehlungen erarbeitet. Benachteiligte sollen besser unterstützt, die Gedenkstättenarbeit gefördert, Schulen bei der Geschichtsvermittlung geholfen werden. Es liegen Anregungen für eine nachhaltige Landwirtschaft auf dem Tisch, ebenso wie zur Stärkung der demokratischen Kultur. Die meisten Vorschläge wurden einvernehmlich verabschiedet, Brandenburg damit bundesweit beachtetes Vorbild. Darauf dürfen alle Beteiligten stolz sein, auch die Linke, die dabei wohl den weitesten Weg gehen musste.
Jede Landesregierung ist nun gut beraten, dieses klare Votum ernst zu nehmen.
Von Axel Vogel
Gastbeitrag und Gegenbeitrag erschienen am 20. Februar 2014 in der MAZ.