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Foto: Fraktion

Die Bauern im Dorf lassen

Gastbeitrag für die Märkische Allgemeine Zeitung vom 27.9.12

Die Enquetekommission zur DDR-Aufarbeitung hat die Entwicklung und den Zustand der Brandenburger Landwirtschaft unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Die angeblich so „weltmarktfähigen" Strukturen in Brandenburg forcieren die Entleerung des ländlichen Raumes. Was der Sozialismus mit Zwangskollektivierung, Massentierhaltung und Komplexmelioration vorbereitet hat, ist heute die perfekte Einflugschneise für finanzstarke Investoren, die reihenweise Großbetriebe aufkaufen und mit ihren Flächenkäufen die Preistreiberei befeuern.

Brandenburgs Betriebsstrukturen werden denn auch Schwellenländern immer ähnlicher. Einer kleinen Zahl von Großunternehmen mit riesigen Agrarflächen steht eine Vielzahl bäuerlicher Familienbetriebe gegenüber, die sich mit wenig Land begnügen müssen. 60% der Betriebe verfügen über 4% der Flächen, die größten 10% hingegen bewirtschaften fast 70% des Landes. Immer mehr GmbHs werden zu Filialbetrieben außeragrarischer Investoren, immer mehr Flächen werden von tageweise anreisenden Tiefladerbauern beackert. Leidtragender ist der ländliche Raum: immer weniger und zudem noch miserabel bezahlte Arbeitsplätze, zu wenig Wertschöpfung und Einkommen, das vor Ort bleibt und wieder investiert wird, Maismonokulturen statt artenreicher Kulturlandschaft.

Das alles ist Ergebnis einer Landwirtschaftspolitik, die nicht vom Himmel fiel. In der Enquetekommission wurde deutlich, wie alte Eliten in Bauernverband und Ämtern Hand in Hand mit den SPD-Landwirtschaftsministern die überkommenen Strukturen verteidigten. Wiedereinrichter wurden ausgebremst und nicht selten rechtswidrig von ihren alten LPG'en mit dürftigen Abfindungen abgespeist. Fast jede LPG-Umwandlung in Brandenburg war fehlerhaft, jede neunte sogar so schwerwiegend, dass sie als unwirksam zu qualifizieren ist. Das Beschämende dabei: Bis heute schaut das Land schulterzuckend zu. Noch schlimmer traf es die Erben der Neusiedler, denen „sittenwidrig" die Flächen ihrer Eltern streitig gemacht wurden. Diese „Bodenreformaffäre" ist bis heute nicht abgeschlossen.

Dabei ginge es auch anders: Der Gutachter Prof. Klüter hat in der Enquete deutlich gemacht, wie Brandenburg als „Garten der Metropole" mehr sein kann als Produzent von Massenprodukten für den Weltmarkt, wie lokale Wertschöpfung generiert und neue Einkommensquellen erschlossen werden können.

Die Weichenstellungen der DDR-Agrarpolitik lassen sich nicht mehr rückgängig machen, die Fehler der Brandenburger Anfangsjahre auch nur begrenzt. Doch die Enquete hat gezeigt, dass Landwirtschaftspolitik nicht alternativlos ist. In der Kommission haben alle Parteien signalisiert, dass dem Ausverkauf der Landwirtschaft ein Riegel vorgeschoben werden muss. Das ist ein Anfang, immerhin.

Axel Vogel, Vorsitzender Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag