Es ist fast ein Jahr her, da fand sich die Enquetekommission Aufarbeitung zu ihrer konstitutierenden Sitzung zusammen. Trotz vereinzelter Schmährufe von den Koalitionsbänken, mehr polemisch als empirisch unterfüttert, arbeitet die Kommission zunehmend sachorientiert an der festgesetzten Themenagenda. Das war auch nötig: denn ein halbes Jahr dauerten inhaltlich-organisatorische Absprachen, die durch die ständigen Personalrochaden der Regierungsparteien in der Kommission deutlich erschwert wurden.
Im Februar und März standen dann Fragen der Erinnerungskultur und des Umgangs mit denen, die unter der Diktatur gelitten haben, im Mittelpunkt. Was vielen längst bekannt war, wurde dabei in zwei Enquete-Sitzungen mit Gutachten und Anhörungen untermauert. Die Sensibilität gegenüber denjenigen, denen in der DDR Unrecht widerfahren ist, ist in Brandenburg weniger ausgeprägt als in anderen Ländern. Das zeigte sich lange Zeit im Fehlen einer Stasi- bzw. Aufarbeitungsbeauftragte, das zeigte sich auch in Rehabilitationsverfahren und in der politischen Kultur. Es ist fast egal welche Kriterien zugrunde gelegt wurden, Brandenburg bildete in aller Regel das Schlusslicht im Bereich der DDR-Aufarbeitung. Insofern besteht nach Meinung vieler Beobachter mit der Berufung Ulrike Poppes, aber auch mit der Arbeit der Enquetekommission erstmals die Chance, die (h)ausgemachten Probleme anzugehen. Dass gerade beim Umgang mit Opfern der DDR-Diktatur Handlungsbedarf besteht und dass es dabei nicht um Petitessen, sondern um grundlegende Wertfragen geht, darüber besteht in der Kommission bemerkenswerte Einigkeit. Bleibt zu hoffen, dass dieser Konsens auch im Parlament trägt, wenn es um konkrete Änderungen geht.
Schwieriger stellt sich die Situation bei den brandenburgischen Gedenkorten zur DDR-Diktatur dar. Einem Gutachten zu diesem Thema stellten viele Kommissionsmitglieder ein schlechtes Zeugnis aus. Zentrale Aussage des Gutachters: im Großen und Ganzen kann alles so bleiben wie es ist. In der Anhörung zum Thema entwarfen Zeitzeugen und Betroffene jedoch ein anderes Bild. Demnach gibt es zahlreiche Konflikte mit teils stark verhärteten Fronten wie in der Gedenkstätte Leistikowstraße in Potsdam.
Im Mai befasste sich die Enquetekommission dann mit einem Thema, dass seit Jahren für lebhafte Diskussionen sorgt. Das Wissen um die DDR und ihre Machtstrukturen ist unter Brandenburger SchülerInnen wenig verbreitet, so hieß es in der vieldiskutierten Studie von Klaus Schroeder schon vor mehreren Jahren. Mittlerweile gab es einige Verbesserungen, im Rahmenlehrplan wird dem Thema mehr Platz eingeräumt. Doch an anderer Stelle gibt es noch viel zu tun, das zeigte die Enquete-Sitzung, bei der ein Gutachter der Universität Potsdam und zahlreiche Anzuhörende die Lage an den Schulen skizzierten. Demnach werden in Brandenburg häufig völlig fachfremde Lehrer eingesetzt. Nicht selten fällt das Thema ganz „hinten runter" – wegen Unterrichtsausfall, überfülltem Lehrplan oder schlicht wegen Hemmungen der Lehrerschaft, sich an ein gesellschaftlich umstrittenes Thema zu wagen. Der Enquete-Gutachter listete vor diesem Hintergrund eine ganze Reihe von Empfehlungen auf, die im Wesentlichen in einer anschließenden Anhörung von den anwesenden Experten unterstützt wurden. Angefangen mit mehr Zeitzeugengesprächen und Besuchen von Gedenkorten über eine besseren Abstimmung der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer bis hin zu Fortbildung und dem Einsatz fachlich ausgebildeter Lehrer: es gibt noch einiges zu tun.
Ein Jahr Enquete: es ist das Verdienst der Kommission, vor allem aber der Gutachterinnen und Gutachter und der vielen Anzuhörenden, dass zunehmend Licht in ein Dunkel gebracht wird, was zwar häufig kommentiert, aber selten untersucht wurde. Zur Aufhellung beigetragen hat in einem anderen Sinne auch die bündnisgrüne Fraktion. Auf unsere Initiative hin wurde beschlossen, dass die Gutachten, die in der Kommission diskutiert werden, nun rechtzeitig für interessierte Bürgerinnen und Bürger sowie Medienvertreter einsehbar sind. Bisher wurden die Gutachten erst Wochen später ins Internet gestellt.
Mit der notwendigen Ernsthaftigkeit kann die Kommission auch in Zukunft wichtige Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen erarbeiten. Wenn Sie Hinweise zum Thema haben, freuen wir uns über Ihre Nachricht an uns.