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Im Osten mal was Neues – Erste Ergebnisse einer Enquetekommission des Landtags Brandenburg

Gastbeitrag von Axel Vogel für den Kritischen Agrarbericht 2014

Wenn in Brandenburg über die Folgen der DDR-Zwangskollektivierung, fehlerhafte LPG-Umwandlungen und den Umgang mit Bodenreformland nach 1990 breit diskutiert wird, wenn die Problematik der mangelhaften Wertschöpfung und geringen Arbeitsplatzeffekte in der großstrukturierten Landwirtschaft auf der Tagesordnung steht und der Landtag einstimmig Beschlüsse zur Bekämpfung des „Landgrabbings“ fasst, dann ist eine Entwicklung in Gang gekommen, mir der niemand gerechnet hat und die so schnell nicht mehr gebremst werden kann. Solche Debatten verbindet man gemeinhin nicht mit Brandenburg und dem »Brandenburger Weg in der Landwirtschaft«, der vielen eher als Synonym für die Verteidigung der in der DDR herausgebildeten agrarindustriellen Strukturen gilt.

Den Stein ins Rollen gebracht hat die Einsetzung einer Enquetekommission des Landtages mit dem sperrigen Namen „Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einem demokratischen Staat im Land Brandenburg“

Im Gegensatz zu früheren Enquetekommissionen im Bund und anderen Bundesländern, die sich mit der unmittelbaren DDR-Vergangenheit auseinandersetzten, ging es hier um die Frage, was nach 1989 aus diesem DDR-Erbe gemacht wurde. Von uns Grünen wurde dabei insbesondere die Entwicklung der Landwirtschaft in den Fokus gerückt, die Frage nach einem Fortwirken der in der DDR herausgebildeten Strukturen und Mentalitäten und der sich hieraus ergebenden Konsequenzen gestellt.

Brandenburger »Erfolgsgeschichte« bekommt Kratzer

Dabei wurden dem offiziellen Bild der bislang als beispielloser Erfolgsgeschichte präsentierten Landwirtschaftspolitik in fünf Sitzungen mit 14 Anzuhörenden und acht Gutachten einige böse Kratzer zugefügt.[1]

Die Anhörungen waren vor allem für DIE LINKE aber auch für die SPD, die seit 1990 unverändert die Landwirtschaftsminister stellt, nicht immer einfach zu ertragen. Denn es war ein kritischer Blick auch darauf, wie bäuerliche Traditionen durch SED-Kollektivierungspolitik, durch kleinteilige Arbeitsteilung und durch Agrargigantismus gebrochen wurden. Aber auch nach dem Status Quo der Brandenburger Landwirtschaft wurde gefragt: Wie sieht es aus mit Wertschöpfung, mit Arbeitsplätzen, mit Subventionen? Wer profitiert und wer hat das Nachsehen? Und: Wie steht es um die Eigentumsstreuung? Wurde die Zielsetzung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes umgesetzt, so dass Genossenschaften, Kapitalgesellschaften und bäuerliche Familienwirtschaften gleiche Wettbewerbschancen erhielten?

Durch die wissenschaftliche Begleitung näherte sich die Kommission zwar einer objektiveren Bewertung von Vergangenheit und Gegenwart. Aber auch wenn in einer Enquetekommission durch die Einbeziehung von stimmberechtigten Sachverständigen die übliche scharfe Trennlinie zwischen Opposition und Regierung aufgehoben ist, blieben wir von einer einheitlichen Bewertung der früheren Landwirtschaftspolitik weit entfernt, vieles wird auch in Zukunft strittig bleiben.

Dennoch bietet der demnächst öffentliche Teilbericht zum Themenfeld V zu „Eigentumstransformation und Landwirtschaft“ eine gute Grundlage zur Erarbeitung von Empfehlungen für den ländlichen Raum in Brandenburg im für 2014 vorgesehenen Endbericht.

Aus der Fülle des Materials sollen hier nur einige besonders relevante Themen angerissen werden.

Unrecht zum Vorteil der Agrarindustrie

In dem Entwurf für den Abschlussbericht heißt es: „Die Landwirtschaft in der DDR bzw. den neuen Ländern stand nach 1989 aufgrund ihrer Strukturen, der vergleichsweise niedrigen Arbeitsproduktivität, des Investitionsstaus und der in der DDR vernachlässigten Ernährungsindustrie vor immensen Herausforderungen.“[2]

Heute sind die Agrarstrukturen in Brandenburg nach wie vor großbetrieblich geprägt, „nach 1990 ist eine Landwirtschaft konserviert worden, die hauptsächlich von LPG-Nachfolgebetrieben dominiert wird“, heißt es. Dabei sind für die hinkende ländliche Entwicklung nicht die deutlich über dem Bundesschnitt von 55 Hektar liegenden durchschnittlichen Betriebsgrößen von rund 240 Hektar entscheidend, sondern deren Verteilung. Rund 50 Prozent der Betriebe sind kleiner als 50 Hektar und bewirtschaften nur vier Prozent der landwirtschaftlichen Fläche. Großbetriebe mit mehr als 1.000 Hektar bewirtschaften dagegen rund 50 Prozent der Fläche Brandenburgs, setzen aber relativ weniger Arbeitskräfte als kleine und mittlere Betriebe ein. Die Brandenburger Agrarstrukturen verfestigen so die Entleerung des ländlichen Raums, spitzt der Enquete-Gutachter Prof. Dr. Helmut Klüter zu und verweist auf die rückläufigen Beschäftigtenzahlen in der Brandenburger Landwirtschaft. Diese lagen 2010 bei nur noch 1,7 Arbeitskraft-Einheiten /AK-E) je 100 ha, in Agrarbetrieben über 1.000 ha Fläche gar nur bei 1,0 AKE (bundesweit bei 3,3 AK-E je 100 ha).

Dass die Wertschöpfung der Brandenburger Landwirtschaft viel zu niedrig ist, ist inzwischen allgemeine Einschätzung. Für Klüter ist die Flächenkonzentration in Großbetrieben eine der Hauptursachen für die Angebotsschwäche bei landwirtschaftlichen Hochpreisprodukten. Brandenburg produziert Massenerzeugnisse wie Futterpflanzen und Ölsaaten. Der Anbau von aufwendigeren, arbeitsintensiven Produktgruppen wie Kartoffeln, Blumen und Obst ist dagegen selten. Die "Wirtschaftlichkeit" von Großbetrieben steht in engem Zusammenhang mit hohen Flächensubventionen, nicht mit einer breiten Produktpalette. Die Subventionsrentabiliät ist in Brandenburg weit unterdurchschnittlich, ebenso bleiben die Löhne hinter dem Bundesschnitt zurück. Die Forderung nach Einführung eines Mindestlohnes wird daher mit Sicherheit zu den Forderungen der Kommission gehören. Die Bindung der Fördermittel an Arbeitsmarkteffekte und Lohnhöhe wird dagegen zu den strittigeren Empfehlungen zählen.

Landgrabbing als Farmgrabbing

In dem Entwurf für den Abschlussbericht finden sich folgende Passagen zum Landgrabbing: „Die Enquete-Kommission diskutierte vertieft über die zunehmende Flächenkonkurrenz, steigende Pacht- und Kaufpreise für Schläge und den vermehrten Flächenkauf und Betriebsübernahmen und -beteiligungen durch außerlandwirtschaftliche Investoren. Das Landgrabbing wurde in der Kommission sehr kritisch gesehen, da aus Sicht der Mitglieder der Kommission die Gefahr besteht, dass kurzfristige Renditeinteressen vor dem Interesse an einer ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Regionalentwicklung stehen und zudem die Bindung der Bevölkerung im ländlichen Raum an ihre Region und die einheimischen Betriebe weiter geschwächt wird. Aus Sicht mehrerer Kommissionsmitglieder wird der Einstieg außerlandwirtschaftlicher Investoren in der Brandenburger Landwirtschaft durch die meist aus der DDR übernommenen großbetrieblichen Strukturen deutlich erleichtert.“[3]

Inzwischen muss man in Brandenburg eher von „Farmgrabbing“ als von „Landgrabbing“ reden, da kurzerhand ganze Betriebe aufgekauft werden. Daraus resultieren Bewirtschaftungs-Konzentrationen bis hin zu fast 32.000 Hektar Landwirtschaftsfläche in den Händen einer einzigen Gesellschaft. Im Landkreis Märkisch-Oderland werden 20 Prozent der Fläche von drei Unternehmen bewirtschaftet, laut Bauernbund sollen inzwischen sieben Holdings rund 15 Prozent der Flächenprämien in Brandenburg einstreichen. Vor diesem Hintergrund stieß in der Kommission auch die spezielle Förderung ortsansässiger Landwirte auf breite Unterstützung. Wir sehen hier die Notwendigkeit die Flächenpolitik der BVVG kritisch zu würdigen. Auch 2010 hatten „kleine“ Betriebe bis 250 Hektar weniger als fünf Prozent der BVVG-Flächen, Betriebe mit mehr als 500 Hektar dagegen rund 85 Prozent in Pacht. Doch für Kappung und Degression, die nach Meinung mehrerer Anzuhörender, ein wirksames Instrument gegen Kapitalanleger gibt es keine Mehrheit.

Aber immerhin: Inzwischen hat der Landtag die Regierung mit der Erarbeitung eines Konzeptes gegen Landgrabbing beauftragt[4]: Ein erster großer Erfolg der Enquetekommission.

LPG-Umwandlungen mangelhaft und unwirksam

Aufschluss über die 355 LPG-Umwandlungen in Brandenburg in bundesrechtliche vorgegebene Rechtsformen in den Jahren 1991/92 gab ein Gutachten von Prof. Dr. Walter Bayer. Viele LPG-Umwandlungen gingen mit schweren Mängeln vonstatten, 38 sind sogar als unwirksam zu qualifizieren. Faktisch haben die neu gegründeten Unternehmen das LPG-Vermögen übernommen, aus rechtlicher Perspektive konnte es aber nicht auf sie übergehen, sie sind sogenannte Scheinrechtsnachfolger. Durch die Übergabe einer Klarnamenliste an die Enquetekommission und deren Weiterleitung an die Justiz kann hier endlich gehandelt werden.

Ausscheidungswilligen Genossen wurde nahezu flächendeckend das Inventar nur unvollständig zurückgewährt und die Bodennutzung nur unzureichend vergütet. In sehr vielen Fällen wurde das verteilungsfähige Eigenkapital der LPG zuungunsten der ausscheidungswilligen Mitglieder erheblich gekürzt. Die Abfindungsangebote entsprachen durch die falsch berechnete Eigenkapitalbasis nicht dem gesetzlich festgeschriebenen Anteilswert. Natürlich wollten die LPG-Nachfolgebetriebe Eigenkapital zurückzuhalten, so konnten sie schließlich ihre Finanz- und Liquiditätsposition stärken. Ein starker Mitgliederverlust hätte außerdem ihre Lebensfähigkeit bedroht. Vielleicht konnten so auch kurzfristig Arbeitsplätze gesichert werden. Allerdings hat diese Praxis vor allem Wiedereinrichter benachteiligt, denen man einen großen Teil ihrer rechtmäßig zustehenden Vermögensbeträge vorenthalten hat. Die niedrigen Abfindungsangebote wirkten als Austrittsbarrieren. Nach Ansicht der Enquetegutachter wäre der Anteil an Wiedereinrichtern in Brandenburg deutlich höher gewesen, wenn die Vermögensaufteilung korrekt durchgeführt worden wäre.

Im Ergebnis haben also unrechtmäßige Vermögensauseinandersetzungen strukturelle Konsequenzen für die Brandenburger Landwirtschaft gehabt und den Markt verzerrt. Im Vorteil waren agrarindustriell geprägte LPG-Nachfolgeunternehmen zu Lasten kleinbäuerlicher Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe. Die Registergerichte waren wie die Landwirtschaftsbehörden bei der Umwandlung der Betriebe ihrer Kontrollfunktion nicht gerecht geworden.

Das waren verheerende Ergebnisse, die in der Enquetekommission vorgetragen wurden. Aber immerhin: Die Forschungsergebnisse liegen nun den zuständigen Registergerichten vor und es ist an ihnen, von Amts wegen die Rechtmäßigkeit der damaligen Verfahren zu überprüfen. Alternativ können natürlich auch Betroffene auf dem Zivilrechtsweg beantragen, dass die Umwandlung noch einmal aufgerollt wird. Ein respektables Ergebnis der Enquetearbeit!

Neue Ungerechtigkeiten nach der Bodenreformaffäre

Ein weiteres ganz konkretes Ergebnis betrifft Neusiedler und ihre Erben, die durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz ihr sicher geglaubtes Eigentum an das Land Brandenburg verloren haben. Insgesamt 34.000 Hektar LN hat das Land an sich gerissen, intensiv alle Chancen genutzt um Flächen die von den Neusiedlern in der DDR in die LPG eingebracht werden mussten sich anzueignen. Zu intensiv: Der Bundesgerichtshof bescheinigte dem Land 2007 „Sittenwidrigkeit“ bei der Einziehung von Bodenreformeigentum („Bodenreformaffäre).

Das Land Brandenburg hat die Kann-Bestimmung zur Bodenreformabwicklung härter und konsequenter gegen die Besitzer von Bodenreformflächen angewendet als jedes andere ostdeutsche Bundesland – und hat damit die heimische Landwirtschaft geprägt, da auch dadurch der Aufbruch in eine stärker bäuerlich ausgerichtete Landwirtschaft mit Neu- und Wiedereinrichtern noch weiter erschwert war. In Folge des BGH-Urteils von 2007 entstanden jedoch neue Ungerechtigkeiten. Diejenigen, die sich erst heute als bisher unbekannte Erbe von Bodenreformland melden erhalten dieses zurück; diejenigen, die bis zum Stichtag 3. Oktober 2000 ihre Flächen gemeldet hatten, hingegen nur im Einzelfall. Die Ungerechtigkeit wird den Landtag auch nach zwischenzeitlicher Ablehnung eines grünen Gesetzentwurfes noch weiter beschäftigen.

Ausblick

Die Arbeit der Enquetekommission und die Auseinandersetzung und Diskussion mit den Anzuhörenden und Gutachtern war notwendig, um historisches Unrecht aufzuarbeiten und Betroffenen eine Stimme zu geben, zu resümieren und Vorschläge auszuarbeiten, wie es mit Agrarstrukturen, Bodenpolitik, Subventionen, kurz: der Landwirtschaftpolitik in Brandenburg weitergehen soll. Das spiegelt sich in dem Teilbericht zur Landwirtschaft wider, spannend wird nun die Diskussion um die Handlungsempfehlungen.

[1] Alle Gutachten auf der Homepage der Enquete-Kommission 5/1

[2] Entwurf Abschlussbericht EK 5/1 Themengebiet V, S. 65

[3] Ebd.

[4] siehe Lt Drs. 5/7956-B