Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchte den Umstand, dass Frauen im Landesparlament dauerhaft unterrepräsentiert sind, durch die Einführung eines paritätischen Wahlrechts abstellen und hat dazu ein Paritégesetz ausgearbeitet. Der Gesetzentwurf ist eingebracht und soll auf der Märzsitzung des Landtags behandelt werden. Für die Aufstellung der Landeslisten der Parteien sieht er eine abwechselnde Besetzung mit Frauen und Männern (Reißverschluss-Prinzip) vor. Über die Landeslisten werden die Hälfte der 88 Landtagsmandate vergeben.
Auch für die 44 Landtagsmandate, die über eine Direktwahl in den Wahlkreisen bestimmt werden, soll der Gleichheitsgrundsatz zum Tragen kommen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass DirektkandidatInnen künftig in paritätisch besetzten Duos antreten. Das heißt, dass künftig jede Partei oder Wählervereinigung sich jeweils mit einem Duo, bestehend aus einer Frau und einem Mann, um zwei Direktmandate im Wahlkreis bewirbt. Um die Anzahl der Direktmandate nicht zu erhöhen, wird die Zahl der Wahlkreise halbiert. Einzelbewerbungen sind weiter möglich. Statt einer Erst- und einer Zweitstimme (Direktmandat bzw. Landesliste) haben die WählerInnen nach unserem Gesetzentwurf künftig drei Stimmen: Zwei im Wahlkreis, davon eine für die Wahl einer Kandidatin und eine für die Wahl eines Kandidaten, sowie die Zweitstimme für die Landesliste. Die beiden Erststimmen können auch für Kandidatinnen und Kandidaten verschiedener Parteien/Wählervereinigungen abgegeben werden.
Das Grundgesetz gibt der Politik einen klaren Auftrag. Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Der Staat hat die Aufgabe, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und bestehende Nachteile zu beseitigen. Gleichberechtigte demokratische Teilhabe der Bürgerinnen, davon sind wir jedoch auch im Brandenburger Landtag weit entfernt. „Ohne eine entsprechende Gesetzgebung bleibt eine gleichberechtigte Beteiligung von Frauen Illusion. Das hat uns auch die letzte Bundestagswahl eindrücklich vor Augen geführt, durch die der Anteil der Parlamentarierinnen von 37,1 Prozent auf 30,9 zurückgegangen ist. Auch im Brandenburger Landtag ist der Frauenanteil wieder rückläufig. Unser Paritégesetz soll hier auf Landesebene Gleichheit – Parität - herstellen“, sagte die Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN URSULA NONNEMACHER. Sie verwies auch auf die jüngste Studie aus dem brandenburgischen Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, wonach der Anteil von Frauen in Gemeindevertretungen bei 23,3 Prozent und im Landtag bei 36,4 Prozent liegt.
„Ich teile die Auffassung vieler Juristinnen, dass die herrschenden Verhältnisse in den Parlamenten verfassungswidrig sind, weil die weibliche Bevölkerungsmehrheit (51 Prozent Frauen) mit ihren Perspektiven und Interessen nicht angemessen in den Parlamenten repräsentiert wird“, sagte SILKE RUTH LASKOWSKI, Professorin für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an der Universität Kassel, die den Entwurf des Paritégesetzes für die bündnisgrüne Fraktion erarbeitet hat. Frau Laskowski vertritt das „Aktionsbündnis Parité in den Parlamenten“ vor dem Bayrischen Verfassungsgerichtshof mit einer Klage gegen das bayerische – nicht-paritätische - Wahlrecht. Die Entscheidung wird Mitte 2018 erwartet.
Ein Hauptgrund für die geringe Anzahl weiblicher Abgeordneter sind die Nominierungsverfahren im Vorfeld von Wahlen. Empirische Daten sprechen dafür, dass diese vor allem in traditionellen, männlich dominierten Parteien dazu führen, überproportional viele Kandidaten zu nominieren, unter Verzicht auf Kandidatinnen. Männliche Kandidaten werden bevorzugt. Für die Frauen bedeutet das eine strukturelle Diskriminierung. „Das Problem ist bekannt und mittlerweile auch vom Bundesverfassungsgericht anerkannt. Dennoch bleiben jahrelange Appelle an Parteien zur Erhöhung des Frauenanteils wirkungslos. Das zeigt: Eine verbesserte geschlechtergerechte politische Teilhabe kann nur durch verbindliche Maßnahmen erreicht werden. Eine Möglichkeit ist die konsequente paritätische Nominierung der KandidatInnen aller Parteien“, sagte URSULA NONNEMACHER.
In Frankreich hat sich gezeigt, wie gut diese Maßnahme wirkt. Dort ist seit 2001 ein Paritégesetz in Kraft, das eine geschlechterparitätische Besetzung von KandidatInnenlisten vorgibt. Nach einem Reißverschluss-Prinzip werden dort abwechselnd eine Frau und ein Mann platziert. Ähnliche Regelungen gibt es mittlerweile in zehn EU-Ländern, neben Frankreich auch in Luxemburg, Kroatien, Irland, Belgien, Polen, Portugal, Slowenien, Spanien und Griechenland. Dort haben sie zu einem höheren Anteil an Parlamentarierinnen beigetragen.
Eine entsprechende Änderung des Wahlrechts fordern deutsche PolitikerInnen, Frauenverbände, der Deutsche Juristinnenbund und andere zivilgesellschaftliche Organisationen seit Langem. Auch die brandenburgische Landesregierung macht sich langsam auf den Weg. Sie hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das zeigen sollte, wie Brandenburger Wahlgesetze den Weg von Frauen in die Politik beeinflussen. Im Ergebnis kommt das Gutachten im Auftrag der Landesregierung zu dem Schluss, dass in Brandenburg verpflichtende Regelungen und die Möglichkeit zu deren Durchsetzung eingeführt werden müssten.
>> Ursula Nonnemacher im rbb Kulturradio zu unserem Paritégesetz