Der Brandenburgische Verfassungsschutz wird dem NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags seine Akten, die den ehemaligen V-Mann „Piatto“ sowie weitere Altfälle betreffen, ungeschwärzt übermitteln. Das hat Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) in einem Gespräch mit dem Gremium am 20. Januar 2017 zugesagt. In der Sitzung haben die Ausschussmitglieder zudem mit Justizminister Stefan Ludwig (LINKE) besprochen, dass die Justizakten in digitalisierter Form geliefert werden, damit sie elektronisch nach Stichworten durchsucht werden können.
Ursula Nonnemacher, die Obfrau der bündnisgrünen Fraktion im NSU-Untersuchungsausschuss, war mit dem „ausgesprochen konstruktiven Gespräch“ mit den beiden Ministern zufrieden: „Wir können davon ausgehen, dass ein Großteil der Verfassungsschutz-Akten ungeschwärzt im Geheimschutzraum zur Verfügung gestellt wird.“ Den Geheimschutzraum dürfen nur die Ausschuss-Mitglieder und sicherheitsüberprüfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreten.
Sofern in jüngeren Akten die Namen von V-Leuten geschwärzt sind, weil die Rechtsextremisten noch für den Verfassungsschutz arbeiten, können die Ausschuss-Mitglieder sich die Dokumente in den Räumen der Behörde ungeschwärzt ansehen.
Großteil der Akten muss noch vorgesichtet und geliefert werden
Die „Beschaffungsakten“ des Verfassungsschutzes hat der Untersuchungsausschuss bereits von einem Sachverständigen sichten lassen und auf dieser Basis im Dezember erste Aktenlieferungen erhalten. Nun sollen zwei weitere Sachverständige die – deutlich umfangreicheren – „Auswertungsakten“ der Behörde vorsichten. Sie wählen die Dokumente aus, die für den Untersuchungsausschuss gemäß seines Untersuchungsauftrags relevant sind.
Insofern werden noch einige Monate vergehen, bis beispielsweise sämtliche „Piatto“-Akten vorliegen und vom Untersuchungsausschuss ausgewertet sind. „Piatto“ ist zentraler Bestandteil des Untersuchungsauftrags, weil er 1998 berichtet hat, dass ein sächsischer „Blood & Honour“-Kader Waffen für das untergetauchte Trio beschaffen wolle, das heute als „NSU“ bekannt ist.
Die gesamten „Piatto“-Akten müssen ausgewertet sein, um gut vorbereitet in die entsprechende Beweisaufnahme mit Zeuginnen und Zeugen einsteigen zu können, wie die bündnisgrüne Innenpolitikerin Ursula Nonnemacher erklärt. Sie hat sich deshalb schon im Dezember dafür eingesetzt, dass das relativ überschaubare Thema „Nationale Bewegung“ vorgezogen wird. Nach der jüngsten Sitzung ist sie optimistisch, dass dies so geschehen wird.
„Nationale Bewegung“ in der Beweisaufnahme vorziehen
Die „Nationale Bewegung“ hat anno 2001 unter anderem einen Brandanschlag auf den Jüdischen Friedhof in Potsdam verübt. Diesbezüglich sorgte Generalstaatsanwalt Prof. Dr. Erardo Cristoforo Rautenberg am 18. November 2016 als Sachverständiger im NSU-Untersuchungsausschuss für Aufsehen, als er sagte, „dass mir Zweifel gekommen sind, ob es die Vereinigung ,Nationale Bewegung‘ tatsächlich je gegeben hat“. Er begründete diese Zweifel mit dem Verhalten des Verfassungsschutzes Brandenburg: „Der damalige Leiter des Verfassungsschutzes, Heiner Wegesin, erhob nach meiner Erinnerung Einwände dagegen, das Verfahren dem Generalbundesanwalt zur Übernahme anzubieten.“
Elektronisch durchsuchbare Akten vom Justizministerium
Mit Justizminister Stefan Ludwig hat der Ausschuss vereinbart, dass die Akten aus dem Geschäftsbereich seines Ministeriums in digitaler Form bereitgestellt werden, wie das vom Innenministerium bereits gemacht wird. Das Gremium benötigt Dateien, die elektronisch nach Stichworten durchsuchbar sind, um die Dokumente möglichst effektiv auswerten zu können.
Ludwig sagte das mit einer Einschränkung zu: Lediglich Gefangenenbücher könnten nicht so aufbereitet werden, dass die Volltextsuche funktioniere – denn sie seien handschriftlich geführt worden. Das Justizministerium liefert unter anderem die Akten von Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsanstalten – allesamt ungeschwärzt, wie der Minister zusicherte.
In der anschließenden Pressekonferenz wurden die Minister gefragt, ob sich manche ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber dem Untersuchungsausschuss auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen werden, weil die Gefahr bestehe, dass sie sich selbst belasten müssten. Schröter und Ludwig antworteten unisono, dass sie sich das nicht vorstellen könnten.