Als der Terrorist Anis Amri am 19. Dezember 2016 in den Berliner Weihnachtsmarkt raste, war das Staatsversagen rund um den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) seit fünf Jahren bekannt. Trotzdem profitierte auch der Islamist davon, dass Sicherheitsbehörden ihre Erkenntnisse nicht umfassend ausgewertet und nur mangelhaft kooperiert haben. „Wenn wir Terroranschläge verhindern wollen, müssen wir das NSU-Desaster gründlich aufarbeiten“, betont Ursula Nonnemacher, die innenpolitische Sprecherin der bündnisgrünen Landtagsfraktion. „Denn nur, wenn wir die Mängel im Staatsapparat kennen, können wir sie beseitigen.“
Die Sicherheitspolitikerin hält es daher für „unverantwortlich, dass die brandenburgische Landesregierung den NSU-Untersuchungsausschuss mehr behindert als unterstützt“.
Das Landtagsgremium soll unter anderem folgende Frage klären: Hätte der märkische Verfassungsschutz die Mord- und Überfallserie des NSU verhindern können, wenn er seine Erkenntnisse im Sommer 1998 an die Polizei weitergegeben hätte? Denn V-Mann „Piatto“ hatte von Bewaffnungs- und Überfall-Plänen des Trios berichtet, das heute als NSU bekannt ist – und, wer die flüchtigen Neonazis unterstützte.
Dieser Kernfrage kann sich der Ausschuss erst eineinhalb Jahre nach seiner Einsetzung annähern. „Die Hauptursache sind späte Aktenlieferungen und die Geheimniskrämerei von Verfassungsschutz und Polizei“, erklärt Ursula Nonnemacher. Selbst Zeitungsberichte wurden in einem Geheimschutzraum weggeschlossen und darin enthaltene Neonazi-Namen geschwärzt.
„Folglich konnten wir beim ersten Thema nur eingeschränkt und schon gar nicht transparent aufklären“, bedauert die bündnisgrüne Obfrau im Ausschuss. Es ging um „Die Nationale Bewegung“, die in den Jahren 2000 und 2001 Brandanschläge verübt hat. Die Täter konnten nicht gefasst werden, obwohl der Generalbundesanwalt wegen Terrorverdachts ermittelt hat.
Brandenburgs Verfassungsschutz spielte dabei eine dubiose Rolle: Ein V-Mann warnte beispielsweise einen rechtsextremistischen Versandhändler vor einer großangelegten Durchsuchungsaktion, von der sich die Polizei Erkenntnisse zur „Nationalen Bewegung“ erhoffte. Für den Verdacht, dass der Verfassungsschutz hinter der „Nationalen Bewegung“ stecken könnte, gibt es bisher keine Belege. Allerdings fehlten bei vielen Zeugenvernehmungen wichtige Akten. Darauf machte ein Kriminalhauptkommissar die Abgeordneten aufmerksam.
In der Folge hat das Innenministerium mehrere tausend Seiten nachgeliefert – ein dreiviertel Jahr nach dem entsprechenden Beweisbeschluss. „Viel zu spät“, so Ursula Nonnemacher – und geheim eingestuft: „Auf diese Weise soll verhindert werden, dass wir darüber informieren, welch‘ hanebüchenes Verfassungsschutzhandeln wir festgestellt haben.“
Die bündnisgrüne Abgeordnete bedauert zudem, dass die Ausschussmehrheit entschieden hat, einige Zeugen komplett nicht-öffentlich zu vernehmen – „dabei ist der Untersuchungsausschuss doch gerade der Öffentlichkeit verpflichtet“.