Eine Zusammenfassung
I. Finanzielle Zuwendung für Opfer und Angehörige
Die Verfassungsschutzabteilung des Brandenburger Innenministeriums hätte 1998 die ,Piatto‘-Hinweise auf Bewaffnungs- und Überfallpläne eines flüchtigen Rechtsterroristen-Trios aus Thüringen an die Strafverfolgungsbehörden weitergeben müssen. Dadurch hätte die Chance erhöht werden können, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zu fassen, bevor der NSU seine Mordserie begonnen hat. Folglich trifft Brandenburg eine gewisse Mitschuld an den beispiellosen Verbrechen. Aus diesem Grund sollte Brandenburg dem Thüringer Beispiel folgen und finanzielle Mittel für Opfer und Angehörige sowie für Geschädigte des NSU bereitstellen. Das könnte durch eine Zuwendung an die Ombudsstelle der Bundesregierung erfolgen.
II. Die Untersuchungsausschuss-Bilanz
Der NSU-Untersuchungsausschuss blieb weit hinter seinen Möglichkeiten, weil er von den Behörden verschiedentlich behindert wurde. So wurden viele Akten zu spät, mit zu hohen Geheimhaltungsgraden und teilweise so geschwärzt geliefert, dass sie nicht ausgewertet werden konnten. Zahlreiche Dokumente, die von dem Sachverständigen im Herbst 2017 zur Lieferung angewiesen worden waren, sind vom Brandenburger Verfassungsschutz erst im Frühjahr 2019 übermittelt worden. Trotzdem war der Untersuchungsausschuss sehr erfolgreich!
Die Verfassungsschutz-Quellen Carsten Szczepanski und Toni Stadler dürften die bestaufgeklärten im NSU-Komplex sein – gemessen am Umfang der Erkenntnisse, die in öffentlichen Sitzungen erarbeitet wurden und jetzt in einem öffentlichen Bericht stehen.
In den Themenkomplexen ,V-Mann Stadler‘ und ,Nationale Bewegung‘ konnte der Untersuchungsausschuss nachweisen, wie Ermittlungsergebnisse von Staatsanwaltschaften, die Beamte betroffen haben, politisch beeinflusst und damit manipuliert worden sind. So wäre der V-Mann-Führer von Toni Stadler im Jahr 2002 samt seinem V-Mann in Berlin angeklagt worden, wenn politisch nicht die Abtrennung seines Verfahrens betrieben worden wäre – am Ende wurde es in Cottbus eingestellt. Außerdem wurde im Jahr 2003 bei der Staatsanwaltschaft Potsdam der damalige LKA-Direktor als Beschuldigter wieder ausgetragen, obwohl die ermittelnde Oberstaatsanwältin einen Anfangsverdacht bezüglich einer Strafvereitelung im Amt gesehen hat. Dem Verfahren lag der Razzia-Verrat eines V-Mannes zugrunde, der nicht angezeigt worden war.
Der Kontakt zwischen Verfassungsschutz- und LKA-Führung war zeitweise so eng, dass das LKA dem Verfassungsschutz verschiedentlich entgegenkam. Etwa, indem ein Einsatz mit Bezug zu Informant Szczepanski abgesagt wurde. Oder, indem Verfassungsschützer zuschauen durften, als die Wohnung des V-Manns Stadler durchsucht wurde.
III. Bewertungen in den Themenkomplexen
A. Piatto:
Die Führung der Quelle ,Piatto‘ war hochproblematisch, weil rechtsextremistische Strukturen aufgebaut und gestärkt wurden, um Informationen zu gewinnen. Szczepanski hat mit seinem Szene-Heft ,United Skins‘ Militanz propagiert, er war ein informeller Brückenkopf für die britische Terrorgruppe ,Combat 18‘ in Deutschland und er hat ein Verfassungsschutz-Postfach als Kontaktadresse für die ,Anti-Antifa Brandenburg‘ genutzt. Verantwortungslos handelte der Verfassungsschutz aber auch gegenüber Szczepanski. Seine Resozialisierung wurde verhindert, indem er veranlasst wurde, zur Informationsbeschaffung immer tiefer in die Neonazi-Szene einzudringen.
Szczepanski hatte zu mindestens einem weiteren Nachrichtendienst Kontakt, wie aus Schreiben des einstigen Verfassungsschutzleiters Pfaff hervorgeht. Welcher Art dieser Kontakt war und zu welcher Verfassungsschutzbehörde er bestand, konnte der Untersuchungsausschuss allerdings nicht klären. Besonders undurchsichtig agierte und agiert das Bundesamt für Verfassungsschutz bezüglich Szczepanski.
B. Stadler:
V-Mann-Stadler sollte im Auftrag des Verfassungsschutzes den Hassmusik-Großhandel aufklären, den er mit Wissen des Verfassungsschutzes maßgeblich mit aufgezogen hat. Die CD ,Noten des Hasses‘, auf der Prominente wie Rita Süssmuth und Alfred Biolek mit dem Tode bedroht wurden, hat er in vierstelliger Zahl vertrieben. Eine zweite Auflage dieser CD wurde sogar im Rahmen einer Verfassungsschutz-Operation geplant.
C. „Die Nationale Bewegung“ (NaBe):
Die ,NaBe‘ ist auf Basis des letzten Ermittlungsstandes nicht als unaufklärbar zu bewerten. Eine vielversprechende Spur, die zu militanten Neonazis in Berlin führte, wurde nicht ausermittelt. Die Vertrauensperson, der diese Spur maßgeblich zu verdanken war, wurde vom damaligen LKA-Direktor auf dubiose Weise abgeschaltet. Seine angeblichen Gründe zur Abschaltung wurden vom VP-Sachgebiet des LKA alle widerlegt.
Der Verfassungsschutz hat bei den ,NaBe‘-Ermittlungen eine undurchsichtige Rolle gespielt. Der Verdacht, dass der Verfassungsschutz etwas mit der ,Nationalen Bewegung‘ zu tun gehabt haben könnte, konnte nicht bestätigt, aber auch nicht gänzlich ausgeräumt werden.
Insgesamt betrachtet, kann der Eindruck entstehen, dass die Tatenserie der terrorverdächtigen ,Nationalen Bewegung‘ gar nicht aufgeklärt werden sollte.
D. Rolle der Brandenburger Behörden bei der NSU-Aufklärung
Das Brandenburger Innenministerium hat die gerichtliche NSU-Aufklärung behindert, indem es für Carsten Szczepanski zunächst nur eine eingeschränkte Aussagegenehmigung erteilt und später die Handakte seines V-Mann-Führers gesperrt hat. Beide Entscheidungen waren juristisch unhaltbar. Mit dem missbräuchlichen Einsatz des Geheimschutzes hat der Verfassungsschutz auch die Arbeit des Untersuchungsausschusses massiv behindert.
VI. Handlungsempfehlungen
Es bedarf einer Beschwerdestelle, an die sich Landesbedienstete vertraulich wenden können, um auf Missstände aufmerksam zu machen – beispielsweise, wenn auf den Ausgang von Ermittlungsverfahren politisch Einfluss genommen wird.
Eine grundlegende Verfassungsschutz-Reform tut Not, nicht nur eine Nachrichtendienst-Reform. Ziel muss es sein, den bestmöglichen Schutz der Verfassung zu erreichen. Zielführend erscheint ein unabhängiges Institut zum Schutz der Verfassung, das wissenschaftlich arbeitet und zivilgesellschaftliche Erkenntnisse einbezieht.
Der Landtag sollte ein Team von Wissenschaftlern damit beauftragen, die zahlreichen offenen Fragen aus dem Untersuchungsauftrag zu bearbeiten.