„Es ist deutlich geworden, dass dem V-Leute-Wesen sehr enge Grenzen gesetzt sind“, sagte Ursula Nonnemacher, die bündnisgrüne Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss Brandenburg, nach der Sitzung am 14. Oktober 2016. Zum Thema „V-Personen“ hatte das Landtagsgremium Professor Heinrich Amadeus Wolff (http://www.oer7.uni-bayreuth.de/de/team/Wolff/index.php) von der Universität Bayreuth und Professor Hans-Jürgen Lange (https://www.dhpol.de/de/hochschule/Praesidium/Lange.php), den Präsidenten der Deutschen Polizeihochschule in Münster befragt.
Als „Vertrauenspersonen“ sollen Rechtsextremisten der Verfassungsschutzbehörden helfen, die Verfassung zu schützen – mit Informationen, für die sie vom Staat bezahlt werden.
V-Männer sind Überzeugungstäter
„Man muss sich vor der Vorstellung hüten, es gäbe den netten, zuverlässigen V-Mann“, sagte Professor Lange. „Der typische V-Mann ist ein Überzeugungstäter, der von der Ideologie überzeugt ist.“ Warum solche Leute mit einer Verfassungsschutzbehörde zusammenarbeiten? Zum Beispiel des Geldes wegen, wenn sie finanziell in der Klemme stecken, erklärte der Sachverständige – oder, weil sie sich über ihre „Kumpane“ geärgert haben.
Professor Wolff zählte Gründe auf, die für solche „Vertrauensleute“ sprechen: Sie seien ein „wichtiges Instrument der Informationsbeschaffung“, auch die „Bedeutung der Aufgabe der Verfassungsschutzbehörde“ würde ihren Einsatz rechtfertigen. „Für die Aufklärung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen“ seien sie „das adäquate Informationsinstrument“.
Wolffs Liste mit Gründen gegen den Einsatz von V-Leuten war allerdings länger: Sie seien nur beschränkt zuverlässig, sagte er. „Der Staat macht mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen gemeinsame Sache.“ Es fehle der „klare Abstand“ zu den verfassungsfeindlichen Bestrebungen, die der Staat in Form des V-Leute-Wesens sogar „in gewisser Form finanziert“. Dadurch werde der Staat angreifbar und erpressbar. Es bestehe sogar die Gefahr, dass er die verfassungsfeindlichen Bestrebungen steuere. Zudem schaffe der Staat ein finanzielles Interesse bei den Vertrauensleuten, „in der verfassungsfeindlichen Bestrebung zu verbleiben“.
„Feldversuch“ ohne V-Leute wäre möglich
Der Sachverständige betonte: „Alle Gefahren sind eindämmbar, aber nicht aus der Welt zu schaffen.“ Es sei dem „demokratischen Gesetzgeber überlassen“, ob er V-Leute einsetzen wolle oder nicht. „Ein Feldversuch ohne V-Leute wäre denkbar“, sagte Professor Wolff – es gebe bisher aber keinen.
Ursula Nonnemacher kam nach dieser Anhörung zu dem Ergebnis: „Wir sollten sehr ernsthaft über Alternativen nachdenken.“ Es spreche für sich, dass Professor Wolff den ehemaligen V-Mann „Piatto“ des brandenburgischen Verfassungsschutzes als Lehrbeispiel für seine Studentinnen und Studenten verwende, „wie es schlechter kaum laufen kann“.
Das schwächste Kontrollgremium
Falls man sich dennoch entscheide, am Einsatz von V-Leuten festzuhalten, müsse jedoch die parlamentarische Kontrolle gestärkt werden, betonte die bündnisgrüne Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss, die auch innenpolitische Sprecherin der Fraktion ist. Der Sachverständige Wolff hatte zuvor gesagt, Brandenburg habe das „schwächste parlamentarische Kontrollgremium unter den Ländern“.