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V-Mann als Geheimnisträger – den Bock zum Gärtner gemacht

Der V-Mann Christian K. wurde im September 2003 wegen Geheimnisverrats verurteilt, weil er eine Verfassungsschutz-Warnung vor einer Polizei-Razzia am 6. Februar 2001 an einen anderen Rechtsextremisten weitergegeben hatte. „Gegen seinen V-Mann-Führer hat die Staatsanwaltschaft Potsdam nicht einmal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet“, kritisiert Ursula Nonnemacher, die bündnisgrüne Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss.

Das Ergebnis der Ermittlungen wegen Geheimnisverrats verkündete am 28. August 2003 Generalstaatsanwalt Professor Dr. Erardo Cristoforo Rautenberg, da der eigentlich zuständigen Staatsanwaltschaft Potsdam vom Justizministerium die Pressearbeit entzogen worden war: „Nach dem weiteren Ergebnis der Ermittlungen treffen die Angaben des Christian K. zu, dass ihm der Durchsuchungstermin von seinem damaligen V-Mann-Führer mitgeteilt worden war. Diese Mitteilung des V-Mann-Führers ist allerdings strafrechtlich nicht relevant, weil die Weitergabe eines geplanten Durchsuchungstermins an einen zur Verschwiegenheit verpflichteten V-Mann jedenfalls dann nicht die unbefugte Weitergabe eines Geheimnisses darstellt, wenn dies geschieht, um den verpflichteten V-Mann zu veranlassen, sich im Interesse der Geheimhaltung seiner Funktion von der Aktion fernzuhalten, und dieser nicht selbst Beschuldigter ist.“

Ursula Nonnemacher: „Es wundert mich, dass es völlig in Ordnung sein soll, wenn einem V-Mann – also einem Rechtsextremisten – eine polizeiliche Durchsuchungsaktion verraten wird.“

Unterstützung einer terroristischen Vereinigung?

Der damalige Stellvertreter des Generalstaatsanwalts, der Leitende Oberstaatsanwalt Ewald Bröhmer, hatte im Juni 2003 davon gehört, dass der ehemalige V-Mann Christian K. gegenüber Journalisten angegeben haben soll, dass ihn sein V-Mann-Führer von der Razzia im Februar 2001 gewarnt habe. Bröhmer schrieb daraufhin an einen Abteilungsleiter des Justizministeriums: „Sollte sich der von Herrn J. mitgeteilte Sachverhalt durch die entsprechende Aussage des V-Manns belegen lassen, käme nach vorläufiger rechtlicher Prüfung wegen der telefonischen Warnung auch die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung durch den V-Mann-Führer in Betracht.“ Von der verratenen Durchsuchungsaktion hatte sich die Polizei nämlich Erkenntnisse über die terrorverdächtige „Nationale Bewegung“ erhofft, die sich unter anderem zu einem Brandanschlag auf dem Jüdischen Friedhof in Potsdam bekannt hatte.

V-Leute kommen „aus kriminellen Kreisen“

Als Zeuge vor dem NSU-Untersuchungsausschuss konnte sich Bröhmer am 11. Januar 2018 nicht mehr an den Vorgang erinnern. Mit dem damaligen Sachverhalt konfrontiert, bestätigte er aus heutiger Sicht aber, dass sich der V-Mann-Führer eines Geheimnisverrats schuldig gemacht haben könnte, da er den Durchsuchungstermin „an einen unbeteiligten Dritten“ weitergegeben habe. Man könne freilich überlegen, schränkte er ein, ob ein V-Mann zur „Wahrung von Dienstgeheimnissen verpflichtet sein kann“. Plausibel erscheine ihm das aber nicht, da der V-Mann ja „aus kriminellen Kreisen“ komme. Bröhmer: „Da würde der Bock zum Gärtner gemacht.“

Auch der damalige Verfassungsschutz-Leiter Heiner Wegesin hatte bereits im September als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss gesagt, dass es sich um „rechtswidriges Tun“ handle, wenn ein V-Mann-Führer „die Durchsuchung und ihren Zeitpunkt“ an einen V-Mann weitergebe.

Gegen V-Mann-Führer wurde nicht einmal ermittelt

Ursula Nonnemacher fasst zusammen: „Der V-Mann Christian K. hat gegenüber der Staatsanwaltschaft ausgesagt, dass ihn sein V-Mann-Führer vor der Razzia informiert und auch das Datum genannt habe. Der V-Mann-Führer hat das lange geleugnet. Erst nach mehr als zwei Jahren hat er es in einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung für ,durchaus wahrscheinlich‘ gehalten, dass er Christian K. am 6. Februar 2001 gewarnt hat. Er schloss es zudem nicht aus, dass er auch das Datum der geplanten Razzia genannt habe. Und der Abteilungsleiter „Beschaffung“ des Verfassungsschutzes hat gegenüber der Staatsanwaltschaft bestätigt, dass der V-Mann-Führer den V-Mann vor der Durchsuchungsmaßnahme warnen sollte – aber codiert, also ohne Datum. Ich kann es vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehen, dass die Staatsanwaltschaft gegen den V-Mann-Führer nicht einmal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat.“