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War der ehemalige „Blood & Honour“-Kader Sven Schneider ein LKA-Informant?

„Faktisch war der Betreiber des Neonazi-Versandes ,Hatesounds‘ ein Informant des brandenburgischen Landeskriminalamtes.“ Zu diesem Ergebnis ist Marie Luise von Halem, die stellvertretende Obfrau der Bündnisgrünen im NSU-Untersuchungsausschuss, in der Sitzung am 6. Oktober 2017 gekommen. Sie kritisierte, dass der rechtsextremistische Geschäftsmann Sven Schneider vom LKA beraten worden ist, wie er sein „Hatesounds“-Geschäft legal aufziehen kann.

Sven Schneider galt als Führer der „Blood & Honour“-Sektion im nördlichen Brandenburg, ehe das Neonazi-Netzwerk in Deutschland verboten wurde. Anfang der 2000er-Jahre hat er rechtsextremistische CDs produziert und vertrieben. Wiederholt hat die Polizei deswegen gegen Schneider ermittelt. Er wurde in der Folge auch gerichtlich verurteilt. Das soll ihn genervt haben, weshalb er offenbar beim brandenburgischen Landeskriminalamt Rat suchte.

Nach Auskunft eines Kriminalhauptkommissars, der am 6. Oktober 2017 bereits zum zweiten Mal als Zeuge vor dem NSU-Untersuchungsausschuss ausgesagt hat, bekam Schneider daraufhin tatsächlich Ratschläge, welche CDs er aus strafrechtlichen Gründen besser nicht in sein Sortiment aufnehmen sollte. Der LKA-Beamte versuchte das zu rechtfertigen: Mit dieser Beratung habe er den Handel mit verbotenen oder als jugendgefährdend indizierten Tonträgern verhindern wollen.

Ist ein legaler Neonazi-Versand für das LKA unterstützenswert?

Die Landtagsabgeordnete Marie Luise von Halem hat dafür kein Verständnis: „Auch ein legaler Neonazi-Versand darf aus polizeilicher Sicht weder erstrebens- noch unterstützenswert sein. Denn selbst legaler Rechtsrock ist Hass-Musik, die unter anderem ausländerfeindliches Gedankengut unter Jugendlichen verbreitet.“ Wenn ein Polizist die Beratung eines rechtsextremistischen CD-Händlers für gerechtfertigt halte, stelle dies eine unglaubliche Verharmlosung dieser Musik dar. „Die Polizei sollte vielmehr genau darauf achten, wann ein Neonazi-Händler sich strafbar macht und dann entschlossen gegen ihn ermitteln“, betonte die Landtagsabgeordnete.

Der Untersuchungsausschuss beschäftigte sich mit der Frage, ob Sven Schneider ein Informant oder gar eine Vertrauensperson der Polizei war – und die Beratung des Landeskriminalamts vielleicht die Gegenleistung für seine Informationen war? Das wies der Kriminalhauptkommissar im Zeugenstand aber weit von sich. Es habe nicht einmal den Gedanken gegeben, Schneider als Vertrauensperson zu werben. Und Informant sei Schneider ebenfalls nicht gewesen, betonte der Kriminalhauptkommissar Michael K. – auch nicht im wörtlichen Sinne.

Wer der Polizei Informationen liefert, ist kein Polizei-Informant?

Informationen geliefert habe Schneider allerdings schon, wie der Zeuge berichtete. Diese Informationen seien auch in Strafverfahren gegen Rechtsextremisten eingeflossen. Trotzdem soll Schneider kein Informant gewesen sein? „Wenn er Informationen gehabt hätte, für die er Vertraulichkeit gewollte hätte, dann hätte man sich Gedanken machen müssen …“, meinte Schneiders ehemaliger Ansprechpartner beim Landeskriminalamt. Erst wenn dem Rechtsextremisten Vertraulichkeit zugesichert worden wäre, wäre er formell ein Polizei-Informant gewesen.

Aber es tauchten nicht nur die belastenden Aussagen von Schneider in Prozessakten auf, welche die (Szene-)Anwälte seiner angeklagten „Kameraden“ erhielten. Hinzu kam ein Vermerk des Landeskriminalamts in Sachsen-Anhalt, das ein Telefonat von Sven Schneider mit einem Polizeibeamten abgehört hatte. Die Ermittler kamen zu dem Ergebnis, dass es sich bei Schneider um eine Quelle des brandenburgischen LKA handeln müsse – und das haben sie in den Akten festgehalten.

So wurde die Geschäftsgrundlage von „Hatesounds“ zerstört

In der Folge geriet Schneider in der rechtsextremistischen Szene unter Spitzel-Verdacht. Es folgten Boykott-Aufrufe gegen seinen Versand – Schneider hat den Betrieb einige Zeit später eingestellt. Marie Luise von Halem hält fest: „Im Ergebnis scheint es der Polizei immerhin gelungen zu sein, dem rechtsextremistischen Händler die Geschäftsgrundlage zu entziehen.“