Artgerechte Tierhaltung in Brandenburg kann nicht allein in der Küche erreicht werden – BürgerInnen fordern Maßnahmen von der Politik
Im Rahmen ihrer Infotour „Für eine neue Haltung – artgerecht statt massenhaft“ lud die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen am vergangenen Dienstag zu einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Wie viele Ställe verträgt Brandenburg?“ nach Müncheberg ein. Über 100 Interessierte kamen an diesem Abend ins Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), was die Brisanz des Themas für die Menschen in der Region dokumentiert.
Auf dem Podium, das von MICHAEL JUNGCLAUS von der bündnisgrünen Landtagsfraktion moderiert wurde, diskutierten der Bundestagsabgeordnete und Ökolandwirt FRIEDRICH OSTENDORFF (Grüne/B90), der Vizepräsident des Landesbauernverbandes, HENRIK WENDORFF und MARGA VAN TANKEREN, Vorsitzende der Eggersdorfer Bürgerinitiative gegen die geplante Schweinemastanlage.
Einig war man sich darin, dass die Zukunft nur in einer artgerechten Tierhaltung liegen kann. Darüber was darunter genau zu verstehen ist und ob das überhaupt mit der Anzahl der in einem Stall gehaltenen Tiere zusammen hängt, bestanden unterschiedliche Auffassungen.
FRIEDRICH OSTENDORFF wies darauf hin, dass eine artgerechte Tierhaltung nicht nur aus ökologischen und Tierschutzgründen geboten sei, sondern auch ökonomische Vorteile biete. „Die industriell-automatisierte Tierhaltung setzt mittelständische Betriebe massiv unter Druck, führt mittelfristig zu einer negativen Arbeitsplatzbilanz und schwächt damit den ländlichen Raum.
Die bäuerliche Landwirtschaft dagegen, die selbst angebaute Futtermittel verfüttert, ist deutlich arbeitsintensiver und schaff mehr qualifizierte Arbeitsplätze; insbesondere, wenn die landwirtschaftlichen Produkte auch in der Region weiter verarbeitet werden.“ erläutert der Bundestagsabgeordnete.
HENRIK WENDORFF betonte, dass es auch konventionelle Betriebe gebe, die die Zeichen der Zeit erkannt hätten und die Tierhaltung weit über das gesetzlich erforderliche Maß hinaus betreiben würden. „Wer im Tierschutz etwas erreichen will, sollte daher mit allen LandwirtInnen in Kontakt treten“ so der Vizepräsident des Landesbauernverbandes.
Das Publikum schien sich darin einig, dass „Qualität statt Quantität“ Einzug in die Esskultur halten müsse und eine vor Ort von Konsumenten und Produzenten aufgebaute Regionalvermarktung sowie eine tierproduktfreie Ernährung wichtige Bausteine einer nachhaltigen Landwirtschafts- und Ernährungspolitik seien.
Die Politik dürfe die Verantwortung aber nicht auf die Verbraucher abwälzen. Das individuelle Konsumverhalten sei zwar ein wichtiger Beitrag zur Förderung einer umwelt- und tierschutzgerechten Landwirtschaft, könne aber angesichts eines an Gewinnmaximierung orientierten globalen Welthandels nicht die Lösung des Problems sein. Zumal die Produktkennzeichnungen oft wenig über ihre Herkunft und Herstellungsweise aussagen.
MARGA VAN TANKEREN stellte die konkrete Forderung an die Bundespolitik, das Bauprivileg für industrielle Tierhaltungsanlagen in der freien Landschaft durch § 35 Baugesetzbuch abzuschaffen. „Das sollte nur noch für Betriebe mit artgerechter Tierhaltung gelten.“ fordert VAN TANKEREN.
Auch an die Landesebene richteten sich konkrete Forderungen, die Moderator JUNGCLAUS gerne aufgriff. So kam aus dem Publikum die Anregung, den Bau und die Erweiterung von Mastanlagen in Zukunft nicht mehr mit Landesmitteln zu fördern. „Aus unserer Sicht sollte nur noch die tierschutzgerechte Umgestaltung von Bestandsanlagen gefördert werden. Auch mit der Forderung mehr und bessere Lebensmittelkontrollen durchzuführen, um verlorenes Vertrauen in Bio- und Tierschutzlabels wieder zu gewinnen, werden wir uns im Landtag beschäftigen müssen“ meint JUNGCLAUS.
Bündnis90/Die Grünen sehen sich nach dieser Veranstaltung in ihrer Auffassung, dass es in Brandenburg zahlreiche Mitstreiter für eine umwelt- und tiergerechte Landwirtschaftspolitik gibt, bestätigt und werden ihre Aktivitäten in diesem Bereich weiter verstärken.